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Interviews

No Sir glauben an eine wundervolle Zukunft

Eine Zukunft, in der alles toll und abgefuckt ist.

No Sir aus Santa Rosa in Kalifornien sind ein Sammelsurium an Hardcorebands, die sich wild zusammengewürfelt haben, um gemeinsam an eine bessere Zukunft zu glauben. Fanatisch. Ihre erste 12“ trägt den Titel The Future Is Bright. Sie selbst sehen sich anscheinend als Intellektuelle, deren Revolutionsform laut zu brüllen ist. Wir haben uns mit dem Sänger der Band Michael unterhalten—darüber, wie abgefuckt und toll alles ist. Der Mann ist ein einziger Widerspruch. Oder auch nicht.

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Noisey: Hey Michael, wie habt ihr denn NO SIR gestartet?
Michael: Uns gibt es ja schon ein paar Jahre, aber wir haben ursprünglich nur als kleines Nebenprojekt mit No Sir angefangen. Bislang gibt es eine frühere 7“ von uns und jetzt eben auch ein volles Album. Wir haben die Band gegründet, weil wir unbedingt auch zusammen etwas machen wollten. Wir alle spielen in tausend verschiedenen Bands, aber wir wollten gemeinsam etwas Neues ausprobieren. Da wir uns wirklich von Anfang an gut als Gruppe verstanden haben, konzentrieren wir uns jetzt mehr auf No Sir.

Warum der Name No Sir?
Das ist eine Anlehnung an die Platte „Yes Sir, I Will“ von Crass. Aufsässiger Name für aufsässige Typen.

Euer neues Album heißt The Future is bright. Seid ihr etwa Optimisten oder ist da doch noch irgendwo der Sarkasmus versteckt?
Nein, wir meinen das ganz ernst. Ich weiß schon, dass es Musiker gibt, die ironische Titel für ihre Alben haben und alles sarkastisch sehen. Aber die liegen komplett falsch. Ich glaube an die Macht der Selbstverwirklichung. Ich glaube, dass die Zukunft goldig ist. Ich glaube, dass wir uns als Gruppe gemeinsam in eine gute Richtung bewegen und das wollte ich sprachlich ausdrücken und dem ein Statement abgeben. Nihilismus ist überbewertet.

Wovon handeln denn dann eure Songs, wenn alles bald so toll sein wird?
Ich versuche so persönlich und ehrlich zu sein, wie es menschlich möglich ist. Ohne dabei aber alles von mir preiszugeben. Das Leben kann eben sehr hart sein, es ist schwierig klarzukommen. Ich finde, Schreiben ist ein großartiges Medium, um mich selbst auszudrücken und psychische Probleme zu verarbeiten. Gescheiterte Beziehungen, Liebe und Verlust, Korruption und Lügen… Ich schreibe über die menschliche Natur und alles, was dazugehört. Es ist schön und schrecklich zugleich.

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Wie schreibst du denn deine Songs? Einfach Totalverdrängungsmodus an?
Das kommt sporadisch und zufällig. Ich lasse mich von sehr verschiedenen Dingen inspirieren und immer wenn mich etwas zur richtigen Zeit trifft, versuche ich das umzusetzen. Ich habe tolle Freunde, die mich inspirieren, wenn ich eine Blockade habe. Ich weiß immer, wen ich fragen kann und wer mir helfen kann. Bücher sind auch eine tolle Quelle für Anregung. Und das Leben ganz allgemein. Zu existieren ist etwas einmalig Inspirierendes, oder?

Woher kommt deine ganze Wut?
Aus meinem Herzen und meiner Seele.

Was machst du denn tagsüber, wenn du nicht gerade die Schönheit des Lebens voll Wut besingst, wenn ich fragen darf?
Darfst du nicht.

Okay. Dann lass uns generell über heutige Hardcorebands sprechen. Einige werden von der Presse als Intellektuelle bezeichnet, ihr unter anderem auch. Ihr bleibt aber dennoch wütend. Ist das eure Form der Revolution? Also anstatt auf die Straße zu gehen, schreit ihr euch die Lungen raus und nehmt Platten auf.
Das ist eine sehr interessante Frage. Ich glaube die Antwort ist „Ja“. Ich würde nicht so weit gehen zu sagen, dass wir gegen Amerika oder wie wir hier leben sind. Trotzdem bin ich kein nationalistisches Schwein. Es ist eher eine Revolution gegen die gesamte menschliche Natur und unsere Verbrechen gegen uns selbst. Eine Revolution gegen Gewalt und schlechte Behandlung. Eine Revolution gegen Grausamkeit und gegen eine Gesellschaft, die das toleriert. Eine sehr persönliche Revolution. Deshalb ist auch der NSA-Überwachungsskandal keine Überraschung für mich. Du bist ein Experiment und wirst permanent angelogen. „Seid gewarnt vor der amerikanischen Waffenindustrie“, warnte uns unser Präsident Eisenhower. Ich würde ihn und die anderen als freisprechende Marionetten bezeichnen.

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Ist die Zukunft wohl doch nicht so goldig. Was ist dir denn sonst so Tolles in letzter Zeit passiert?
Vor ein paar Wochen spielte ich mit meiner anderen Band an einer Uni, die etwa sechs Stunden von San Francisco entfernt liegt. Wir mussten einen Flug nach Florida erwischen, um beim The Fest Festival zu spielen, unsere Showzeit war 11 Uhr früh am nächsten Morgen. Also sind wir die ganze Nacht von dieser Uni zum Flughafen in San Francisco gefahren, um nach Florida zu fliegen. Ohne Schlaf. Als wir in Gainesvill angekommen waren und unsere Show gespielt hatten, blieben wir den ganzen Tag und die ganze Nacht wach, um uns die anderen Bands anzuschauen. Erst gegen 4 Uhr früh kamen wir wieder ins Hotel. Da fragte mich unser Gitarrist, ob ich mit dem Roller, den er geliehen hatte, eine Runde drehen wolle. Ich dachte mir, das ist eine super Idee, weil ich ja schon mehr als 48 Stunden wach war und überhaupt nichts mehr einschätzen konnte. Also bin ich mit dem Ding rumgefahren und habe ihn gegen eine Wand gesetzt. Den Rest des Festivals habe ich dann in der Notaufnahme verbracht. Armselig.

Werdet ihr das in Europa wiederholen?
Es ist möglich, dass wir schon sehr bald kommen. Es ist uns angeboten worden. Aber Touren ist für uns sehr schwierig, weil manche von uns zu viel zu tun haben. Aber wir werden sicher kommen, bevor wir diese Band wieder beenden.

Hä? Ich dachte eure Zukunft ist golden? Ein einziger Widerspruch…

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The Future is bright kannst du bei Twelve Gauge Records im Store kaufen.

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