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Interviews

„Peach war mein erster feuchter Traum“—In der Psyche von Adam Green

Wir haben mit Adam Green ein paar Bier getrunken, einen Persönlichkeitstest aus den 90ern gemacht und irgendwann hat er uns dann von seinem ersten feuchten Traum erzählt.

Würde man Adam Green irgendwann in der Straßenbahn begegnen, könnte es gut sein, dass er ein weißes Kaninchen (das auf den Namen Wilson hört) mit sich herumträgt. Warum? Der braucht dafür keinen Grund. Adam Green existiert in einer eigenartigen Welt, welcher diese bestimmte Merkwürdigkeit innewohnt, die manche nur als „spleenig“ bezeichnen. Seine Welt funktioniert dabei ein wenig anders als die unsere und besteht vorrangig aus leicht umnebelten Cartoonwesen, beinlosen Mädchen, Kardeshian-Prinzesinnen und jeder Menge Pappmaché. Nun könnte Adam sich in diese Welt zurückziehen, Peach heiraten, um mit ihr und einhunderttausend kleinen Pilzen alt zu werden, tut er aber nicht und Super Mario hätte da wohl auch noch ein Wörtchen mitzureden.

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Nein, Adam Green trägt seine Welt nach Außen. In bald neun Studioalben, einem Gedichtband, zwei Filmen und mit diversen hochgehandelten Bildern. Bei so viel Kunst im Leben ist es umso sympathischer, dass Adam auch um drei Uhr Nachts noch betrunken in einen Fish&Chips-Laden in London stolpert und verkündet, er sei die Königin von England. So haben wir das gern.

Hier noch ein paar Dinge, die ihr über Adam Green wissen solltet: Seine Urgroßmutter war in den späten Dreißigern für eine Weile mit Franz Kafka verlobt und er ist mitverantwortlich für die Popularität und die Existenz von Anti-Folk. Das ist seine Musik. Er ist einer der besten Freunde von Carl Barât, räumte dafür aber niemals seine Wohnung leer und Pete Doherty findet Adam auch ganz nett. Der New Yorker nennt Adam Green nur noch den jüdischen James Dean, aber gestorben ist er noch nicht und weit über die Vierundzwanzig ist er auch hinaus. Im Moment ist Adam Green im besten Alter um nachts im Vollrausch Plätzchen zu backen. In der Form von kleinen Füchsen. Noch Fragen?

Wir hatten noch ein paar und haben uns deswegen mit ihm hingesetzt, ein paar Bier getrunken, einen Persönlichkeitstest aus den 90ern durchgearbeitet und irgendwann hat er uns von seinem ersten feuchten Traum erzählt.

Wirst du ab und zu mit Adam Driver verwechselt?
Nein. Der Typ aus Star Wars. Findest du, dass wir uns ähnlich sehen?

Es gibt jede Menge Menschen da draußen, die gerne Menschen verwechseln, die sich nur ein klein wenig ähnlich sehen und ihr habt beide diese großartige Lockenpracht. Nimm Ron Perlman. Der wird andauernd mit Tom Waits verwechselt.
Das kann ich sehen. Patrick Stewart und Ben Kingsley werden bestimmt auch andauern verwechselt.

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Die sehen sich nicht so ähnlich.
Aber wenn man schon Mal ein glatzköpfiger, berühmter Schauspieler ist—davon gibt es nicht so viele—dann werfen dich alle in einen Topf. Wäre einer von beiden schwarz, würde das nicht passieren.

In deinem Film machen weder Ben Kingsley noch Patrick Stewart mit, aber dafür ist es ein ganzes Projekt.
Ja, zu dem Projekt gehören mehrere Sachen. Es gibt da den Aladdin-Film und dann das Album, das gleichzeitig der Soundtrack ist und eine Tour ist es dann auch noch. Ich habe zuerst das Album gemacht, alle Songs sollten den Film musikalisch untermalen. Im nächsten Schritt habe ich die ganzen Sets gemalt und gebaut. Damit hatte ich dann Malerei, irgendwie Bildhauerei, Musik und Sprache kombiniert zu einem Film. Der Film wurde damit zu einer Super-Art-Form. Eine Fusion. Ich konnte alles machen, als Teil des Films.

Warum hast du dich gerade mit Aladdin beschäftigt? Warum nicht mit Schneewittchen und den Sieben Zwergen? Warum wolltest du in den fernen Osten reisen?
Es ging mir gar nicht darum, eine ferne Geschichte zu erzählen. Ich tendiere dazu, Dinge sehr abstrakt zu sehen. Ich wollte also etwas haben, das man einfach verstehen kann und wo ich eine Geschichte drum herum basteln konnte. Aladdin hatte diese schönen einfachen Märchenelemente. Es gibt da das Genie und seine Wunderlampe. Da hast du Magie. Dann gibt es eine Prinzessin und ein Kind, das irgendwie zum Mann wird. Ich schrieb die Geschichte also um und sah sie dabei als eine Art semi-autobiografische Erfahrung. Wie es eben ist, von seinen Zwanzigern in die Dreißiger zu kommen.

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Das Albumcover von Aladdin ist ein Still aus dem Film, oder?
Ja. Da sitzt die Prinzessin in ihrem Pappmachéauto.

Und sie fährt an diesem Schild vorbei, das sagt: „Are You Interested In Music?“
Das ist tatsächlich auch ein Song, den wir am Ende des Films performen. Eine Art Group-Sing-Along. Für mich geht es darum, dass wir alle auch nur normal sind. Durchschnittlich. Wir sind alle gar nicht so cool. Wir mögen auch nur Musik und laufen durch die Gegend.

Wirklich? Ich dachte du wärst inzwischen Teil dieser elitären New Yorker Art-World.
Musiker zu sein ist doch eine anti-elitäre Sache. Du kommst zu Leuten, in ihre Stadt und dann singst du für sie. Das ist etwas sehr Persönliches. Das kann doch gar nicht elitär sein. Die Kunstwelt ist elitär. Die Musikwelt ist echt entspannt. Die meiste Zeit verbringst du auf einer von Bier durchtränkten Couch oder singst den Leuten was vor. Da ist es schwer, keine Verbindung aufzubauen. Mit der Kunstwelt ist es anders. Da gibt es vielleicht fünf Menschen, die deine Kunst gut finden, du stellst in einer Galerie aus, aber du redest nicht wirklich mit irgendjemandem oder baust Beziehungen zu ihnen auf. Jetzt, wo ich so drüber nachdenke: Ich will schon, dass mein Film unterhält. Es soll zwar ein Kunstfilm sein, aber nicht so eine steife Geschichte. Er soll auch Spaß machen. Das war meine eigentliches Ziel. Etwas, das man sich zusammen im Kino anschaut und Spaß hat. Wie eine lange Episode von South Park.

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Was ist das mit dir und Comics?
Ich mag Cartoons echt gerne. Ich denke sogar in Cartoons. Mehr Cartoons für Erwachsene. So betrachte ich die Welt. Da kommen viele spezielle Bilder her, über die ich so singe. Vor allem auf den älteren Alben. The Chubby Princess oder The Princess Bed. Auf meinem ersten Album gibt es einen Song der heißt „Mozzarella Swastikas“. Da geht es um Baseball-Diamond-Miners. Das Album heißt auch Garfield. Da hast du schon wieder einen Cartoon.

Dein erstes Album heißt Adam Green. Steht bei mir im Schrank. Hat nicht mal ein Booklet, nur ein Bild von dir auf Pappe in eine Hülle geschoben.
Haha. Das ist die britische Version. Ja. Hier hieß es Adam Green, aber in den Staaten heißt es Garfield.

Fühlst du dich manchmal wie Garfield?
Ja. Witzige Sache. Ich habe vor einer Weile einen Band mit Gedichten rausgebracht. Da gibt es so Charaktere wie Miss President, die Prinzessin, Bagelheart, Farmer Dave und andere Figuren, die ich auch im Film benutzt habe. Irgendwie möchte ich den Leuten so zeigen, wie ich die Welt sehe, wie ich denke und ihnen die Welt erklären, in der meine Songs existieren. Die sieht tatsächlich so aus, wie im Film dargestellt. Da wartet ein ganzes Universum.

Aber was ist das mit dir und Garfield?
Garfield war für mich immer die Verkörperung der Dekadenz und er scheint die ganze Zeit auf Drogen zu sein oder so. Als ich klein war, habe ich Garfield jedenfalls sehr verehrt. Er war dieser abgeklärte Typ. Wie ein zugedröhnter Dandy oder so. Jetzt stell dir diesen Typen mal in Frankreich im 18. Jahrhundert vor. Da wäre er ein Symbolist gewesen.

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Das macht so viel Sinn. Er versucht gar nicht, der Welt seine Ideen begreiflich zu machen oder sie zu fixieren. Er stellt sie einfach hin und sagt: Das ist es. Take it or leave it.
Genau. Arthur Rimbaud wäre ein großer Fan von Garfield gewesen. Da bin ich mir sicher.

Wenn du in irgendeiner fiktionalen Welt leben könntest. Welche wäre es?
Ich würde mich in einer mittelalterlichen Welt sehr wohl fühlen. Mit Garfield zusammenzuwohnen wäre auch spaßig. [lange Pause] Sorry, ich habe mir gerade all diese merkwürdigen Sachen vorgestellt, aber das kann ich dir nicht erzählen.

Sag schon!
Ein Adult-Sex-Cartoon. Da würde ich gerne leben. Kann ich auch andere Universen besuchen?

Klar.
Das Mittelalter. Manchmal fühle ich mich, als käme ich aus dieser Zeit. Wenn ich zum Beispiel an einem Bild sitze, rede ich mir gerne ein, dass ich jemand aus dem Mittelalter bin, der versucht, die moderne Welt zu verstehen. Es wäre auch cool, wenn so Cartoons wie Garfield einfach schon im Mittelalter existiert hätten. Dann wärst du in eine Bar gegangen oder so und statt eines geschnitzten Pferdekopfs hätte dich Garfield angegrinst. Das wäre doch fantastisch. Oder Tarotkarten mit dem Charakteren aus der Sesamstraße. So versuche ich dann zu denken. So entwickeln sich dann ganze Erzählstränge, denen etwas dystopisches anhaftet. Stell dir mal vor, wir würden aus irgendwelchen Gründen in diese mittelalterliche Zeit zurückfallen und hätten dabei aber immer noch diese ganzen popkulturellen Überreste. Das wäre doch genial. Vielleicht würden wir dann annehmen, dass Mario tatsächlich existiert hat. Wie mit Jesus. War Mario vielleicht wirklich Klempner in Brooklyn über den man Geschichten erzählt hat? Er wäre dann mehr als eine Spielfigur.

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In einem Nintendo-Spiel zu leben wäre auch gut. Du könntest ewig leben. Du müsstest nur genügend Leben sammeln.
Peach—die Prinzessin aus Mario—war mein erster feuchter Traum. Ich war elf oder zehn und in meinem Traum gewann ich das Spiel und man brachte mich zur Prinzessin und als ich sie sah, kam ich. Das ist auch ein prima Beispiel dafür, wie kindliche Psyche und erwachsene Psyche sich irgendwann mischen.

Wenn du an diese Zukunft denkst. Leben wir dann in einer Dystopie oder in einer Utopie?
Da ändere ich meine Meinung andauernd. Was Technik betrifft, kann ich manchmal sehr paranoid sein. Seitdem ich ein Smartphone besitze, fühle ich mich konstant, als würde ich in einem Videospiel leben. Ich bin echt abhängig davon. Meistens arbeite ich mehr für mein Telefon als mein Telefon für mich. Auf der anderen Seite wurde mir meine Seele durch diese ganze Technologie viel bewusster. Meine Frau arbeitet zum Beispiel für Google. Die vermitteln dir das Gefühl, dass Technologie Menschen näher zusammen bringt und uns hilft. Man kann Technologie und soziale Netzwerke da wirklich romantisieren. Wie eine Art soziale Skulptur. Fast neoklassisch. Denk mal darüber nach: Du schaust es dir auf einem Tablet an und du klickst auf Icons. Diese ganze Sprache ist sehr griechisch-römisch. Ich denke inzwischen so darüber, dass es bei Technologie mehr um Ideenentwicklung geht als um die physische Sache an sich. Technologie ist in dem Sinne sehr episch und was Gutes.

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Du darfst dabei aber nicht vergessen, dass Menschen Idioten sind. Wäre der Mensch an sich gut und anständig, könnte Technologie etwas Gutes sein, aber so wird sie eben auch für viel viel viel Schrott und Scheiße gebraucht.
Du hast recht, aber du darfst auch nicht vergessen, dass all die technischen Dinge, die wir so herstellen, auch nur Sachen sind, die wir gemacht haben, aus diversen Rohstoffen. Ein iPod ist so gesehen nichts anderes als ein Bieber-Damm. Ich kann Technologie nicht hassen, aber auch nicht nur gut finden.

Was hast du zwischen den Aufnahmen für Aladdin gemacht? Little Joy sind zum Beispiel immer in eine Bar in der Nähe gegangen, die Little Joy hieß und so kamen sie auf den letztendlichen Bandnamen.
Das stimmt. Ich weiß gar nicht, ob es die Bar noch gibt. Einen Abend war ich auf einer merkwürdigen Cowboy-themed Party. Jeder sah aus als käme er aus Texas.

Hast du dich auch verkleidet?
Ich sah sowieso schon aus wie ein Cowboy, ich musste mich nicht mehr verkleiden. Es gab auch jede Menge Absinth. Irgendwann war ich sehr betrunken. Frag mich nicht, was danach passiert ist. Oh, aber ein paar Tage später passierte was Großartiges. Der Tontechniker, dem das Studio auch gehört, in dem wir aufgenommen haben, kam irgendwann zu uns und meinte, seine Freundin hätte da so einen Typen kennen gelernt. Einen Guru. Er war sich sehr sicher, dass dieser Guru sie über Telepathie kontrollierte. Einen Tag später kamen dann Hare-Krishna-Gesänge aus seinem Apartment. Der Tontechniker war bei uns und meinte: „Ja ja, sie ist gerade mit dem Guru oben. Sie haben eine ganze Gruppe von Leuten dabei. Jetzt sitzen sie da oben und singen. Ich weiß wirklich nicht, was ich machen soll. Ich will ihr ja auch nichts vorschreiben, aber der Typ wirkt wie ein der Anführer eines Kults oder so.“ Einen Tag später kam der Typ dann selber zu uns runter ins Studio. Er hatte so einen lange Dashiki Mantel an und fing an, uns, das Studio, und unsere Musik zu segnen. Einfach so. Wir wurden also von einem Kult-Führer gesegnet.

Hast du dich danach besser gefühlt? Gesegnet? Kreativer?
Es war ein bisschen kitschig und auch etwas ekelig. Definitiv merkwürdig.

Aladdin erscheint am 29. April. Du kannst es bei Amazon und iTunes bestellen. Mehr Details über das Aladdin-Projekt findest du hier.

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