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Die absurde Geschichte der rassistischen Millionärin, die nach ihrer Messerattacke feiern ging

Was geht in einem Menschen vor, der jemanden niedersticht und danach mit seinen Freunden noch ein bisschen weiterfeiert?

In unserem nicht ganz ernst gemeinten Wiesn-Partyguide haben wir gelernt, dass ihr nach Schankschluss ziemlich sicher nicht ins Käferzelt und ins P1 kommt, falls ihr nicht zufällig megareich oder superschön seid. Eine Geschichte, die gerade die Runde macht, lässt einen jedoch ziemlich erleichtert zurück, nicht zu den Superreichen und Superschönen zu gehören.

Denn was im Zusammenhang mit diesen beiden Läden jetzt passiert ist, löst in uns ein ziemlich mulmiges Gefühl aus. Diese Geschichte ist sogar noch ärger als das, was sich die Synapsen von den Münchner Tatort-Autoren jemals hätten ausdenken können. Wie die Münchner Abendzeitung berichtet, hat eine Millionärin aus Hamburg zwischen ihren Besuchen in Käferzelt und P1 einen Mann niedergestochen, weil es zu einem Streit über ihre rassistischen Aussagen gekommen war. Das klingt schon absurd, wird bei einem Blick auf die Details noch absurder. Aber der Reihe nach:

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Am Wochenende hatte es die Hamburgerin durch die harte Tür von „Käfer's Wies'n Schänke" geschafft und schien irritiert zu sein, dass auch der dunkelhäutige Ex-Nationalspieler Patrick Owomoyela reingekommen war. Nachdem der Fußballer das Zelt verlassen hatte, kommentierte sie das Ganze nach Angabe der Münchner Abendzeitung mit Sätzen wie: „War das ein Asylant?" und „Lassen die hier jetzt auch Flüchtlinge rein?". Eventuell war die Dame davon ausgegangen, dass das Wort „Flüchtling" nur eine neue Beleidigung für ausländische Menschen ist und war dementsprechend davon überzeugt, dass diese Aussagen okay sind, da ja alle Medien plötzlich (endlich) auf die Zuwanderer schimpfen. Wir wissen es nicht, es fällt uns schwer, ihre Gedanken nachzuvollziehen.

Daraufhin kam es zu einem Streit mit einem offensichtlich noch nicht komplett gestörten anderen Gast. Etwas später, als der Ausschank auch im Käferzelt vorbei war, trafen sich Streithahn und -henne zufällig vor dem Eingang wieder, wo es handgreiflich wurde. Um den Streit zu schlichten, ging ein LKW-Fahrer dazwischen, woraufhin die Millionärin ein Klappmesser aus der Tasche zückte und den Mann—der versuchte zu helfen—niederstach. Der Mann kam mit lebensgefährlichen Verletzungen ins Krankenhaus und wurde sofort notoperiert.

Natürlich wäre das für manch einen ein großer Schock. Blut fließt, Menschen schreien—nicht jedoch für diese Frau aus Hamburg, die gerade einen Menschen in Lebensgefahr gebracht hatte. Die verließ das Oktoberfest (war ja auch Schankschluss) und fuhr mit Freunden ins P1, um dort weiterzufeiern.

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Man muss sich schon fragen, was solch eine absurde Geschichte über unsere Gesellschaft aussagt. Ehrlich gesagt lässt uns die unglaubliche Arroganz und Empathielosigkeit, wie sie aus dieser Situation nur so trieft, etwas ratlos zurück. Lässt man sich das Verhalten dieser Frau durch den Kopf gehen, kann man sich nur fragen: Wie weit muss eine Person sich von der Realität entfernt haben, wenn sie ein solches Verhalten gegenüber Dunkelhäutigen, Flüchtlingen oder was auch immer für Menschen als gesellschaftsfähig erachtet? Was ist daran im Jahr 2015 lustig, Flüchtlinge oder andere Zuwanderer als unwert zu erachten?

Und gleich danach: Was geht in einem Menschen vor, der jemanden niedersticht und danach mit seinen Freunden noch ein bisschen weiterfeiern geht? Nachdem zwei Jugendliche vor ein paar Jahren einen deutschen Manager in Solln getötet hatten, gab es Solidariätskonzerte, Pamphlete über asoziale Parallelgesellschaften und zahlreiche posthum verliehene Preise für die Zivilcourage des Mannes. Das war gut und richtig so, aber: Der LKW-Fahrer wird keinen Preis bekommen und die Täterin ist auf freiem Fuß, wegen mangelnder Flucht- und Wiederholungsgefahr. Vielleicht sollten wir, wenn wir nach Parallelgesellschaften suchen, auch mal nach oben schauen.

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Dieser Artikel erschien zuerst bei unseren Kollegen von THUMP.