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Wir haben mit Noah Slee nach dem Geist der Abbey Road Studios gesucht

Der in Berlin lebende Bedroom-Produzent aus Australien hat sich in London in das Klavier der Beatles verliebt.

Halten wir kurz inne und fragen uns: Was wissen wir über die Abbey Road Studios? Nun, das ist das Gebäude, vor dem die Beatles über einen Zebrastreifen gelaufen sind und in dem sie diverse Nummer Eins-Hits, ein Dutzend Alben—also so ungefähr jede Musik-ähnliche Entäußerung ihrer Geschichte—auf Studer Bandmaschinen festgehalten haben. Es ist der Studiokomplex, in dem beinahe jeder, der es in der britischen Musikgeschichte zu mehr als einer Randnotiz gebracht hat, seinen sprühenden Speichel am Popschutz der Vintage-Mikrofone hinterlassen hat. Wir reden hier von Pink Floyd, Duran Duran, Kate Bush, Radiohead, Oasis, Blur, Depeche Mode, Nick Cave usw. usf.

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Abbey Road ist also ein von Geschichte durchwehter Ort und ein großer Touristenspaß gleichermaßen. Vor der Einfahrt üben sich die Pop-Urlauber im Sport des crosswalkens, wobei einer der Gruppe vor dem Zebrastreifen die Kamera in Anschlag bringt. Eine Gefahrenzone erster Güte und ein beliebter Ort für Auffahrunfälle. Der schmale Bürgersteig vor dem Studio wird belagert von Schaulustigengrüppchen. Gelegentlich drängeln sich fluchende Jogger durch den Touri-Pulk. Aber Abbey Road ist nicht nur ein historischer Ort, es ist nach wie vor ein konstant ausgebuchtes Studio, in dem Geschichte auf Gegenwart trifft. Und manchmal sogar auf Zukunft. Denn wir treffen im Studio 2 auf Noah Slee, einen aus Neuseeland stammenden und mittlerweile in Berlin lebenden Typen, von dem behauptet wird, er spiele FutureSoul. Noah wurde von Converse im Rahmen ihres Förderprogramms Rubber Tracks in die heiligen Hallen eingeflogen, damit er sich dort mal richtig austoben kann. Wir beobachten ihn eine Weile aus dem Aufnahmeraum, während er eine zarte, nur von hallweiten Gitarrensounds umwölkte Version seines Songs „Can’t Let Go“ in das Mikro atmet und atmen ihm danach ein paar Fragen entgegen.

Noisey: Wie fühlt man sich so als einer, der im Abbey Road Studio aufgenommen hat?
Noah Slee: Ich bin zufrieden. Oder: ich versuche, zufrieden zu sein. Bei Aufnahmesessions denkt man ja ganz gerne etwas zu viel. Aber gerade diese live-Takes der letzten Songs waren echt gut.

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Als du wusstest, dass du hier landen würdest, hast du dir einen detaillierte To-Do-Liste erstellt?
Nein, überhaupt nicht. Ich bin sowieso gerade mit Aufnahmen beschäftigt, es ist also nicht so, dass ich hier einen komplett neuen Prozess begonnen hätte. Die Tatsache, hier aufzunehmen, hat mich allerdings schon etwas nervös gemacht. Ich mein': Abbey Road, what the fuck, was macht man hier eigentlich? Besonders als ich zum erstem Mal den Raum betrat. Ich war echt nervös. Aber! Ich habe hier diesen neuen Song geschrieben. Alles, was ich hatte, waren 1-2 Zeilen aus dem Chorus. Ich hab mir einfach gesagt: Ok, das ist deine Spielwiese für zwei Tage. Also bin ich einfach durchgedreht. Ich mochte die Tatsache, dass es keine Erwartungshaltungen gab. Es ist nicht so, dass hier ein Song für bestimmte Zwecke entstehen muss. Dass der Song ein Hit werden muss oder was auch immer. Es war eher so: mach, was du willst. Also bin ich einfach hier reingekommen, hab ein paar Gitarren aufgenommen und ein bisschen Schlagzeug gespielt, obwohl ich eigentlich kein Drummer bin.

Du hast es ja gerade bereits beschrieben. Die Geschichte dieser Räume kann einen ein wenig einschüchtern. Ist es denn auch so, dass sie eine Einwirkung auf das hier entstandene Material hatten?
Der hier entstandene Song ist etwas schräg geworden. Voraussetzung für diesen Song war es, den Kopf auszuschalten und sich einfach treiben zu lassen. Und der Raum hat mir dabei definitiv geholfen. Er hat einen ermuntert, die Zeit zu vergessen, einfach drauflos zu spielen und zu sehen, was passiert. Ich hab ein paar verrückte Sachen gelernt, während ich hier drin war. Allein schon die Dinger hinter uns. Stevie Wonder hat darauf gespielt (deutet auf ein Piano).

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Genau, gib uns doch mal eine kleine Führung.
Also. Hier hätten wir Stevie Wonder. Daneben der Beatles-Steinway. Das hier hörst du auf „Hard Days Night“. Ansonsten hat die Dinger hier wirklich jeder angefasst.

Du bist normalerweise eher der Typ Bedroom-Producer?
Kann man so sagen, aber ich hab auch schon andere Studios von innen gesehen.

Engineer betritt den Raum.

Noah: Wäre es möglich, mal einen kleinen Überblick darüber zu bekommen, wer schon alles diese Mikrofone hier benutzt hat?
Engineer: Die Liste, wer sie nicht benutzt hat, wäre wahrscheinlich kürzer. Das ist ein Mikro, das in den 50ern gebaut wurde, es ist ein Neumann U47. Wenn du heute auf Ebay danach schaust, dann bewegen die sich bei zwischen zehn und 15 Scheinen. Das Mikro war Standard in einer bestimmten Zeit. Wer auch immer hier rein kam, hat dieses Ding benutzt. John Lennon, Paul McCartney …
Noah: Oh Mann, kann ich es nochmal anfassen, haha.

Was hast du hier drinnen gelernt, das dir bei kommenden Aufnahmesessions helfen wird?
Zum Beispiel, was das Aufnehmen von Drums angeht: Wir haben das SM58 benutzt, das normale Vokalmikrofon. Besonders die Bässe kommen dadurch richtig gut. Du würdest gar nicht denken, dass so etwas so billiges so gut klingt. Aber es ist eher so die gesamte Situation, die man auch keinem so richtig erklären kann. Ich hab versucht, es ein paar Freunden zu erklären. Ich meinte so: ‚Yo, der Ort hier ist echt magisch.’ Und sie so: ‚Ja, cool.’ Weißt du, was ich meine? Du kannst es niemandem erklären, der noch nie hier war. Aber ich habe viel über Akustik gelernt. Sieh dir die hohen Wände an… Die haben hier echt verrückte Sachen.

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Es gibt einen Raum, in den sie die akustischen Signale hinein senden, die Echo Chamber. Bevor es so was wie Delay-Pedale gab, haben sie halt einen ganzen Raum benutzt, um Echo und Delay zu erzeugen. Sieht aus wie eine Toilette. Weiß, blanke Wände und da steht ein Mikro drin. Du schickst ein Vocal rein und dann wird es mit viel Effekt aufgezeichnet. Vieles davon geht auf die Beatles zurück. Das war ja mehr oder weniger die wichtigste Band für das Studio. Sie hatten so viel Budget für ihre Aufnahmen, dass sie irgendwann anfingen zu experimentieren. Sie hatten ja auch diese Phase in Indien und vieles, was sie dort sahen, brachten sie mit hierher. Solche Sachen wie Distortion, Stereo-Aufnahmen, so was ist alles mehr oder weniger hier entstanden. Das ist hier wie in einem Museum, Alter.

Ganz interessant, dass jemand wie du, der angeblich „Future Soul“ entwickelt, in einem so historischen Kontext aufnimmt.
Ja, das stimmt. Normalerweise läuft das bei mir ja auch viel moderner ab. Ich produziere fast alles auf dem Laptop.

Wird es dir jetzt, nachdem du hier warst, schwer fallen, wieder zu der grauen Kiste zurückzukehren?
Ich weiß das alles zu schätzen. Viele der wirklich jungen Producer kennen diese Welt hier ja gar nicht mehr. Für die findet wirklich alles im Rechner statt. Ich hatte hier wirklich den Wunsch, nach Hause zu gehen, mir ein paar Musiker zu suchen und eine Soulband zu gründen. Klar ist das physische, das Live-Element immer aussagekräftiger und direkter. Aber das Produzieren am Rechner ist bedeutend einfacher und erschwinglicher.

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Welchem der Künstler, die hier aufgenommen haben, fühlst du dich am meisten verbunden?
Definitiv den Beatles. Ich bin kein Hardcore-Fan, aber ich kenne viele ihrer Alben und ihre Geschichte. Aber zu wissen, dass Stevie Wonder hier war … Oder auch neuere Künstler. Morgen nimmt Mark Ronson hier auf. Vielleicht sollte ich einfach aus Versehen auf der Couch einschlafen, haha.

Wie sieht es eigentlich mit deinem Debütalbum aus? Es ist aufgenommen, aber noch nicht veröffentlicht?
Richtig. Ich habe eine Menge Material aufgenommen. Zunächst wird eine EP erscheinen und das Album kommt dann danach. Das meiste davon habe ich in Berlin aufgenommen, vor allem mit Produzenten aus der Stadt.

Wie ist das Verhältnis zwischen Beats von anderen Produzenten und deinen eigenen?
Auf der ersten EP wird fast nur Zeug von mir drauf sein. Ich bin mehr oder weniger Teil von Kitschkrieg, also dem Produzententeam, das hinter den meisten meiner Beats steht. Wir produzieren die Sachen zusammen.

Wann bist du eigentlich nach Berlin gezogen?
Vor einem halben Jahr.

Es heißt ja, Kunst ist immer auch ein Produkt seiner Umgebung. Welchen Einfluss hat Berlin auf deine Musik?
Berlin hinterlässt schon Spuren. Ich habe das ganze Material dort aufgenommen. Das ist gerade eine interessante Zeit in meinem Leben. Ein neuer Start, viele neue Eindrücke. Eine Stadt ist immer nur so gut wie die Leute, die du dort triffst. Und ich habe das Gefühl, ein paar wirklich gute Leute getroffen zu haben. Und es fühlt sich sehr entspannt an. Es gibt keinen Druck. Musik machen bedeutet eher, sich mit Freunden treffen und rumhängen. Sehr natürlich. Ich habe vorher in Australien gelebt. Wenn dort jemand gesagt hat, lass mal morgen Musik machen, dann hätte es erst mal Stunden gedauert, um überhaupt an den Ort zu kommen. Berlin hat außerdem den Winter, der einem dabei hilft, kreativ zu sein.

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Interessant. Jemand, der den Berliner Winter mag.
Naja. Ich habe zwei Winter in Berlin verbracht. Aber ganz ehrlich ich freue mich nicht auf den dritten. Ich habe im heißesten Teil von Australien gelebt. Da dauert der Winter ca. einen Monat. Und es ist immer noch wahnsinnig heiß. Danach nach Berlin zu kommen, war erst mal echt erfrischend. Aber mittlerweile könnte ich auch wieder darauf verzichten. Aber für Musiker ist es gut. Du gehst nicht raus, um Basketball zu spielen oder was auch immer. Du bleibst drin und arbeitest. Im Sommer habe ich mir das Arbeiten immer nur vorgenommen und die Tage dann doch eher draußen im Park verbracht.

Wenn du, mal abgesehen von deiner Familie, drei Dinge aus deiner Heimat nach Berlin bringen könntest, welche wären das?
Oh, das Meeresrauschen. Was noch? Vielleicht das Essen. Obwohl das Essen in Berlin schon ziemlich gut ist… Ah ja, vielleicht noch ein paar Bäume, haha.

Was machst du eigentlich mit dem Material, das hier entstanden ist?
Erst mal schauen. Etwas damit arbeiten, versuchen, das bestmögliche herauszuholen. Eventuell veröffentlichen. Ist natürlich immer cool, wenn man einem Song das Abbey Road- Etikett anheften kann. Aber wer weiß, vielleicht schenke ich es auch einfach meiner Mutter.

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