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Diese Schweizer Gesetze machen mir als Club-Besitzer das Leben zur Hölle

Es sind nicht (nur) die kotzenden Gäste, die dir die Nacht versauen. Die Polizei macht dir das Leben schwer, wenn du im Geschäft mit der Ausgelassenheit bist.
Alle Fotos von Claude Hurni

Gestern erst wurde die ganze Clubwelt vom neuen „Bass-Verbot“ in Basel erschüttert. Unser redaktionsinterner Zappa-Lookalike Daniel Kissling hat eine Auflistung von den Gesetzen gemacht, die das Clubleben jetzt schon zur Hölle machen.

Ich rechne damit, eigentlich rechne ich jedes Wochenende damit. Damit, dass ein Barkeeper oder Bekannter in meinem Konzertclub zu mir kommt und sagt: „Die Polizei ist hier.“ Überraschen tut es mich nicht mehr, stressen und nerven tut es trotzdem jedes Mal. Ich gehe nach draussen, gebe den Uniformierten die Hand. Man kennt sich mittlerweile (leider). Sie sagen, was sie immer sagen: „Der Nachbar hat wieder angerufen“. Ich sage, was ich immer sage, dass er das regelmässig mache, dass man mit ihm nicht vernünftig reden könne, wir aber alles dafür tun würden. Manchmal hat es sich damit und manchmal bekomme ich ein paar Wochen später einen Einzahlungsschein mit einer Rechnung über 300 Franken zugeschickt. Auch wenn mir persönlich nicht immer in den Kram passt, was im Bundeshaus (oder in der Kantonshauptstadt Solothurn oder im Stadthaus in Olten) beschlossen wird, so kann ich doch sagen: Ich mag den Staat. Ich sehe die Notwendigkeit von Gesetzen und Verordnungen, die das Zusammenleben in einer Gesellschaft regeln, ja sogar erst ermöglichen. Ich bin kein Libertärer. Ich halte zwar viel vom Individuum und von Selbstbestimmung, aber dass wir ganz ohne Leitplanken auskommen, jederzeit Vernunft und Rücksicht walten lassen würden, das wage ich zu bezweifeln (weswegen ich auch auf der Liste der Jungen SP Olten und nicht bei der FDP für die Nationalratswahlen kandidiere).

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Dennoch gibt es Gesetze, die nicht sein müssten. Die für mehr Ärger und unnötigen Aufwand sorgen, als dass sie nützen würden. Nicht nur, aber auch im Nachtleben. Und hier ist meine persönliche Hate-List:

Nachtruhe

Live-Musik ist laut, Tanzmusik ist laut, betrunkene Menschen sind laut. Verordnungen über die Nachtruhe oder Lärmemissionen sind die fette Königin im Bienenstock der Anti-Party-Gesetze. Und zwar in doppelter Hinsicht. Erstens basieren sie—zumindest in der Schweiz—auf reiner Willkür (der Nachbar findet es zu laut und meldet es. Die Polizei findet es zu laut und macht Anzeige, Fall abgeschlossen). Manchmal wissen die Polizisten, die zu mir kommen nicht einmal, ob sie wegen der Musik oder den Leuten gerufen wurden, aber „es ist halt schon etwas laut“. Nicht ganz so laut wie der Güterzug, der gerade vorbei fährt, aber schon etwas. Und zweitens: Ein Gros der weiter unten folgenden Gesetze (Rauchverbot, Polizeistunde oder Brandschutz) führen, hält man sich daran, wiederum zu Lärmklagen.

Urheberrecht / SUISA

Musiker bzw. Künstler im Allgemeinen brauchen jeden Rappen, den sie kriegen können. Unbestritten also, dass es Urheberrechtsbehörden braucht. In der Schweiz nennt sich diese SUISA und verlangt für Hintergrundmusik, für Partys und jedes Konzert eine Gebühr. Abhängig von Location-Grösse, Eintrittspreis und ähnlichen Faktoren, beträgt letztere mindestens 40 Franken. Auch wenn das Konzert gratis ist. Auch wenn überhaupt keine Leute kommen. Auch wenn die Band, die spielt, nicht bei der SUISA oder einem ausländischen Pendant angemeldet ist, also gar nichts von der Kohle abbekommt am Schluss. 40 Franken sind nicht viel. Rund 70 mal 40 Franken (mindestens) im Jahr aber schon. Und von den Nerven, die es kostet, allen SUISA-Listen (jeder Act muss eine Liste mit den gespielten Songs ausfüllen und dafür bist du als Veranstalter verantwortlich) hinterherzurennen, will ich gar nicht erst anfangen.

Rauchverbot

Zugegeben: Die Welt der Beizen, Bars und Clubs ist mit der Einführung nicht atlantismässig untergegangen, wie Gegner gewarnt hatten und ja, sogar als Raucher bin ich manchmal froh darüber, nicht permanent im Dauerdunst zu schweben (wobei, ehrlich gesagt vermisse ich es doch). Und trotzdem macht mich das Rauchverbot fertig. Weil die Leute mit oder ohne Fumoirs zum Rauchen rausgehen. Und damit, den Nachbarn zum Telefon greifen lassen. Und weil sie mit oder ohne Fumoir irgendwann trotzdem auf der Tanz- oder Konzertfläche rauchen (und beim Verbotshinweis ausschauen, als wollten sie einem am liebsten die Kippe auf der Stirn ausdrücken).

Brandschutz / Feuerpolizei

Kein Clubbesitzer will das Wohl seiner Gäste unnötig aufs Spiel setzen, auch ich nicht. Deswegen halte ich mich natürlich an die Vorschriften, pappe grün leuchtende Notausgangsschilder hin, wo es sie braucht (auch wenn sie das ganze Farbkonzept versauen), lasse Feuerlöscher regelmässig überprüfen etc. Nur etwas verändern, dass eine neue Baubewilligung nach sich ziehen würde, davor hüte ich mich. Ab dann nämlich gelten auch die neusten Vorschriften und dann könnte ich, wie jede Altstadtbeiz und jede Kellerbar, den Laden zutun, denn diese werden so ziemlich jedes Jahr verschärft.

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Polizeistunde

Für die meisten Städte mittlerweile nostalgische Erinnerung, ist die Sperrstunde im Kanton Solothurn immer noch bittere Realität. Spätestens um vier Uhr in der Früh müssen die Gäste vor der Tür stehen und auch das nur mit Bewilligung (für mehrere Tausender im Jahr). Nicht nur, weil sich unser Tagesrhythmus tendenziell eher nach hinten verschiebt, ist das längst überholt. Ratet mal, was passiert, wenn ihr ein paar dutzend Leute morgens um 4 Uhr nach draussen stellt und der erste Zug erst in einer Stunde fährt. „Es ist halt schon etwas laut“, höre ich den Ordnungshüter bereits.

Zollbestimmungen

Es mag nebensächlich wirken, dass ausländische Acts, die in die Schweiz einen Gig spielen kommen, ihren Merchandise an der Grenze verzollen müssen. Doch nicht alle wissen das oder wollen es wissen und spätestens, wenn die Band dich dann anruft, um dir mitzuteilen, dass sie drei Stunden später kommt, weil die Grenzwache ihr den ganzen Van auseinandergenommen hat, ist es auch dein Problem als Veranstalter (nicht zuletzt, weil er wegen den Nachbarn schauen muss, dass die Show rechtzeitig fertig wird).

Laser- und Schallverordnung

100db, diesen Durchschnittswert darf ein Konzert oder eine Party in der Schweiz nicht übersteigen. 100db sind schon laut. Eine Schlagzeug-Snare, von einem Rock-Drummer gehauen, ist aber alleine schon so laut, dasselbe gilt für einen klassischen Bläsersatz (stell dir eine Big Band vor, eine Ska-Band oder eine Guggemusig). Und stell dir jetzt vor, zum Schlagzeug oder den Bläsern kommt jetzt noch eine Gitarre, ein Bass und Gesang hinzu, wobei all das ja doch wenigstens genauso laut, auf jeden Fall nicht leiser klingen darf. Die 20 Rappen pro Paar Gehörstöpsel, die man währenddessen gratis abgeben muss, sind da noch das kleinste Problem.

Fazit

Warum gibt es Gesetze? Weil es anders nicht funktionieren würde. Weil der gesunde Menschenverstand und Rücksichtnahme nicht bei allen das Handeln bestimmen. Nur blöd, wenn das Gesetz dann genau denen Macht gibt und diese sie dann ausnutzen. Dann bekommst du Anzeigen wegen Ruhestörung. Mitten in der Stadt, am Bahnhof. Und dann stehst du halt draussen, machst „Pssst! Pssst!“, während gleichzeitig ein Güterzug vorbeikracht, denn: Die Party muss weitergehen.

Kissi auf Twitter: @kissi_dk

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