Screenshot via Rechtsdrall
Vor einigen wenigen Wochen hat die FPÖ im Rahmen des Wahlkampfes zur Wiederholung der Stichwahl der Bundespräsidentenwahl eine Kampagne namens “I bin a Hofer” lanciert. Hofer-Fans wurden aufgefordert, sich eine Maske mit dem Gesicht ihres Lieblingskandidaten auszudrucken und dann ein Foto oder Video davon zu posten, warum genau sie denn “a Hofer” sind.
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Die Website Rechtsdrall, deren Betreiber anonym bleiben wollen, interpretiert diese Kampagne neu. Dort sollen nun täglich Hasspostings von Hofer- und FPÖ-Sympathisanten veröffentlicht werden. In der Beschreibung der Aktion heißt es: “Täglich werden hier noch mehr Belege veröffentlicht werden. Belege, wes Geistes Kind die Wähler des deutschnationalen Burschenschafters Norbert Gerwald Hofers sind. Dies hier ist nur ein kleiner, belegbarer Querschnitt durch diverse FPÖ-, und FPÖ-Fanseiten, sowie die unzähligen rechtsextremen Hetzseiten und Gruppen, die wie Pilze aus dem braunen Sumpf hervorsprießen, den die FPÖ gerade seit Heinz Christian Strache mittels Social Media hervorragend aufbereitet hat.”
Auf der Seite finden sich Kommentare wie “Sofort vergasen!” als Reaktion auf ein Bild über Flüchtlinge, “Warum soll überhaupt ein Asylant am AKH behandelt werden, der soll erhängt werden oder im Elektrostuhl landen?” oder “am schlimmsten sind die schwarzen Halbaffen”. Aufbereitet sind die Kommentare einzelner Personen, deren Facebook-Name und Bild gezeigt werden, vor dem Hintergrund einiger ihrer Likes und dem jeweiligen Beitrag, unter den sie ihren Kommentar gepostet haben.
Die Seite erinnert sehr an Eau de Strache—eine Seite, die sich ebenfalls der Veröffentlichung von Hasskommentaren gewidmet hat, bevor die Betreiber von Rechten dermaßen unter Druck gesetzt wurden, dass sie ihre Arbeit nicht mehr fortführen konnten und schließlich der Grüne Abgeordnete Michel Reimon und Harald Kapper eingesprungen sind, um das Projekt am Leben zu erhalten. Einer der gravierendsten Unterschiede zwischen den beiden Seiten ist jedoch, dass die Kommentare auf Rechtsdrall unter Klarnamen veröffentlicht werden, was definitiv Raum für Diskussionen lässt, ob es beim Anprangern von Hasskommentaren um das Anklagen einzelner Personen oder der zweifelsohne existierenden Menschengruppen, für die sie repräsentativ stehen, gehen soll.
Wir haben die Betreiber der Seite gefragt, was sie mit ihrem Projekt bewirken wollen, ob sie darüber nachgedacht haben, die Kommentatoren unkenntlich zu machen und auf welcher Seite man die schlimmsten Hasskommentare findet.
VICE: Was wollt ihr mit eurem Projekt zeigen und bewirken?
Rechtsdrall: In erster Linie wollen wir Gegenpol zur ständigen Dauerberieselung der FPÖ-Wähler und derer, die es noch werden könnten, sein. Wir wollen mit belegbaren Fakten und seriöser Recherche zeigen, wie die Verhetzung und der Hass dieser rechtsextremen Partei wirkt. Wir wollen zeigen, was die ständigen Lügen und Diffamierungen über diverse offizielle und inoffizielle FPÖ-Medien beim gewöhnlichen Bürger bewirken, dem es um nichts schlechter geht als vor der herbeigeredeten “Islamisierung des Abendlandes”. Wir stellen auch immer wieder die Frage “Wie lässt es sich vereinbaren, eine Partei auch nur aus Protest zu wählen, deren Politiker und unzählige Wähler sich einer noch nie dagewesenen Sprache des völlig unbegründeten Hasses und der Empathielosigkeit bedienen?” Auch soll es ein Gegenpol zum peinlichen Gejammere Kickls sein, seine Partei würde ständig als rechtsextrem bezeichnet werden und Norbert Hofer würde ständig wegen seiner Behinderung verunglimpft.
Habt ihr überlegt, die Namen und Fotos der Personen unkenntlich zu machen?
Nein, es war für uns von Anfang an klar, dass Menschen, die in der Öffentlichkeit posten und kommentieren, eben diese Öffentlichkeit absichtlich suchen und schlussendlich auch zu ihren Wortmeldungen stehen. Diese durch die FPÖ angefeuerte Eigendynamik, die oft schon nur durch kommentarlos eingestellte Zeitungsartikel ausgelöst wird und nicht mehr zu stoppen ist, gilt es aufzuzeigen. Strache und seine Führungskader werden die Geister, die sie riefen, nun nicht mehr los. Aber wollen sie das überhaupt? Diese Geister sollen unserer Ansicht nach auch ein Gesicht haben. Wir veröffentlichen allerdings keine persönlichen Daten, selbst wenn sie manchmal sogar für jeden im Profil einsehbar sind.
Verwendet ihr nur Postings, die ihr selber entdeckt habt, oder bekommt ihr auch Zusendungen?
Hauptsächlich sind es Eigenentdeckungen, manchmal sind es auch Entdeckungen anderer Personen, die wir auf diversen Seiten finden, oder auch Zusendungen.
Überprüft ihr die Echtheit aller Beiträge, die ihr veröffentlicht?
Wir sichern alle Kommentare selbst. Wenn wir also etwas zugesandt bekommen, fragen wir nach dem Link oder suchen selbst danach, da wir die Echtheit überprüfen und den betreffenden Kommentar auch sichern wollen. Finden wir nichts mehr, weil der Kommentar vielleicht schon gelöscht wurde, verwenden wir ihn auch nicht. Es ist durchaus schon vorgekommen, dass uns die Profile hinter den Kommentaren nicht echt vorkamen, auch dann haben wir von einer Veröffentlichung abgesehen.
Wie wählt ihr die Kommentare aus, die ihr veröffentlicht?
Wenn wir jede Verunglimpfung und milieubedingte Beschimpfung politischer Gegner oder gegen Flüchtlinge sichern und veröffentlichen würden, hätten wir kein Leben mehr. Immerhin machen wir das alle ehrenamtlich und parteiunabhängig neben unserem Berufs- und Familienleben. Wir suchen jedenfalls besonders die aus, die längst strafrechtlich relevant sind oder am Rand diverser Gesetze und des guten Geschmacks schrammen oder einfach jegliche Menschlichkeit vermissen lassen. Erschreckend ist, was wir schon als gewöhnlich ansehen und deshalb gar nicht erst veröffentlichen.
Wo liegt für euch diese Grenze des guten Geschmacks?
Nicht alles ist strafbar, was mittlerweile immer mehr zum üblichen Sprachgebrauch der besorgten Bürger gehört. Ein paar Beispiele, um zu zeigen, was wir damit meinen: Es wird kommentarlos ein Zeitungsartikel gepostet, der vom Tod von 120 Flüchtlingen im Mittelmeer berichtet. Auf Kommentare wie “Schade, warum nicht mehr?”, “Die armen Haie!!!” oder “Keiner hat sie gezwungen—hätten ja auch ein Flugzeug nehmen können” muss man dann nicht lange warten. Oder nehmen wir einen Artikel über einen Flüchtling, der sich aus Verzweiflung vom Dach stürzen will. Eine Userin schrieb sinngemäß: “Für mich wäre Flüchtlingshilfe, wenn ich den Typen vom Dach schießen würde” und hat das Ganzen noch mit einem Smiley verziert. Alles nicht strafbar, aber mittlerweile oft Standard bei FPÖ-Wählern.
Zeigt ihr auch Postings an?
Ja, klar. Es ist unglaublich, was einem so alles an nur einem Tag oft in nur einer Gruppe unter die Augen kommt. Wir konnten beobachten, dass in letzter Zeit die Hemmungen immer mehr fallen und gerade Antisemitismus, Wiederbetätigung, Holocaustleugnung und Verstöße gegen das Abzeichengesetz stark zunehmen.
Auf welcher Seite findet ihr die schlimmsten Kommentare?
Wie man bei unserem Projekt in den Montagen gut sehen kann, sind es neben den offiziellen Seiten von Strache und Johann Gudenus Gruppen mit meist über 10.000 Mitgliedern wie: “Wir unterstützen Norbert Hofer”, “Sag ja zu HC Strache und Norbert Hofer”, “HC Strache for Bundeskanzler—weil er der beste ist!!”, “Mein Österreich, daher FPÖ”, “ISLAM GEHÖRT NICHT ZU ÖSTERREICH”, “NPÖ—National Partei Österreich” oder “CLUB 3 KORNBLUME ÖSTERREICH /DEUTSCHLAND HEIMAT PATRIOTEN”. Auch in eigentlich unpolitischen Gruppen wie “Ich wohne auf der richtigen Seite der Donau (21,22 Bezirk)” mit 12.754 Mitgliedern, deren Admin Rechte im Namen der “Meinungsfreiheit” gewähren lässt, Kritiker aber konsequent aus der Gruppe entfernt, finden wir viele Hasskommentare.
Meldet ihr die Kommentare?
Das ist eigentlich schon wieder ein eigenes Thema: Facebook und die Löschung von Hasspostings oder strafrechtlich Relevantem. Ja, extreme Kommentare werden von uns—und unzähligen anderen Usern—bei Facebook oder den Admins gemeldet. Die Admins auf rechten Hetzseiten löschen natürlich so gut wie nie etwas, falls es überhaupt Admins gibt. Auf unpolitischen Seiten werden sich demnächst einige Admins wegen Untätigkeit nach dem Mediengesetz zu verantworten haben. Facebook selbst ist ein Mysterium. Für das Zitieren von Hasspostings wird man gesperrt, die Hasspostings selbst bleiben oft ewig stehen. Da besteht noch einiges an Handlungsbedarf.
Habt ihr Angst, dass euch die FPÖ für die Aktion verklagt oder ihr so unter Druck gesetzt werdet wie die Betreiber von Eau de Strache?
Guter Punkt. Im Gegensatz zum damaligen und sehr engagierten Gründer von Eau de Strache sind wir schon lange in diesem Bereich tätig und bestens abgesichert. Wir wissen aber, dass wir, genauso wie die Betreiber von FPÖ Fails, die tagtäglich falsche Zahlen und Berichte der FPÖ richtigstellen und ebenso wie wir nur genauestens recherchierte Artikel veröffentlichen, im Fokus der FPÖ stehen. Der größte Feind der Rechtsextremen ist nunmal die Wahrheit über sie selbst und ihre “Wahrheiten”. Auch wenn wir im Unterschied zur FPÖ keine Lügen, Diffamierungen und Verleumdungen benötigen, uns rechtlich also auf der richtigen Seite bewegen, ist uns natürlich klar, dass die FPÖ als einziges Mittel gegen Kritiker und Aufdecker, den Missbrauch des Rechtsstaates als Mittel ihrer Wahl sieht und gerne ihre Gegner in den finanziellen Ruin treiben möchte, die Klagen selbst aber in den meisten Fällen verliert oder verlieren würde, wenn man denn die finanziellen Mittel für den Instanzenweg zur Verfügung hätte.
Verena auf Twitter: @verenabgnr