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Rudis Brille

Rudis Brille: Eine Halbjahresbilanz zu Pratersauna und Co

Rudi blickt für euch auf die erste Hälfte des Wiener Clubjahres zurück.

Grafik: Samantha Tobisch

Nachdem nun Österreich seinen kurzen Auftritt bei der EM in Frankreich beendete, kann die schleichende Rückkehr ins normale Leben also wieder erfolgen. Gerade dieser Tage kam mir in den Sinn, dass wir eigentlich schon eine recht turbulente erste Jahreshälfte hinter uns haben, in der clubtechnisch vieles passiert ist. Oder eben nicht passiert ist.

Zeit, für eine Halbjahresbilanz:

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1. Die Pratersauna

Sie ist und bleibt der Aufreger, das Gesprächsthema Nummer 1 in der Ausgeh-Community. Ist sie nun cool oder verplant? Selbst redaktionsintern sind wir uns da nicht einig, was durchaus auch gut sein kann. Erst im Jänner schloss die "alte" Sauna mit einem 4 tägigen Abrissmassaker. Bereits Ende April öffnete sie wieder unter dem Dots- und VIEiPEE-Macher Martin Ho und seinem Team.

Für viele war schon im Vorfeld klar, dass nach den vielen Plänen, die in den diversen Interviews durchsickerten, die neue Sauna nichts mehr mit der alten zu tun haben könne. Nun, vieles ist definitiv anders. Aber die meisten vergessen auch, dass die alte Pratersauna in ihrer Baufälligkeit kein halbes Jahr mehr so weiterlaufen hätte können.

Hier bedurfte es eines massiven finanziellen Einsatzes, um das Ding überhaupt wieder betriebestauglich zu machen. Für mich, der sich bereits zur älteren Generation zählt, ist der Schritt hin zu einer "schickeren" Gastronomie nicht zwingend schlecht. Einiges müsste dabei freilich nicht sein und gibt den Gegnern nur ständig Wasser auf die Mühlen. Aber langsam:

Der Garten ist aus meiner Sicht in jedem Fall das Prunkstück. Die Renovierung gelang, der Pool wurde erneuert und der vergrößerte Garten wurde mit vermietbaren Liegen und Sand "bereichert". Ob da nun allerdings wirklich sündteure Getränke auf der Karten stehen müssen, die sich ein Normalsterblicher nie leisten würde, bleibt fraglich.

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Nicht die Sauna. Waren aber vielleicht schon mal in der Sauna. Foto: Kasun Jayatilaka

Die Sauna selber verlor ihr Herzstück, den Bunker, an eine Art VIP Club, der sowohl von VIEiPEE, als auch über die Sauna zugänglich ist. Rein darf, wer den berühmten "Schlüssel" besitzt, gerade an dem Abend VIP ist, oder eben sonstige "Karten" sein eigen nennen darf. Das fördert ein bisschen die Zweiklassengesellschaft und sorgte bei vielen für Ablehnung.

Klar, drinnen bekommt man wirklich, wirklich gute Getränke, man sitzt auf Ledersofas und kann sein Date beeindrucken. Aber ich persönlich—der sich schon lange nicht mehr zur Bierdosen- und Tetrapackwein-Community zählt—würde mir eine Mischform mit einem zusätzlichen Floor wünschen, denn die Sauna selbst, also der öffentliche Bereich, erscheint mir nun doch etwas zu klein, mit etwas zu großer Bar (auch, wenn es nur mehr eine gibt. Das vergessen auch viele).

Die Floors haben noch Luft nach oben, sowohl sound- als auch lichttechnisch. Der 5 Uhr Tee aber, das Lieblingsformat in der alten Sauna, dürfte im neuen Garten genau so gut funktionieren wie früher—dass er größer und schöner ist, schadet dem Ganzen sicher nicht und die Ausnutzung des Gartens für viele weitere Open Air-Formate (wie auch das samstägliche Nitch Ni) ist grundsätzlich zu begrüßen, denn es gibt—außer dem Volksgarten—keine Clubs in Wien, die noch so ein Prunkstück besitzen. Fazit: Noch Luft nach oben, der Winter wird zeigen, ob die vielen Clubkartenbesitzer auch zu treuen Fans werden. Im Sommer darf man getrost dort feiern und weiter an seiner Meinung feilen.

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2. Die Kantine

Die Kantine schloss im Jänner ebenfalls und wollte alsbald neu enstehen. Doch es wieherte wohl wieder kräftig der Amtsschimmel und die Pläne verzögerten sich. Nun ist man soweit, nichts mehr zu sagen und abzuwarten. Angeblich soll es im Herbst weitergehen.

3. Die Forelle, das Sass und das Werk

Foto: Isabella Khom

Sie profitierten am meisten von Sauna und Forellen-Sommerclosing und erweiterten ihr Gästepotenzial. Die Forelle punktet weiterhin mit High End Bookings und gut eingeführten Clubmarken (Fish Market, Wechselstrom, Deep Baked, Turbo oder Zuckerwatt), eine Renovierung wird diesen Sommer erfolgen. Auch hier wurden allerdings die Pläne leicht modifiziert, es wird aber tatsächlich nach der EM drei Monate keine Grelle Forelle geben. Wie sie dann in neuem Glanze erstrahlen wird, wird eine eigene Kolumne wert sein. Dem Sass gelang es jedenfalls, sein Stammpublikum gewaltig auszubauen, detto dem Werk.

4. Das Flex

Hier blieb vorerst die Heimat der jungen Drum'n'Bass-Community. Gebeutelt durch die Konkurrenzsituation des letzten Herbstes wurden Techno und Co etwas an den Rand gedrängt. Das ändert sich nun langsam wieder. Durch die Wiederbelebung des Dienstags durch den Partyveteran Patrick Testor, die Planung einer Sonntasgsschiene im Garten und einigen weiteren neuen Formaten (wie etwa Meat Market) versucht man auch hier, verlorenes Terrain aufzuholen und die manchmal schon etwas einfallslose Drum'n'Bass-Vorherrschaft aufzuweichen. Einige kleine Neuanstriche und etwas mehr Sitzgelegenheiten täten der Legende am Kanal aber zweifelsohne gut. Für die seltsame Klientel, die sich manchmal auf der Brücke herumtreibt, kann das Flex ja nichts, im Club selbst könnte der Underground aber vielleicht etwas weniger naturalistisch sein.

5. Die Konkurrenz

Sie wurde durch die Schließung etwas entschärft. Vielen fehlt nun die Kantine, andere meinen sogar Wien sei langweiliger geworden. Das mag aber auch daran liegen, dass es eben nicht viel Neues gibt und man darum auch gerne sein Heil in anderen Tanzgenres sucht.

6. Etwa im Celeste

Wo vieles, was woanders nicht stattfindet, seine Heimat hat—egal ob Disco oder echter Deephouse. Nach wie vor immens beliebt bei den Studenten und für meinen Kollegen Kasun sogar die Heimat für zwei der relevantesten Clubveranstaltungen des Landes. Wäre die Anlage nicht so limitiert, wäre alles perfekt. Aber man hat nicht immer nur gute Nachbarn.

7. Der Volksgarten

Foto: Samatha Tobisch

Schaffte es auch nach dem Abgang von Kaveh Ahi das perfekte Bindeglied zwischen kommerziellen, trashigen und techhouseaffinen Zuhörerschaften zu bleiben. Freitags berstend voll, samstag gediegen, im Sommer immer herrlich, im Winter oft schwer zu füllen. Gang Peng, Mode Talking und Eventuell Gross bleiben aber Gassenfeger.

8. Hip Hop & Drum'n'Bass

Sind stark—stärker denn je. Während Drum'n'Bass ein Jugendphänomen bleibt, wird HipHop auch bei der älteren Generation immer beliebter. Die Legenden erleben einen wahren Frühling und nicht selten hört man: "Ich hab früher auch schon HipHop gehört". Mangels Innovation beim 4/4 Sound kein Wunder. Wer das mag, geht je nach Neigung entweder ins Leopold oder ins VIEiPEE.

9. Mitsingmusik

Wird wieder populärer. Die Leute wollen betanzen was sie kennen. Schon fast überall gibt es einen Trashfloor (Siehe Seemann im Voga, 90s Club etc). Passt vielleicht zu den Zeiten, in denen wir leben.

10. Der Gürtel

Bleibt ein schwieriges Terrain. Das Loft klappt am besten, wenn der 90s Club oder Studentenpartys drinnen stattfinden. Die Auslage detto, auch wenn sie es selbst gern anders hätte und B72 und Chelsea sind für den Autor eine andere Welt voller Studenten.

11. Hades

Kam, sah und hatte es schwer. Geht es nun weiter oder nicht? Fragen über Fragen …

12. Open Airs

Foto: Isabella Khom

Gibt es, aber weiterhin nur in bescheidenem Ausmaße. Die großen "Spontan Techno"-Feste lassen auf sich warten—eines gab es im Prater, daneben passiert nicht viel oder nur unter der Hand. Die Partys am Heldenplatz, eigentlich Demonstrationen, waren da eine rühmliche Ausnahme. Die Arena könnte hier eine Ausweichstelle sein—zumeist bleibt sie es neben den Konzerten) für große Drum’n’Bass Events.

13. Die Vergnügungssteuer

Fällt sie, fällt sie nicht? Es sieht gut aus, dass es hier zu einer Erleichterung kommt, doch dafür gibt’s ja nun die Registrierkasse. Im Herbst wissen wir mehr.

14. Die Gagen

Sie sind bei internationalen DJs weiter gestiegen. Man möchte weinen, wenn man sie sieht. Wann zerplatzt die Blase und heraus purzeln lauter ibizagebräunte Booker? Ich kann den Tag kaum erwarten.

15. Der Sommer

Er kann kommen, er könnte aber fader werden, als uns lieb ist, so ohne Forelle und lauter Drum'n'Bass-Events im Flex. Am Dienstag ins Techno Cafe vielleicht? Eine gute Freundin schilderte mir ihren Besuch dort: "Wenn man auf notgeile Ü40er steht, keinen Techno mag und gerne um sieben Euro eingezäunt wird, dann ist man dort gut aufgehoben." Brauch ich alles nicht, denke ich mir und setze mich dann doch lieber an den Donaukanal, wo ein Chaya Fuera steht, aus dem butterweiche Popelhousetracks rinnen. Eines steht nun übrigens auch auf der von Norbert Weber befreiten Copa Cagrana: Da gabs am Wochenende ein Open Air, ein Hoffnungsschimmer in dieser ungewissen Zeit voller Fußball und Wahlanfechtungen.

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