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100 Stunden pro Woche: Die extremen Arbeitsbedingungen hinter ‘Red Dead Redemption 2’

Screenshot von Red Dead Redemption 2

Schon jetzt wird Red Dead Redemption 2 als eines der größten Spiele des Jahres gehypt. Kaum ein Spiel wurde so sehnsüchtig erwartet, kaum ein Spiel mit so viel Liebe zum Detail entwickelt. Doch kurz vor seiner Veröffentlichung wird nicht nur euphorisch über die überraschend realistischen Pferdehoden berichtet, die sich bei Kälte zusammenziehen. Auch die harten Arbeitsbedingungen beim Videospielhersteller Rockstar werden leidenschaftlich diskutiert.

Angestoßen wurde die Debatte durch ein Interview mit Rockstar-Mitbegründer Dan Houser, das am 14. Oktober bei Vulture.com erschien. Im Interview erzählt Houser, dass das fertige Spiel 300.000 Animationen und 500.000 Zeilen Dialog enthalte. Und er verrät auch, wie diese entstanden: in mehreren 100-Stunden-Wochen.

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Nach dem Vulture-Interview meldeten sich in den sozialen Medien einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Games-Branche zu Wort, darunter auch ehemalige Angestellte von Rockstar. Sie berichten von 24-Stunden-Schichten und von Wochen mit über Hundert Arbeitsstunden.

Auch Motherboard hat im vergangenen Jahr über die oft harten Arbeitsbedingungen in der Games-Branche berichtet. Die Recherche hat gezeigt: Vor allem in der Crunch Time, also den Wochen oder Monaten bevor ein neues Spiel veröffentlicht wird, wächst der Druck auf Entwicklerinnen und Entwickler enorm. Trotzdem sprechen immer noch nur wenige über die Missstände – teils aus Angst, ihren Job zu verlieren, als schwach zu gelten oder weil es ihnen durch ihre Arbeitsverträge verboten wird. Manchmal werden die Arbeitsbedingungen auch verklärt und etwa als normal oder notwendig beschrieben, wie Entwicklerinnen und Entwickler gegenüber Motherboard berichteten.

Rockstar spricht von freiwilligen Überstunden

Inzwischen ist Dan House zurückgerudert. Gegenüber Kotaku sagte er, er habe speziell von dem vierköpfigen Autoren-Team gesprochen, zu dem er selbst gehört. Er würde nicht erwarten, dass andere Mitarbeiter 100-Stunden-Wochen schieben. Außerdem seien Überstunden bei Rockstar freiwillig, heißt es vonseiten des Studios gegenüber Kotaku. Zwar seien Überstunden von Vorgesetzten angefordert und in die Arbeitspläne eingetragen worden, Mitarbeitende hätten aber die Möglichkeit gehabt, die Stunden abzulehnen. In einem Mitarbeitertreffen sei inzwischen noch einmal betont worden, dass die Überstunden nicht verpflichtend seien.

Einige Kommentare ehemaliger Rockstar-Mitarbeiter lesen sich allerdings nicht so, als seien Überstunden bisher als freiwillig empfunden worden. Auf dem verifizierten Twitter-Account des Entwicklers Job J. Stauffer heißt es, dass sich die Arbeit an GTA IV anfühlte, wie sieben Tage die Woche mit einer “Pistole am Kopf” zu arbeiten. Auch GTA IV gilt als eines der ganz großen Games aus dem Hause Rockstar. Damals soll dem Tweet zufolge den Mitarbeitern gesagt worden sein, sie sollten auch am Samstag und Sonntag ins Büro kommen, falls die Chefs vorbeischauten, “denn sie wollen, dass alle so hart arbeiten, wie sie”.

Bereits vor der Veröffentlichung von Red Dead Redemption 2 geriet Rockstar für seine Arbeitsbedingungen öffentlich in Kritik. Im Jahr 2010 wandten sich Ehefrauen von Mitarbeitern in einem Blogpost an das Entwicklerstudio. Sie kritisierten die unethischen Arbeitsbedingungen mit Zwölf-Stunden-Tagen, Sechs-Tage-Wochen und unterdurchschnittlicher Bezahlung.

Rangliste: Auf dem dritten Platz mit 118 Wochenstunden

Mittlerweile hat Rockstar seinen Angestellten erlaubt, sich öffentlich über ihre Arbeitszeiten zu äußern, wie das Games-Magazin RockPaperShotgun berichtete. Die Äußerungen der Angestellten fallen größtenteils positiv aus. Auf dem Twitter-Account eines Rockstar-Mitarbeiters ist beispielsweise zu lesen, dass er durchschnittlich 40 bis 45 Stunden arbeite, in Ausnahmefällen 60 Stunden. Das läge jedoch daran, dass er “ein Perfektionist” sei, wenn es um seine Arbeit ginge.

In einem Tweet auf dem Kanal von Adam Boyes, dem CEO des Entwicklerstudios Galaxy heißt es: Bei Boyes’ erstem Job in der Games-Branche habe es eine Rangliste gegeben, in denen die Arbeitsstunden der Angestellten festgehalten worden seien. Er selbst sei damals auf dem dritten Platz gelandet – mit 118 Wochenstunden. Dieser Tweet hebt einen wichtigen Punkt in der aktuellen Debatte hervor: Nach wie vor werden Überstunden glorifiziert. Manchmal wird auch implizit vermittelt, dass nur Leute, die viele Überstunden machen, hart arbeiten. Dan Houser von Rockstar wiederum betonte gegenüber Kotaku, dass sie “niemanden zwingen, hart zu arbeiten, egal ob auf Senior- oder Junior-Ebene”.


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In den vergangenen Monaten gab es in der Games-Branche Bemühungen, eine internationale Gewerkschaft zu gründen, Game Workers Unite, die sich unter anderem für geregelte Arbeitszeiten einsetzen würde. Vorbild könnte die STJV in Frankreich sein. Die Gewerkschaft finanzierte im Februar 2018 den Streik von Entwicklern des Studios Eugen Systems, wie Zeit Online berichtete – sie hatten ihre Arbeit niedergelegt und klagten über unfaire Bezahlung.

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Dieser Artikel ist zuerst auf der englischsprachigen Seite von Waypoint erschienen.