FYI.

This story is over 5 years old.

Features

Ich war mit meinem Papa beim Hustensaft Jüngling und Medikamenten Manfred in der Arena

Mein Vater meint, dass sich Hustensaft Jüngling und Medikamenten Manfred so fühlen müssen, wie sich damals Mozart gefühlt hat.

Die Hoffnung auf Musik ist verloren.

Als ich nach Weihnachten mit meinem Papa im Auto heimgefahren bin, hat sich eine Diskussion zwischen uns entwickelt. Er wurde kurz nach Weihnachten 50 und bezeichnet sich selbst als „Zeitzeuge“. Als Zeitzeuge der Tatsache, dass es niemals eine bessere Band und auch keine besseren Konzerte geben wird als die Rolling Stones. Das empfand ich als den größten Schwachsinn überhaupt. Und so haben wir zwei Stunden über elektronische Musik, die neue Art Musik zu produzieren und Konzertshows geredet.

Zeit, meinem Vater neue Musik und neue Shows zu zeigen. Natürlich gibt es heutzutage Acts, die an die Rolling Stones rankommen.

Anzeige

Mein Vater hat mir unter anderem zu Weihnachten Nudeln geschenkt. Mit den Worten, dass ich sie eines Tages sicher gebrauchen werde. Also habe ich ihm einen Konzertbesuch mit mir geschenkt. Hustensaft Jüngling und Medikamenten Manfred waren in der Arena. Ganz lange habe ich es hinausgezögert, ihm die Künstlernamen zu nennen und es war ihm wohl auch irgendwie egal. Er hat zugesagt und wir haben uns beim Erdberg getroffen.

Am Weg zur Arena erzählte ich ihm ein bisschen etwas über die Location und vor allem was wir uns jetzt anhören. Das Gespräch ging so:

„Also. Die Typen heißen Medikamenten Manfred und Hustensaft Jüngling.”
„Oh Gott.”
„Ja und Money Boy kommt auch heute. Sind seine Support-Rapper.”
„Ist das der Typ vom Joiz-Interview?”
„Was? Woher kennst du das?”
„Ja, aber der ist doch ein bisschen dumm oder?”
„Woher kennst du das Joiz-Interview?”
„Und das ist deine Arbeit?”
„Woher kennst du das Joiz-Interview?”

Fans.

In der Arena selbst hat das Ticket 17 Euro an der Abendkassa gekostet. Die Halle war klein. Drinnen habe ich eine ehemalige Kollegin von mir getroffen, die leicht gequält gewirkt hat. Ihr war kalt und sie hat sehr treffend herausgefunden, dass wir mit Abstand die Ältesten sind. Ehrlich, der Altersdurchschnitt bei Money Boy war viel, viel höher. Die meisten, mit denen ich sprach, waren so 16. Wir haben uns umgesehen und ein paar Fischerhüte waren am Start und Jungs, die so aussehen wie mein kleiner Bruder. Wir haben zwei große Bier geleert, bevor wir in die Konzerthalle rein sind.

Das Konzert fing mit Marco Yolo an und mein Papa hat nur gefragt, ob ich verstehe, was Marco Yolo rappt. Ich habe nicht verstanden was Marco Yolo rappt. Also habe ich nochmal Bier geholt. Dann endlich stümten Medikamenten Manfred und Hustensaft Jüngling mit Sonnenbrillen die Bühne. Ihr erster Track ging etwa so „Ich will die Euros, die Euros, rote Euros, lila Euros, grüne Euros”. Das ist jetzt kein Zitat, sondern meine alkoholgebeutelte Erinnerung. Wir haben kurz hingehört und dann waren wir ein Bier holen.

Anzeige

Konzert.

An der Bar sagte mein Papa: „So muss sich Mozart gefühlt haben.” Dann holte er in großer Vater-Manier aus und erzählte mir die Musik-Familiengeschichte. Er sagte, dass mein Ur-Großvater noch schwierige Orchester-Kompositionen gehört hat. Mit vielen Instrumenten und sowas. Dann ist mein Großvater gekommen und der hat Dixieland und so etwas gehört. Da waren viel weniger Instrumente und nicht so geschulte Stimmen. Schon da hat mein Ur-Großvater zu meinem Großvater gesagt: „Wie kannst du den Scheiß hören?” Dann kam er selbst. Mit Rock—ein paar Akkorden und schrillen Stimmen. Da hat mein Opa zu ihm gesagt: „Wie kannst du so einen Scheiß hören?” Und—richtig—jetzt komme ich, mit Hustensaft Jüngling und Medikamenten Manfred. Zwei Typen, die nicht melodisch singen und zwei Verse im Loop spielen lassen.

Dazu sei gesagt, dass er einfach niemals Fan von Deutschrap war. Im Auto hat er immer ganz schnell meine Deutschrap-Dinge ausgemacht. Aber auch da meinte er, geht es im Rap wohl mehr um den Text. Das ist nicht seins—er kennt Rock-Lieder, die mit fürchterlichen Lyrics, aber super Musik berühmt geworden sind. Er kennt Rap nicht, aber es dürfte da wohl umgekehrt sein. Mir ist spontan „I am in love with the CoCo; i got baking soda, baking soda” als Chart-Beispiel eingefallen, aber wir sind wieder reingegangen.

Da haben die zwei Burschen gerade einen Track mit „Die Schuhe sind teuer, die Hose ist teuer, teuer, teuer, teuer, teuer” vorgetragen. Meinem Vater entlockte das ein Lächeln. Bis ich mein eigenes Geld verdient habe, waren wir immer im Takko, C&A oder KiK shoppen, weil er nicht einsah, für dasselbe Produkt, das bei den selben Bedingungen hergestellt worden ist, mehr zu zahlen. Vor allem nicht für einen Menschen im Wachstum. Ich habe sehr früh mein eigenes Geld verdient. Wir genossen noch ein bisschen das Konzert, aber bei irgendeinem Track hat er gemeint er geht jetzt.

Anzeige

Schnell mal Handy checken.

Das Fazit von meinem Papa: Mozart müsse sich wie Hustensaft Jüngling und Medikamenten Manfred gefühlt haben. In dessen Zeit hätten auch alle schwierig und kompliziert komponiert, und Mozart sei dann einfach mit so easy Scheiß gekommen. Ich soll in diesem Artikel aber nicht das Konzert zerfetzen—es waren Leute da, also Fans, also hätte das schon irgendwie, irgendwo seine Berechtigung. Auch wenn er nicht das Gefühl hatte, dass sie mitgerissen werden. Wenn man eben provoziert, dann setzt man bei jungen Menschen auf die sichere Karte. Das war schon immer so. Als Letztes sagte er noch: „Weißt du Fredi, eigentlich ist wurscht, in der Musik siegt immer die Melodik. Hauptsache es ist melodisch. Dann hat es Potenzial groß zu werden. Das müssen die noch üben.”

Auf Instagram kommentierte ein Typ, dass er dachte mein Vater ist ein Ziviler. Auch sonst wurde er angeschaut. Bei der Bar sprach uns ein ur besoffener Typ an. Aber ansonsten ist alles normal verlaufen. Ich habe am Konzert immer wieder die Ausrufe wie „Swag,Swag,Swag” oder „Andreas Lubitz” erklärt. Fand er eh unterhaltsam—und ich glaube damit hat er das Ganze verstanden ohne es zu verstehen. Es geht ja um Spaß.

Ich bin bei jedem Konzert von irgendeinem Teil der Glo Up Dinero Gang so massiv im Eck, dass ich auf die Bühne klettere um zu tanzen. Habe ich auch diesmal gemacht. Nachdem Papa weg war. Ich hab zu „Rarri” getanzt, als wäre ich wieder 16 und „Rarri” ein Song von Rihanna. Und die Jugendlichen am Konzert auch. Ich bin gerne dort. Um ein musikalisches Highlight geht es mir und vielen anderen, die die Konzerte besuchen, einfach nicht. Es ist das Movement. Und das moved eben.

Fredi Burr-Burrt manchmal auch auf Twitter: @schla_wienerin

**

Folgt Noisey bei Facebook und Twitter.