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Ein Interview mit den Machern vom Jessas

Ein Update in der Sache, die Wiens Clubkultur und Lokalpolitik seit zwei Tagen beschäftigt.

Alle Fotos: Julian Haas

Jessas vs. Werk X—so lautete der Kampf, der die Wiener Clubkultur und auch die Kulturpolitik in den letzten zwei Tagen beschäftige. Erinnern wir uns kurz, was passiert ist: In den ehemaligen Räumlichkeiten der Garage X sollte nach dem Umzug der Hauptaktivitäten des Werk X nach Meidling neben dem Theaterbetrieb auch ein Club namens Jessas eröffnen. Mittwoch platzte dann die Bombe: Zwei Tage vor der Eröffnung wurde den Betreibern des Jessas vom Werk X fristlos gekündigt.

Zeitgleich zu den juristischen Auseinandersetzungen begann auch der Kampf um die öffentliche Meinung. Das Werk X legte mit einer Pressemitteilung vor, das Jessas legte mit einem offenen Brief nach. Die Betreiber vom Jessas entschieden die erste Runde für sich: Eine Welle des Supports und der Sympathiebekundungen startete, auch von Crews und Clubs, die zeitgleich zu der Eröffnung eigenen Veranstaltungen hatten. Wiens Nachtleben solidarisierte sich. Gar nicht mal, weil jemand Einsicht in die rechtlichen Fragen hatte, sondern einfach, weil die Art der Kündigung so unschön wirkte. Neben den Wiener Crews meldete sich auch die Lokalpolitik zu Wort. Interessanter als die Angriffe der ÖVP sind dabei aber eher die Wortmeldungen der SPÖ (die Klaus-Werner Lobo von den Grünen gestern nochmal auf Twitter bestätigte), nach denen ein Clubbetrieb außerhalb der Theaterzeiten Förderungen nicht gefährden sollte.

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Das Werk X erlebte währenddessen einen ziemlichen Shitstorm—auf Facebook wird der Ort aktuell schlechter bewertet als Kobane—und zeigte ein katastrophales Krisenmanagement. Am Donnerstag änderten es häufiger die Begründung, warum die Kündigung erfolgt sei, gab leicht arrogant wirkende Statements an die Presse und setzte zwei eher suboptimale Statusmeldungen ab. Man kann es nicht oft genug sagen: Leute, lernt euer Krisen-1x1. Selbst wenn man sich im Recht sieht, sollte man akzeptieren, wenn man in der öffentlichen Wahrnehmung der Goliath ist. Und dementsprechend reagieren. Und hier steht halt—völlig unabhängig von der Sache—eine mit einer Million Euro jährlich geförderte Kulturinstitution gegen ein paar Leute um die 30, die viel eigenes Geld investiert haben. Dass dieser Kampf medial nicht zu gewinnen ist, hätte jeder sagen können, der sich 10 Minuten mit PR beschäftigt hat.

Wahrscheinlich ist das Werk X von der ganzen Sache einfach überrascht worden. Als ich am Donnerstag Nachmittag mit Geschäftsführer Harald Posch telefoniere, sieht er eigentlich noch gar kein Problem und versteht die Aufregung nicht. „Wir haben uns nach fünf Jahren von unserem Gastronomen getrennt. Das ist ein ganz normaler Geschäftsvorgang.“ Er verweist darauf, dass er nur einen Vertrag mit Pächter Jürgen Bauer habe und nicht mit David Kreytenberg, der öffentlich für den Club Jessas auftritt. Posch sagte, er habe nie einen Club dort haben wollen. Für Missverständnisse zwischen Bauer und Kreytenberg sei er nicht verantwortlich.

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Das Tischtusch ist zerschnitten, es geht nur noch um Geld und Reputation. Das ist der Stand am Freitag Abend, als ich David Kreytenberg zum Interview treffe. Er hat Teile des ausführlichen Mailverkehrs zwischen dem Jessas und dem Werk X und die Pachtverträge dabei. Und das dringende Bedürfnis, seine Sicht der Dinge zu manchen Vorwürfen, die seit zwei Tagen kursieren, darzulegen.

Eine Anmerkungen noch: David Kreytenberg war früher bei Monopol Medien ein Kollege von mir. In einer kleinen Stadt wie Wien schreiben leider ständig alle über Menschen, die sie persönlich kennen. Es ist trotzdem nie falsch, darauf hinzuweisen.

David Kreytenberg ist hier rechts auf dem Bild.

Noisey: Wie überrascht wart ihr von der Kündigung?
David Kreytenberg: Wir sind aus allen Wolken gefallen. Harald Posch, einer der Geschäftsführer des Werk X, hat uns zwar letzten Donnerstag nach dem Bericht in der Heute ein Mail geschrieben und uns mit Kündigung gedroht, sollte sich das Kulturamt bei ihm melden und Fragen stellen. Wir haben daraufhin gemeinsam eine Pressemeldung abgestimmt und am Montag rausgeschickt. Daraufhin dachte ich eigentlich, dass Ganze sei geklärt.

Warum haben sie so kurz vor der Eröffnung die Reißleine gezogen?
Ich glaube, dass Harald Posch plötzlich klar geworden ist, wie groß der Zuspruch für unser Konzept ist und was für Wellen das schlägt. Er hat die Berichte in der Heute und der Krone auch als großen Vertrauensbruch von unserer Seite gesehen, obwohl wir damit nichts zu tun hatten. Er hat uns bis zum Ende nicht geglaubt, dass wir keine Presseaussendung rausgegeben haben, obwohl wir das immer wieder betont haben und es ja eigentlich leicht wäre, das von seiner Seite aus zu beweisen. Wahrscheinlich hat er Angst um seine Förderungen bekommen. Die Krone und Heute haben leider fälschlicherweise geschrieben, es gäbe am Petersplatz kein Theater mehr. Diese Information kam definitiv nicht von uns. Die Kommunikation vom Werk X bezüglich Wording ist unserer Meinung nach aber selbst sehr unklar und missverständlich.

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Weshalb wurde euch genau gekündigt?
Der Kündigungsgrund war, dass wir angeblich das äußere Erscheinungsbild des Lokals ohne Absprache verändert hätten.

Habt ihr das getan?
Nein.

Nochmal: Ihr hattet für alles die Zustimmung des Verpächters?
Wir hatten am Freitag, 24.10., nochmal eine gemeinsame Begehung der Räumlichkeiten. Vor Ort waren Herr Posch, seine künstlerische Leitung Catrin Strasser, Jürgen Bauer und ich. Jeder einzelne Punkt wurde peinlich genau besprochen. Dabei gab es keine gravierenden Unstimmigkeiten, das geht auch aus dem Protokoll hervor.

Was war mit dieser ominösen Wand?
Das war die einzige Absprache, die ein bisschen schief gegangen ist. Wir durften bei den Wänden mit den Nischen nur die Nischen ausmalen, unser Künstler hat dann aber auch die Wände selbst bemalt. Das war tatsächlich nicht abgesprochen und ein Problem für Harald Posch. Ich hab ihm angeboten, dass wir das auf seinen Wunsch hin umgehend wieder ausbessern werden. Auf das Mail habe ich leider keine Antwort bekommen, und am nächsten Tag war die Tür verschlossen.

Wie kam es überhaupt dazu, dass ihr dort angefangen habt zu renovieren?
Posch im Sommer auf Jürgen Bauer zugekommen ist und meinte: „Wir gehen mit den größeren Produktionen ins Kabelwerk. Die Räumlichkeiten im Ersten stehen dann Do-Sa zur Verfügung, du kannst jetzt mehr machen, wenn du mehr Miete zahlst.“ Nach einigen Gesprächen zwischen Jürgen und mir haben wir dann gemeinsam die Vertragsverhandlungen übernommen. Die waren hart, auch finanziell, wir mussten sogar während der Renovierung den vollen, erhöhten Mietpreis bezahlen. Der Mietpreis wurde—im Vergleich zum vorherigen Pachtvertrag—von 1000 auf 1800 Euro angehoben. Das ist es ja gerade: Warum sollte ein Pächter, der da fünf Jahre eine unrentable Theaterbar schmeißt, plötzlich 800 Euro mehr zahlen, wenn er dafür keine Gegenleistung bekommt? Die Gegenleistung war, das wir da einen Club machen können.

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Du behauptest also weiterhin, der Club sei konkret abgesprochen gewesen.
Absolut. Es gab ja vorher dort auch schon einen Club X, der mietbar war. In diesem Raum hat doch auch jeder, vom Fleisch Magazin bis zum Wurstsalon, schon einmal veranstaltet. Es war immer so gewünscht. Es gab sogar vor uns schon Künstlerkollektive, die von Harald Posch beauftragt wurden ein Konzept für einen Club zu entwickeln, zum Beispiel das CAMP. Der Wunsch war von den Leuten vom Werk X 100 Prozent da, seit langem. Das geht auch schon aus dem alten Pachtvertrag hervor.

Wann hast du aus deiner Sicht das letzte Mal das Zeichen vom Werk X bekommen, dass ihr dort einen richtigen Club machen dürft?
Am letzten Mittwoch, den 22. Oktober. Da haben Posch und ich bezüglich der erlaubten Dezibel-Anzahl hin- und her gemailt. Wir wollten zusätzliche Lärmschutzwände einbauen. Er meinte, das sei nicht notwendig und hat mir eine Liste von bereits ergriffenen Lärmschutzmaßnahmen zugeschickt, im Wert von mehreren Tausend Euro—was man auch nicht macht, wenn man da keinen Club haben möchte. Er hat mir gesagt, wir dürften bis 96 Dezibel gehen. Das hat uns gereicht.

Das Werk X sagt, ihr habt Absprachen nicht eingehalten. Man hört zum Beispiel, ihr hättet den Raum G3 ausgemalt und in euer Konzept einbezogen, obwohl der gar nicht Teil des Pachtvertrags war.
Der Raum G3 ist das Foyer, ein Raum, durch den man durch muss, wenn man ins Theater oder in den von uns gepachteten Clubraum G2 will. Dort findet die gastronomische Versorgung der Theatergäste statt. Da steht auch ein Wohnwagen, den wir betreiben und der in der Verpachtung mit dabei ist. Wir waren sogar verpflichtet, im Raum G3 für das Theaterpublikum Gastronomie anzubieten. Deshalb haben wir dafür ja auch ein Möbelkonzept eingereicht und den Raum gestaltet, Wir haben ihn komplett neu ausgemalt. Die Kosten dafür hätten wir gerne geteilt, so wie auch einmal anfangs besprochen. Später wollte sich das Werk X dann doch nicht beteiligen.

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War die Umgestaltung mit dem Werk X abgesprochen?
Ja. Die haben uns im Grunde alles erlaubt, solange sie dafür nicht zahlen müssen.

Das Werk X weist darauf hin, dass ihr nur den Raum G2 für 70 Raucher gepachtet hättet.
Nein, das stimmt nicht. Der Raum G2 ist ohne Zugang über das Foyer nicht nutzbar. Die Eignung für G2 und G3 ist für 240 Personen. Mit Durchlauf kommt man dann auf circa 350 bis 450 Personen.

Aber die durftet ihr ja nicht alle nutzen.
Wir dürfen nur den Theaterraum G1 nicht nutzen. Wir sind immer davon ausgegangen, dort Partys mit 240 Leuten feiern zu können. Das war auch so abgesprochen. Wir hatten viele Termine mit dem Baumeister Werner Hauer, wir haben die Betriebsanlagengenehmigung eingesehen. Die war natürlich kompliziert, aber wir waren immer optimistisch, dass wir diese Probleme lösen können.

Wie war die rechtliche Konstruktion hinter dem Jessas?
Jürgen Bauer ist seit fünf Jahren Pächter der Garage X, dem jetzigen Eldorado, bzw. der dortigen Gastronomie. Ihm gehört die goodlife GmbH, bei der ich angestellt bin. Das Werk X hat uns vor der Vertragsunterzeichnung so gestresst, dass wir keine Zeit hatten, eine eigene GmbH zu gründen. Im Pachtvertrag steht also auch erstmal die goodlife GmbH, allerdings mit der vertraglichen Absicherung, dass die noch zu gründende GmbH von Jürgen und mir—ich stehe da, anders als vom Werk X behauptet, durchaus namentlich drin—den bestehenden Pachtvertrag übernehmen kann. Daraufhin habe ich zusammen mit Raphael Lunak unseren Freundeskreis mobilisiert und dadurch ist das Kollektiv Jessas entstanden. Eine Gruppe von bis zu 20 Personen, die alle miteinander freundschaftlich verbunden sind. Jürgen Bauer hat uns in der Konzeption und Gestaltung immer freie Hand gelassen und unterstützt, daher haben wir beschlossen eben noch einen zusätzlichen Verein zu gründen, den Kulturverein Jessas, der sich grade in Gründung befindet.

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Lass uns mal über die Absprachen reden, die ihr mit dem Werk X hattet. War es abgesprochen, dass ihr da einen Club unter einem eigenen Namen betreibt?
Ja. Im ursprünglichen Konzept hieß es noch YES US, was dann später zu Jessas wurde. Das Werk X wollte sogar noch in den Pachtvertrag die Klausel eingebauen, dass ihnen die von uns aufgebaute Marke gehört.

Wie war die Absprache bezüglich Kommunikation. Das war ja offenbar ein ziemlicher Knackpunkt.
Da gab es letztlich keine wirkliche Absprache. Posch hat uns da vertraut und auch gar nicht erwartet, dass da so eine Pressewelle kommt. Ich hab ihn mehrfach darauf hingewiesen. Ich hab ihn gebeten, mit uns gemeinsam eine Pressekonferenz zu geben. Wollte er nicht. Ich habe ihn gebeten, eine Presseaussendung vom Werk X aus zu machen, weil es ihm so wichtig war, dass wir ein Teil des Werk X sind. Wollte er nicht. Ich wollte, dass er bei dem ersten Interview mit euch dabei ist. Das hat er auch verneint. Posch hat sich rausgehalten und spielt jetzt den Ahnungslosen.

Gab es irgendwelche unautorisierte Presseaussendungen?
Es gab von uns aus keine Presseaktivitäten, außer dem Interview mit euch. Ich habe alles erstmal abgelehnt, obwohl das Werk X meine Handynummer sogar noch an Journalisten weitergegeben hat.

Wie war die Absprache? „Club mit Theaterbetrieb“ oder „Theater mir Clubbetrieb“? Und ich meine damit jetzt gar nicht mal nur das Wording.
Das Werk X wollte letztlich ein „Theater mit Clubbetrieb“, das sind deren Worte.

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Wann ist euch klar geworden, dass es für das Werk X eher in die Richtung gehen wird?
Mit der Zeit und in kleinen Schritten. Die Geschäftsführung hat das Konzept für den Club von uns vor der Vertragsunterzeichnung zugeschickt bekommen. Nach der Unterzeichnung haben sie es uns dann peu à peu zusammengeschossen. Im Grunde waren da ständig irgendwo kleine Zweifel bei mir. Aber letztlich dachte ich immer, dass es sich irgendwie eingroovt und wir alle zusammen an einem Strang ziehen.

Hattest du das Gefühl, vom Pachtvertrag her in eine wasserdichte Sache reinzugehen?
Ich war immer felsenfest davon überzeugt, dass das Werk X will, dass wir da einen Club betreiben. Weil es auch schon vor uns so viele Anstrengungen in die Richtung gab.

Rechnen wir mal das Herzblut raus—wie viel habt ihr letztlich wirklich an Geld investiert?
Wir sind aktuell bei einer Investitionssumme von knapp 60.000 Euro.

Geht ihr aktuell davon aus, dass ihr die wieder bekommt?
Wir machen jetzt erstmal unsere Abrechnung. Dann stellen wir unsere Forderungen. Dann sehen wir weiter.

Wie ist die Stimmung bei euch im Kollektiv?
Die Stimmung ist weiterhin sehr herzlich, emotional. Es hat uns sehr zusammengeschweißt. Jeder ist bereit 200 Prozent zu geben, um einen neuen Club zu machen—sollten wir eine neue Location finden. Es ist halt sehr schwierig momentan. Wir haben gestern Abend vom Theater ein Mail bekommen, dass wir heute zwischen 10 und 14 Uhr unsere Sachen abholen können. Das war natürlich viel zu wenig Zeit.

Jonas versucht nicht mehr so oft fortzugehen, die Clubkultur aber trotzdem im Blick zu haben. Folgt ihm auf Twitter: @L4ndvogt

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