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You Need to Hear This

Sepalot rotzt seine Ehrlichkeit raus

Obwohl Sepalot aus den alten HipHop-Tagen mit Blumentopf nichts vermisst und die Band gerade den Ritterschlag erhalten haben, ist sein neues Album sehr düster. Zeit für ein ernsthaftes Gespräch.

Fotos: Joseph Wolfgang Ohlert.

Über den bayrischen, babyblauen Himmel sind Wolken aufgezogen, schwarze Wolken. Nach letztjährigem Werk Chasing Clouds hat Sebastian Weiss aka Sepalot neben den Wolken auch eine dunkle Stimmung um sich versammelt und ein weiteres, diesmal düsteres Album namens Black Sky zusammengeschustert oder—wie er es nennt—rausgerotzt. Sepalot, Gründungsmitglied von Blumentopf und seit jeher ein vielseitiger und multitalentierter Musiker (was allerdings nicht mit einem wahllosen Gemischtwarenladen zu verwechseln ist, das hört er gar nicht gern), hat bei der Produktion zu seinem neuen Album einfach mal den Kopf ausgeschaltet und versucht, etwas ganz und gar Ehrliches zustande zu bringen. Dass dabei ein düsteres, gitarrenlastiges Album zustande gekommen ist, muss aber niemanden weiter beunruhigen. Bei unserem Treffen war Sepalot ein fröhliches Gemüt, das keinen Grund kennt, traurig zu sein: Die HipHop-Szene blüht, früher war nicht alles besser und seine Band Blumentopf hat gerade (für Münchner Verhätnisse) den Ritterschlag erhalten.

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YNTHT: Eigentlich ist mein Auftrag, ein Interview auf bayrisch mit dir zu führen.
Sepalot: Ah. Okay, dann leg los. Mal schauen, ob ich dich verstehe.

Wie? Verstehst du kein Bayrisch?
Ich hätte jetzt gedacht, es hapert eher an dir. Bei mir wäre es albern, aber an dir würde es hapern. So habe ich die Situation eingeschätzt.

Moment mal, ich bin gebürtige Münchnerin.
Ach so. Das hört man überhaupt nicht. Aber so ist das ja auch mit den Münchnern, die sprechen meist ein ziemlich gepflegtes Deutsch.

Und du bist kein gebürtiger Münchner?
Nee, das darf ich eigentlich gar nicht sagen. Ich bin eigentlich in Neumünster geboren, also ganz weit oben, aber wohne seit meinem dritten Lebensjahr in Bayern. Für viele auf ewig ein Zugeroaster.

Okay, lassen wir das mit dem Bayrisch lieber. Als ich dein neues Album das erste Mal gehört habe, musste ich zwei mal gucken, ob ich gerade wirklich Musik von dir höre.
Ja?

Ja, vor allem im Vergleich zu deinem letzten Album ist ein Unterschied hörbar.
Das ist immer sehr interessant, solche Feedbacks zu hören. Es gibt sehr unterschiedliche Meinungen dazu. Ich selbst kann das ja immer nicht so gut beurteilen. Als Künstler steckt man immer zu tief drin. Ich habe aber beides schon gehört. Manche sagen, es ist ganz anders und manche sagen: „Ich verstehe nicht, warum das alle sagen. Das ist doch ein nahtloser Übergang. Ein logischer Schritt.“

Ein logischer Schritt als Entwicklung?
Keine Ahnung.

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Wie siehst du es denn?
Das ist das Album, das rauskommt, wenn ich meinen Kopf ausschalte. Ich bin immer auf der Suche nach dem Natürlichen. Wenn man alle konzeptionellen Überlegen ausblendet, wie „Wie funktioniert das im Club?“ oder „Können meine Fans mir folgen?“ oder „Was machen die anderen?“ und versucht, den Kopf auszuschalten, und es einfach rausrotzt, dann entsteht meistens das Ehrlichste und das Beste, das man machen kann, da man am nächsten bei sich selbst steht. Und so ist das Album entstanden.

Du hast also vorher immer deinen Kopf angehabt?
Nein, mittlerweile schaffe ich das gut. Ich bin gut trainiert, im Kopf ausschalten. Aber wegen des logischen Schritts von Chasing Clouds zu Black Sky: Es gibt keine Logik, mit der ich das mache. Es ist für mich schwierig, das zu sagen.

Im Pressetext wirst du zitiert, dass du deine düstere Seite bei der Albumproduktion entdeckt hast.
Ja, das Album hat total was Düsteres. Letztendlich arbeite ich immer so, dass ich ganz viele Layouts mache und mich auch nicht lange damit beschäftige. Ich will immer nur schnell etwas festhalten. Und wenn ich ganz viele von den Layouts habe, lasse ich ein paar Tage vergehen und höre sie mir dann an. Dann schalte ich den Kopf ein und versuche nachzuvollziehen, was dabei herauskommt. Was sind gute Sachen? Oder du denkst dir: Was war daran noch mal cool? Das ist totaler Scheiß. Man kann sich dann wie eine zweite Person betrachten und sich ganz gut einschätzten. Und so kam bei mir heraus, dass ich viele Sachen habe, die von der Klangästhetik ein bisschen düster sind, so 60s Psychedelic Rock-angehaucht, wobei für mich auch ganz klare HipHop-Produktionen dabei sind, obwohl keiner darauf rappt. Das war eben der rote Faden, wo ich gemerkt habe, dass so vieles bei rauskommt, das düster ist und diese Gitarrenlastigkeit hat, ein bisschen verzockt, auch ein bisschen strange. Diese Layouts in die Richtung fand ich sehr gut und dann habe ich das weiterverfolgt. Wenn es das ist, was entsteht, wenn ich mir keine Gedanken mache, dann ist das der Pfad, auf dem ich gehe.

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Ich höre auch ein wenig Nostalgie raus.
Ja, es hat auf jeden Fall eine Vintage-Note, auch vom Artwork. Ich bin auch total glücklich mit dem Artwork. Es ist ein abgerissener Hundekopf. (lacht) Er hat keinen Namen, keine Rasse, auch das Geschlecht ist nicht bekannt. Das ist das beste Artwork, das ich jemals hatte, weil es so minimalistisch ist und durch das Bild wirkt. Es ist kein Foto von mir, es ist nicht mein Logo, es ist einfach eine Zeichnung von einem Hundekopf und ich finde, es sieht schon jetzt aus wie ein Klassiker.

Bist du denn nostalgisch?
(denkt nach)

Vielleicht wenn du dein Kopf ausschaltest?
(lacht) Ich glaube, es schlagen zwei Herzen in mir. Einerseits liebe ich altes Vinyl, alte Aufnahmen und alte Musik. Das verliert über die Jahre nicht an Spannung. Wenn es gute Musik ist, ist es egal, wie alt sie ist. Sie kann einen immer wieder ergreifen. Ich höre sehr gerne alten Jazz und Soul. In letzter Zeit habe ich auch wahnsinnig viel wirre Gitarrenmusik aus den 60ern gehört. Ich mag das und höre es mit viel Interesse an, weil es eine andere Epoche war und man viel Inspiration daraus schöpfen kann. Und andererseits interessiere ich mich auch brutal dafür, was ganz aktuell und neu entsteht, diese Mikrotrends und Mikrogenres in der Musik. Das wird ja immer feiner aufgedröselt. Wenn zwei Artists einen ähnlichen Sound haben, gibt es schon ein Genre dafür. Und das finde ich auch total spannend, diese Schnelllebigkeit. Dieses „Früher war alles besser“ ist totaler Blödsinn und Altmänner-Gewäsch. Leute, die sowas sagen, finde ich ganz furchtbar. Das Einzige, was ich kaum höre, ist Musik aus den 80er Jahren. Damit kann ich einfach nichts anfangen, ganz komisch.

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Vermisst du denn was aus den alten HipHop-Tagen mit Blumentopf?
Nö.

Gar nichts?
Nee, also es war super. Aber ich finde es mindestens genauso gut, dass es jetzt anders ist. Das wäre ja auch total merkwürdig, wenn wir alle stehen geblieben wären. Es war eher im Gegenteil so, dass ich mich viele Jahre gefragt habe, warum zum Teufel eigentlich keine neuen Bands kommen. Warum schafft es denn keiner, länger oben zu bleiben. Warum spielen immer noch Samy Deluxe, Freundeskreis und Blumentopf die Headliner-Spots auf den HipHop-Festivals? Wir hatten das ja alle schon über zehn Jahre gemacht. Ich habe mich immer gefragt: Wo sind die denn? Das kann doch nicht wahr sein. Ich hatte fast schon Angst um dieses Genre, weil so wenig nachgekommen ist.

Diese Angst war ja auch gerechtfertigt.
Ja, ich fand das wirklich komisch. Und das Gleiche wiederholt sich ja im Club, oder hat sich wiederholt—eigentlich ist es wieder auf einem gesunden Weg—dass die Leute immer diese 90s Classics hören wollen. Da wird eine HipHop-Party ganz schnell zu einer Oldiesparty. Ich habe das früher gehasst, wenn der DJ „Rapper's Delight“ aufgelegt hat. Ich habe gesagt: Hau ab! Fuck You. Das Lustige ist aber, dass sich junge Leute bis vor ein, zwei Jahren im Club solche alten Lieder gewünscht haben. Das fand ich gar nicht gut.Aber es ist toll, wenn ein Genre so ein Tief durchleben kann, dann wird es uns noch lange begleiten, in all seinen Facetten. Ich kann auch nicht mit allem was anfangen. Aber es ist gut, wenn es so vielfältig ist.

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Du bist ja auch sehr vielfältig. HipHop mit Blumentopf, dein letztes Album war sehr poppig, letztens hast du dein Munich Disco Projekt gehabt…
Wie du das erzählst, klingt das wie ein Gemischtwarenladen. Eigentlich gibt es zwei große Themen, das eine, was ich für die Band in der Band mache und das andere, was ich alleine mache. Ich habe sicherlich sehr viel Einfluss auf den Sound der Band, aber letztlich bin ich nur ein Fünftel und alles geht durch den Bandfilter. Deswegen ist das nur eine kleine Facette von mir. Wenn ich was alleine mache, ist es vielfältig, aber das klingt jetzt—wenn man es nicht gehört hat—wahnsinnig weit auseinander, ist es aber eigentlich nicht. Für Beat Konducta Bavaria habe ich nur bayrische Blasmusik gesampelt und vor Kurzem habe ich das noch mal gemacht und mir nicht nur Bayern als Thema gesucht, sondern bin noch lokaler geworden und habe München als Thema genommen. Ende der 70er, Anfang der 80er, wo in München Leute wie Faltermeyer und Moroder Welthits aufgenommen haben. Ich habe die Arbeit dieser Produzenten genommen, sozusagen meine Väter aus München, und habe daraus ein Instrumentalalbum gemacht. Für mich ist das aber alles eine Handschrift, ich finde das gar nicht so vielseitig. Meine Einflüsse sind vielseitig. Meine Ohren sind immer sehr offen. Ich habe auch ein Faible für Absurdes.

Ja, das ist sehr streberhaft.
Man muss nur eine Sache können und zwar wissen, was man kann. Dessen muss man sich bewusst sein. Das ist der Schlüssel.

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Stell dir mal vor, du dürftest nur eine Musikrichtung hören.
Nur eine? (denkt nach) Dann wäre es… Das ist schwierig, aber es wäre wahrscheinlich… Ah, ich möchte es gar nicht beantworten.

Traust du dich nicht, es auszusprechen?
(lacht) Nee, das wäre so scheißlangweilig. Nö, dann höre ich keine Musik mehr. Dann mag ich nicht mehr.

Hast du jemals gesungen?
Nee, ich habe nie gesungen, aber in der Tat gibt es auf der neuen Platte, ein paar Stellen, wo ich singe. Aber ich kann überhaupt nicht singen.

Also hast du es schön bearbeitet?
Wie gesagt, man muss wissen, was man kann. Ich weiß, dass ich nicht singen kann, aber ich weiß, dass ich jemanden, der nicht singen kann, so klingen lassen kann, als ob er singen könnte. Ich singe aber nur sehr wenig, ein paar Flächen, ein paar Textzeilen. Das ist auch auf dem Album nicht gekennzeichnet. Ich bin Undercover. (lacht)

Kannst du mir erzählen, wie der Skandal im Sperrbezirk-Track „Rosi“ auf eurem letzten Blumentopf-Album zustande kam?
Zuerst war die Textidee da. Am Anfang stand die Idee, dass man ganz bekannte deutsche Charaktere aus alten Liedern nimmt und ihre Geschichten weitererzählt. Fred vom Jupiter und so, was macht der eigentlich? Wir haben uns dann auf die Geschichte von Rosi konzentriert und so kann man textlich auch eine kleine schöne Sightseeing-Tour durch München machen. Dann habe ich den Beat gemacht, Schu den Text geschrieben, dann haben wir Günther von der Spider Murphy Gang angerufen und gefragt: Wie schauts aus, Günni? Er fand es super und so haben wir bei ihm in der Küche zusammen den Chorus geschrieben.

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Freust du dich denn auf die Wiesn?
Ähm, also wir spielen dieses Jahr auf der Wiesn, zusammen mit einer Blaskapelle aus Münsing, mit denen wir auch schon das Album aufgenommen haben. Ich weiß nicht, ob man das als Nicht-Münchner verstehen kann, aber das ist schon ein Ritterschlag. Jede Firma, die ein bisschen was auf sich hält, muss einen Tisch auf der Wiesn haben. Und ich finde als Band aus München, die was auf sich hält, sollte man schon mal auf der Wiesn gespielt haben.

Da könnt ihr euch was drauf einbilden.
Ja! Und was New Orleans seine Brass Bands sind, sind bei uns die Münsinger.

Black Sky erscheint am Freitag, den 13. September, bei Eskapaden (Soulfood).

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