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Interviews

Kollegahs Kreuz ist zu breit für eine Schublade

Kollegah und Farid Bangs neues Album ,Jung, brutal, gutaussehend 2' hat gerade Goldstatus erreicht. Höchste Zeit, sich den Boss mal zur Brust zu nehmen.

Selfmade Records

Mein Telefon klingelt: „Hallo, ich bin’s, Kollegah. Entschuldige, dass ich so spät anrufe, ich war gerade noch unterwegs.“ Es ist dieser Tage nicht einfach, den Boss für ein Gespräch zu kriegen. Genüsslich dürfen wir beobachten, wie Kollegah und Farid Bang den leicht überforderten Feuilletons in Zuhälter- beziehungsweise Banger-Eloquenz erklären, wie das damals mit deiner Mutter so war. An den beiden führt dieser Tage nun mal nichts vorbei. Ihr Kollabo-Album Jung, brutal, gutaussehend 2 verkaufte sich in der ersten Woche 80.000 Mal und damit mehr als jedes andere HipHop-Album der letzten fünf Jahre. Gerade eben wurde bekannt gegeben, dass das Album Goldstatus erreicht hat. Rapfans dürften ob dieser Zahlen ungläubig nach Düsseldorf schielen. Doch der Erfolg ist hausgemacht.

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Mit dem ersten Teil von JBG lieferten Kollegah und Farid Bang nach eigener Aussage das „asozialste Tape, das die Deutschrapgeschichte je gesehen hat“. Und Recht hatten sie. Während Farid Bang die unerbittliche Straßenkeule schwingt, beleidigte Kollegah mit erhabener Ignoranz. Der intelligente Punchlinerap ließ Kollegah zur Kultfigur bei jungen Raphörern werden und Germanistikstudenten in Hausarbeiten Rhetorik und Metrik seiner Texte erörtern.

Wir hätten den selbsternannten Boss gerne persönlich getroffen, doch nach einem gewaltsamen Vorfall vor vier Jahren bei einem Konzert in Berlin trifft man Felix Antoine Blume selten bis gar nicht in der Hauptstadt an. Dafür haben wir ihn an den Hörer gekriegt und mit ihm über Bizepsumfang, Heino und die Berlinsituation gesprochen.

Noisey: Kurzer Lagebericht: Welchen Umfang hat der Bizeps gerade?
Kollegah: Der Bizeps ist gerade bei 44,2 cm. Ich gehe momentan wieder auf Masse, damit ich für die Tour Anfang April gut gepanzert bin.

Was ist das Ziel?
Ich will bis zur Tour auf 45 cm kommen, sodass der Bizeps, falls ich bei der Tour keine Zeit zum Trainieren habe, einen Zentimeter zurückgehen kann und ich mich noch in dem Rahmen befinde, dass die Stimme die nötige Maskulinität vorweist und ich mich auf der Stage nicht anhöre wie Laas Unltd.

Du hast ja gesagt, dass der Bizepsumfang bei der Albumproduktion einen entscheidenden Anteil hat. Also hast du nach Albumabgabe nicht nachgelassen?
Nach dem Album ist vor dem Album sage ich immer. Man muss natürlich das ganze Jahr in Form bleiben. Da heißt es dranbleiben.

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Ich bin ein bisschen enttäuscht, dass wir nur telefonieren können und ich euch nicht in Berlin treffen kann. Ich weiß um den Vorfall vor vier Jahren. Aber sei mal ehrlich, ist die Berlin-Problematik wirklich noch so vorhanden?
Es ist leider so, wenn man einmal so einen Vorfall hatte, wo es zu gewalttätigen Ausschreitungen bei einem Konzert gekommen ist, Veranstalter dieses Risiko nicht mehr eingehen wollen. Viele Rapper sagen, wir würden uns nicht nach Berlin trauen. Das ist völliger Quatsch, wir werden einfach nicht dort gebucht.

Was den Gangstarap in Berlin betrifft, geht gerade sehr wenig. Es kommen auch nicht mehr so viele Anfeindungen wie früher. Besteht überhaupt noch ein Risiko?
Doch, natürlich. Gerade jetzt. Je erfolgreicher wir werden, desto größer wird der Neid.

Angeblich haben sich ja derzeit alle lieb im HipHop. Geht euch das nicht auf die Nerven? Ich meine, ist das nicht unförderlich fürs Geschäft?
Ich finde es auch blöd, wenn man sich krampfhaft mit jedem gut stellen will. Das machen wir nicht, wir sagen immer, wer cool und wer uncool ist. Deutschrap ist in den letzten zwei Jahren auf Kuschelkurs gegangen. Ich vermisse noch die Zeiten, wo man sich dissen konnte, es aber sportlich genommen hat. Viele Rapper sind mit irgendwelchen Großfamilien assoziiert oder zahlen Schutzgeld, sodass die Leute sich nicht mehr dissen, weil sie keine Lust auf den Stress haben, der daraus resultiert.

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Aber hat man das noch nötig, wenn man auf Platz eins steht?
Ich war auch nie darauf aus, andere anzugreifen, ich habe immer nur geantwortet. Ich habe mir meine Karriere selber und nicht auf Disstracks gegen andere aufgebaut. Natürlich habe ich auch die ein oder andere Karriere beendet, wenn es nötig wurde, aber mir ging es in erster Linie um die Musik. Ich mache sehr gute Musik und ich habe auch keine Lust mich mit irgendwelchen Leuten rumzuplagen, ich sehe die alle meilenweit unter mir.

Zurück zu JBG 2. Ihr habt ja im Prinzip nichts anders gemacht als auf dem Vorgänger. Wie ist dieser unglaubliche Erfolg jetzt zu erklären?
Da spielen mehrere Faktoren zusammen. Zum einen verstehen immer mehr Leute, was hinter unserem Rap steckt. Oberflächlich sieht es aus wie normaler Gangstarap, dabei steckt viel Technik, Raffinesse und Wortgewandtheit dahinter. Der zweite Punkt ist, dass die Leute mich und Farid als Typen mögen, weil wir witzig und sympathisch sind und sie sehen, dass uns eine langjährige Freundschaft verbindet. Das ist keine Zweckbeziehung, wie bei anderen Kollabos, wo man immer gemerkt hat, dass die sich zusammensetzen, um noch paar Euros abzugreifen. Bei uns haben die Leute gemerkt, dass da die besten Punchlinerapper sich zusammensetzen und aus Spaß am Rappen gemeinsam ein Album machen. Der letzte Punkt ist die Labelarbeit, die sich in den letzten Jahren stetig entwickelt hat und mit der kein Major mithalten kann.

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Ihr habt ja Heino herausgefordert, wenn ihr ihn von der Eins verdrängt, dass er einen Song von euch covern muss. Kam da eigentlich schon eine Reaktion?
Nee, der Heino hat bis jetzt noch gar nicht reagiert. Ich glaube, der macht auch nichts mehr. Ich weiß nur, dass der Heino mitbekommen hat, dass wir ihm das Leben ein bisschen schwer gemacht haben. Ihm ist es ja wichtig, dass er auf der Eins ist und viel verkauft.

Woher weißt du das?
Das weiß ich aus sicherer Quelle. Mich würde mal interessieren, was er sich so denkt über uns, über die zwei Flegel, die ihn die ganze Zeit provozieren.

Wenn er seine Wettschulden doch nochmal einlösen sollte, welchen Song würdest du ihn gerne covern sehen?
Mein Wunsch wäre, dass er den Track „Stiernackenkommando“ covert. Der Heino hat ja auch immer Wandermusik gemacht. Daraus könnte er ein sehr schönes marschmelodieartiges Wanderlied machen.

Mittlerweile haben sich ja alle großen Medien auf euch gestürzt. War das befremdlich, mit denen zu sprechen?
Eigentlich war es nicht so anders als mit den HipHop-Medien. Die haben Anfangs natürlich gedacht, dass wir die Voll-Asis überhaupt sind. Aber nachdem die uns kennengelernt haben, haben sie schon verstanden, was wir machen. Es ist ja auch nicht so, dass wir ein hochkomplexes Projekt veranstalten. Jeder, der mit einem gewissen Intellekt und Humor gesegnet ist, versteht das schon, wenn man sich damit auseinandersetzt. Und die Berichte waren alle sehr positiv, was ich nicht unbedingt erwartet hatte. Ich dachte, es würde eher in die Richtung „Rüpelrapper“ gehen.

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Ich habe auch das Gefühl, dass die Medien Gangstarap viel neutraler sehen als noch vor zehn Jahren. Man verurteilt nicht mehr, sondern ist vielmehr neugierig. Was glaubst du, woran das liegt?
Wenn sich 100.000 Leute ein Album kaufen, dann können ja nicht alle Proleten sein. Da denkt man sich schon, dass da mehr dahinter stecken muss und deswegen beschäftigt man sich mal damit.

Sind die Journalisten schockiert, wenn du erzählst, dass du Abitur hast und Jura studierst?
Klar sind die überrascht. Die wollen einen natürlich erst Mal in eine Schublade stecken. Aber uns kann man nicht in eine Schublade stecken, dafür sind unsere Kreuze allein schon zu breit.

Hast du eigentlich das Ölgemälde von Stefan Raab wirklich selber gemalt?
Klar, ich als alter Malwettbewerbskönig habe mich einen Sonntag hingesetzt und das Ding gemalt. Stefan hat sich ja sehr drüber gefreut. Ich hätte auch nicht gedacht, dass er so auf dem Boden geblieben ist. Er kam auch nach der Sendung an und hat mit uns noch länger gequatscht, was er wohl nur bei wenigen macht. Der war sehr überrascht von uns und hat uns sehr gemocht.

Was habt ihr denn so besprochen?
Das darf ich jetzt leider nicht sagen.

Wir müssen jetzt aber keinen Song befürchten, wo du Doubletime über die Ukulele von Stefan flext?
Nee, ein Song ist jetzt erst mal nicht geplant. Aber er hat gesagt, dass wir wieder kommen sollen. Mal gucken, vielleicht sieht man Farid und mich demnächst mal beim Turmspringen, wenn wir mit unseren durchtrainierten Körpern nebeneinander auf dem Zehner stehen. Ich finde, das wäre ein schönes Bild.

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