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Interviews

Slipknot ist eine Suppe, in die du verschiedene beschissene Zutaten wirfst

Mit ihrem erfolgreichen neuen Album ziehen Slipknot wieder durch die Lande. Wir treffen sie in Berlin zum kurzen Interview. Aber bitte: Keine Fragen zu Gray und Jordison!

Ich sitze in einem Umkleideraum im Keller der Max-Schmeling-Halle und warte auf die Nummer 6 von Slipknot, ich warte auf Shawn Crahan, den Clown. Hier unten hörst du nichts von den tausenden Fans, die bereits ungeduldig den Platz und Park vor der ausverkauften Halle bevölkern. Der Andrang ist erwartungsgemäß riesig, spielten Slipknot doch das letzte Mal 2011 in Berlin. Es war damals die erste Tour nach dem Tod des Bassisten Paul Gray. Ein weiterer Schock für die Fans war der Weggang des gefeierten Drummers Joey Jordison im Dezember 2013. Es wurde kurz ruhig um die Maskenmänner aus Iowa, bis sie sich mit ihrem im Oktober 2014 erschienenen Album .5: The Gray Chapter schließlich eindrucksvoll als eine der relevantesten Metal-Bands unserer Zeit zurückmeldeten.

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Im Vorfeld wurde mir gesagt, dass ich keine Fragen zu Gray oder Jordison stellen sollte. Das Thema Jordison ist wohl zu heikel, streitet dieser doch die offizielle Version ab, freiwillig die Band verlassen zu haben. Als Shawn den Raum betritt, dröhnt aus seinem Handy laut ein Track von The Haunted. Er müsse kurz einen Ohrwurm loswerden, der ihn schon die ganze Zeit nerve. Ich bin ein bisschen erleichtert, dass er sich noch nicht seine Maske übergestülpt hat. Statt einer psychopatischen, höhnisch grinsenden Clownsfratze sitzt mir also ein leicht erschöpfter Mitt-Vierziger gegenüber. Eigentlich wollte ich das letzte verbliebende Gründungsmitglied über seinen Einfluss auf die Visualisierung der Band und das Gerücht, er habe sich bei mehreren Auftritten die Dämpfe einer verwesenden Krähe inhalieren und sich dann in seine Maske übergeben, befragen. Innerhalb des Gesprächs stellte sich aber überraschenderweise heraus, dass da vor mir gar nicht der Percussionist Shawn Crahan sitzt. Mein Gesprächspartner ist der Rhythmusgitarrist James Root, der sich ständig durchs Haar fährt und ruhig über den überraschenden Erfolg des neuen Albums, sein Unwissen über modernen Metal und die Unfähigkeit der beiden neuen Bandmitglieder, sich passende Masken auszudenken, redet.

Noisey: Ihr seid jetzt schon seit Oktober unterwegs und werdet noch bis Mitte Juli durchgängig touren. Ist es hart, so lange weg von Zuhause zu sein?
James Root: Yeah, es ist schon schwierig. Auf der anderen Seite habe ich nie etwas anderes gekannt. Wir sind 1999 das erste Mal getourt und ich habe seitdem nichts anderes gemacht. Ich weiß echt nicht, was ich auch sonst machen sollte. Also dränge ich den ganzen Scheiß zurück (lacht). Diesen „Normales Leben“-Scheiß, was auch immer das sein soll.

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Das Tourleben ist schon ein ganz eigener Alltag, oder?
Ja, dir ist oft langweilig und ständig versuchst du, eine saubere Dusche zu finden. Ich würde echt niemandem zu so einem Leben raten (lacht).

Euer neues Album The Gray Chapter ist ein riesiger Erfolg, Slipknot scheint jetzt größer als je zuvor zu sein. Hast du dieses deutlich positive Feedback erwartet?
Ich wusste nicht, was ich erwarten sollte. Als ich mich hingesetzt hatte, um neue Songs zu schreiben, hatte ich keine Ahnung, wie viel davon schlussendlich auf der Platte landen und was die anderen beitragen würden. Außerdem waren seit All Hope Is Gone sechs Jahre vergangen. Keiner wusste, ob sich die Leute noch einen Scheiß für uns interessieren würden. Oder ob sie uns vielleicht nur live spielen sehen wollten. Es ist seltsam. Wenn eine Band so lange weg ist, ist es schwierig, bedeutend zu bleiben. Du verlierst einige Fans, die von Anfang an dabei waren und gewinnst neue dazu. Ich persönlich würde aber gerne alle behalten, was einfach unmöglich ist. Als Songwriter und Musiker musst du eben wachsen und dich weiterentwickeln.

Klar, es wird immer Leute geben, die nur die alten Sachen hören wollen und die neuen Songs skeptisch gegenüberstehen.
Ja, das ist schwierig. Wir hatten immer einen bestimmten Sound, den wir auf einer Platte festhalten wollten. Trotzdem haben wir nicht immer wieder das gleiche Album aufgenommen, sondern haben uns stetig weiterentwickelt. Die Zukunft wird zeigen, ob und wie wir das auch weiterhin können. Hätten wir nach All Hope Is Gone nur zwei Jahre später wieder ein Album aufgenommen, hätte es viel zu ähnlich geklungen. Damals sind wir dem Kopieren des eigenen Sounds gefährlich nah gekommen.

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Vor ein paar Tagen hat euer Sänger Corey Taylor davon gesprochen, ein neues Album zu schreiben.
Ja, vielleicht, insofern jeder in der Band Lust darauf hat. Zurzeit will keiner eine zu lange Pause zwischen den Alben einlegen. Natürlich brauchen wir aber eine kurze Pause, um Luft zu schnappen. Es ist wichtig, dass jeder das Gleiche fühlt, was bei so vielen Leuten schwierig ist (lacht).

Seit eurer ersten Tour sind 16 Jahre vergangen. Gab es im Rückblick Fehler, die ihr als Band hättet vermeiden können?
Ich denke nicht, dass irgendetwas hätte vermieden werden können. Es gibt kein Handbuch, um es richtig zu machen. Jede Band macht es anders. Die Art, wie wir unsere Karriere aufgebaut haben, unterscheidet sich eben von dem Weg, den Korn, Rob Zombie, At The Gates, The Haunted oder wer-auch-immer eingeschlagen haben. All die Fehler mussten wir begehen, um an den Punkt zu gelangen, wo wir heute sind. Der Preis musste gezahlt werden.

Bist du stolz auf Slipknot im Jahr 2015?
Absolut. Es ist der Traum, den ich schon im Kindesalter hatte. Ich sehe die Welt, treffe und rede mit Menschen aus anderen Ländern, Kulturen und politischen Hintergründen. Das ist eine Bildung, die du nicht bekommst, wenn du auf eine Universität gehst. Außerdem bietet es mir einen Lifestyle, den ich nie erreicht hätte, wenn wir nicht so erfolgreich gewesen wären. Ich bin sehr stolz und würde nichts daran ändern. Obwohl, manchmal ist es schwierig, ernst genommen zu werden, wenn du eine Maske trägst (lacht).

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Ich habe das Gerücht gehört, du hättest während einer Show den Geruch einer verwesenden Krähe inhaliert und in deine Maske gekotzt. Stimmt das wirklich?
(lacht) Nein, das ist nie passiert. Es gibt da diese Bar in Des Moines, keine Ahnung wie sie hieß, sie haben den Namen geändert, die eine tote Krähe in einem Glas hatten. Sie haben zu der Zeit die Bühne umgebaut und unter der neuen Bühne im Dreck hat Shawn die Krähe vergraben.

Das Geschichte hat mich sehr an Mayhems Sänger Dead erinnert, der vor Shows manchmal eine Krähe in einem Plastikbeutel mit sich rumtrug, um den Geruch zu inhalieren.
Das klingt wie etwas, was der Clown auch tun würde (lacht).

Was hältst du eigentlich von der modernen Metal-Szene und Genres wie Deathcore?
Keine Ahnung, ich höre mir so etwas nicht an. Ich würde es vielleicht, aber ich lerne Musik immer so kennen, dass mir Leute sagen, ich solle dies und das hören. Jeder in der Band hat einen anderen musikalischen Hintergrund. Das kannst du ja auch in unserer Musik hören. Da gibt es Elemente des Rock, Death Metal, Speed Metal, Hardcore Punk, ein bisschen Grind Shit, Blast Beats und wir haben Synthies, was dann ein bisschen Richtung HipHop geht. Ich hasse es, das zu sagen, weil ich keine Ahnung von HipHop habe. Ich habe das nie gehört. Wir verbinden eben alles, was auf den Tisch kommt. All unsere verschiedenen Persönlichkeiten, musikalischen Stile, Vorlieben für Filme und Kunst, das alles formt Slipknot. Wie eine Suppe, in die du verschiedene beschissene Zutaten wirfst (lacht).

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Zur Zeit eures Durchbruchs gab es den großen Nu Metal-Hype. Ihr wurdet oft mit Bands wie Korn und Limp Bizkit in Verbindung gebracht. Jetzt seid ihr auf Tour mit Korn und King 810. Wird es ein Nu Metal-Revival geben?
Nein, das glaube ich nicht. Wir wurden schon eine Weile nicht mehr eine Nu Metal-Band genannt. Eine Zeitlang haben sie uns ja auch in die New Wave of American Metal-Schublade neben Bands wie Shadows Fall und Lamb of God gesteckt. Das hat mich dann auch verwirrt, wie konnten wir die New Wave sein, wenn wir schon Nu Metal waren? Das Nu Metal-Logo wurde uns angeheftet, weil zu der Zeit eben unser Album rauskam und wir getourt sind. Dabei waren Limp Bizkit und Korn schon Jahre vor uns auf Tour. Ich weiß ja nicht mal, was Nu Metal bedeutet. Vielleicht sind wir es ja? Ich versuche nie, Musik zu kategorisieren, das wird einfach zu verwirrend. Deswegen habe ich wahrscheinlich auch keine Ahnung, was du mit Deathcore meinst. Es ist so sehr Sub-Genre, dass es sich für mich alles gleich anhört. Deathcore hat tatsächlich das Problem, dass die Bands fast alle gleich klingen.
Als ich aufgewachsen bin, war es noch einfach. Es gab einerseits Bands wie Celtic Frost und Venom oder Bands wie Overkill oder eben Bands wie Anthrax, Megadeath und der ganze Kram. Dann hat sich das immer weiter in neue Genres und Sub-Genres spezialisiert. Ich höre mir eben Sachen an, die mir im Ohr hängenbleiben. Deswegen höre ich noch immer The Beatles, Pink Floyd, Led Zepelin, The Who, Blur und Portishead. Im Metal stechen für mich The Haunted und Entombed echt heraus.

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Es wird verwirrend, wenn sich eine Band dem Post-Progressive Metalcore zuordnet.
Ja, es gibt so viele Sub-Genres, dass du da einfach nicht mehr hinterherkommst (lacht).

Es gab ein großes Rätselraten um die beiden neuen Bandmitglieder. Warum war es so wichtig, ihre Identitäten geheim zu halten?
Im Moment leisten sie auf der Tour einen echt guten Job, aber in ein paar Jahren vielleicht nicht mehr. Wie ich vorhin sagte, mussten wir alle einen Preis zahlen, um da zu sein, wo wir jetzt als Band sind. Die beiden neuen Jungs kamen in einer sehr guten Phase dazu. Die meisten in der Band sind der Meinung, dass wir sie nicht verhätscheln sollten. Sie müssen sich ihren Platz erarbeiten. Während dieser Zeit ist es nicht wichtig, wer sie sind. Deswegen halten wir uns noch zurück, bis wir mindestens ein Jahr des Tourens hinter uns haben. Wir arbeiten jeden Tag zusammen und sie werden oder werden nicht Teil von Slipknot sein, wenn wir das nächste Album aufnehmen. Deswegen reden wir nicht darüber, wie verfickt geil etwas ist, wenn es vielleicht gar nicht so bleibt. Es wäre kindisch zu sagen: „Hier ist unser neuer Drummer, hier ist unser neuer Bassist, das sind ihre Namen, sie sind super!“ und sechs Monate später merken wir, dass wir nicht mit diesen verfickten Arschlöchern zusammen touren können (lacht).

Da sind die Masken natürlich praktisch, um sie anonym zu halten.
Genau, deswegen sind sich ihre Masken so ähnlich. Sie müssen zuerst unsere Pfade begreifen, bevor sie ihre eigenen Masken erschaffen können. Vor der Tour haben wir es probiert, sie durften sich ihre Masken ausdenken. In die Musik hatten sie sich schnell eingefühlt, aber bei den Masken konnten wir nur sagen: „Nein, Mann. Das ist es nicht.“

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