Der Terror ist noch nicht vorbei: NSU-Anwältin erhält 4. Drohbrief

Die Anwältin Seda Basay-Yildiz im NSU-Prozess

Die Drohung kam per Fax, wie jedes Mal. Zum Inhalt will die Frankfurter Staatsanwaltschaft auf Anfrage von VICE erstmal nichts sagen, aber eins ist klar: Das Schreiben, das Mitte Januar kam, ist wieder an Seda Başay-Yıldız gerichtet – und damit die vierte Drohung dieser Art, welche die Anwältin seit vergangenem August erhalten hat. Die mutmaßlichen Absender, auch diesmal: rechtsextreme Polizeibeamte.

Başay-Yıldız hat im NSU-Prozess mehrere Angehörige der Opfer vertreten. Einen Monat, nachdem der Prozess im Juli zu Ende ging, erhielt sie das erste Fax. Die Autoren, die das Schreiben mit “NSU 2.0” unterzeichneten, beschimpften die türkischstämmige Anwältin rassistisch – und ließen sie wissen, dass sie nicht nur ihre genaue Adresse kennen, sondern auch den vollen Namen ihrer Tochter.

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Ermittler stellten schnell fest, dass es sich dabei um polizeiinterne Informationen handeln müsse. Wenig später kamen sie auf die Spur einer Beamtin des 1. Revier Frankfurts, welche diese Informationen über ihren Dienstcomputer abgerufen hatte – ohne dass es dafür einen Grund gegeben hätte. Als die LKA-Ermittler die Wohnungen der Polizistin und der anderen diensthabenden Beamten durchsuchten, entdeckten sie auf einigen beschlagnahmten Handys eine rechtsextreme Chat-Gruppe, in der sich die Polizisten gegenseitig Hakenkreuze und Hitlerbilder zugeschickt hatten. Sechs Beamte und Beamtinnen wurden daraufhin vom Dienst suspendiert.

Aber die Drohbriefe an Seda Başay-Yıldız hörten nicht auf.

Stattdessen nahm das zweite Fax, das Başay-Yıldız erhielt, direkt Bezug auf die suspendierten Beamten: “Dir hirntoten Scheißdöner ist offensichtlich nicht bewusst, was du unseren Polizeikollegen angetan hast”, schrieben die Unbekannten. Außerdem erhielt es noch mehr Informationen, die nicht öffentlich zugänglich waren, wie den Namen ihres Vaters, der ebenfalls auf ihre Adresse gemeldet ist. Und die Drohung, man werde ihrer Tochter den “Kopf abreißen”.

Hat die hessische Polizei ein Neonazi-Problem?

“Die Täter wollen mich einschüchtern”, sagte Başay-Yıldız damals in einem Interview mit der Süddeutschen. “Aber ich werde meinen Beruf deswegen nicht aufgeben.” Die Polizei schätze das Risiko zwar nicht allzu hoch ein, sagt die Anwältin. Trotzdem habe man ihr angeboten, einen Waffenschein zu bekommen. Başay-Yıldız fand das befremdlich. “Da drängt sich mir natürlich die Frage auf: Brauche ich in Deutschland eine Waffe?”, sagte sie im Interview. “Ich will mir keine besorgen, allein schon, um nicht Tag und Nacht an diese Bedrohung zu denken.”

Die Drohungen werfen die Frage auf, inwieweit die hessische Polizei von Rechtsextremen durchsetzt ist. Anfang Januar kam heraus, dass ein weiterer Polizist aus Hessen für eine bekannte Neonazi-Aktivistin polizeiinterne Daten herausgesucht und an sie weitergeleitet hatte. “Von Einzelfällen kann man nicht mehr sprechen”, urteilt Başay-Yıldız selbst. Ende Januar taten sich deshalb verschiedene zivilgesellschaftliche Organisation zusammen, um die “Frankfurter Erklärung” zu veröffentlichen. Darin fordern sie unter anderem anzuerkennen, “dass es ein strukturelles Problem des rechten Gedankenguts und des Rassismus im hessischen Polizeiapparat gibt.”

Das letzte Drohschreiben schickten die Unbekannten übrigens nicht mehr ins Büro der Anwältin, sondern Mitte Januar direkt an das Faxgerät des Frankfurter Polizeipräsidiums. Zum Stand der Ermittlungen wollte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft keine Auskunft – außer, dass sie “laufen”. Die Menschen, die immer weiter Drohbriefe an die Anwältin schicken, sind davon offenkundig nicht besonders beeindruckt.

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