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Gr1mer ist jünger und besser als all deine Deutschrap-Helden

Grimer ist gerade mal 12 Jahre alt, disst Kollegah und Co., feiert dafür MF Doom und J Dilla umso mehr. Wie geht denn so was?

„Im Moment eher keine Lust/Zeit zu Skypen, wenn es jedoch ein Text-Interview ist, mach ich’s gerne :)“ Als praktisch unbekannter aber aufstrebender Rapper derart gelassen auf eine Interviewanfrage zu reagieren, braucht schon eine große Portion Coolness. Andererseits: Vielleicht ist Gr1mers Ansatz auch genau der richtige in Zeiten, in denen Rapper eher für ihre cholerischen Promogespräche in Spielfilmlänge bekannt sind. Auch die am Ostersonntag verschickten Antworten auf die per Mail gesandten Fragen sind kurz, knackig und kompakt.

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Großer Redebedarf scheint bei dem jungen Salzburger also eher nicht zu bestehen—dabei hätten wir den durchaus gehabt. Gr1mer zählt nämlich gerade mal 12 Jahre, rappt wie ein junger Retrogott über rumpelnde BoomBap-Beats, verweist in seinen Texten auf J Dilla oder MF Doom und findet, dass Nas recht hatte, als er „Life’s a bitch“ sagte. Wie um Himmels Willen geht so etwas denn bitteschön? Die Antwort: ganz einfach.

Der Antrieb fürs Texteschreiben ist zu Beginn, natürlich, der Spaß: Gr1mer hört 2009 Eminems „Without Me“, später dann auch „Mein Block“ von Sido, lässt sich von seiner Schwester Bushido zeigen und probiert während dem Schulunterricht, ob er das mit dem Texteschreiben vielleicht auch kann—er kanns. Dass Gr1mer seine Texte wenig später auch auf Beats rappt und das ganze mit dem Computer aufnimmt, hat aber noch einen anderen Grund: „Ich wollte mir einen Namen machen“, erklärt er—und außerdem habe er auch noch in zehn Jahren etwas davon: „Erinnerungen, die mir bleiben.“

Mit der Entscheidung, seine Texte zu vertonen, geht auch eine musikalische Neuausrichtung einher. Der Grund dafür sind das Internet und seine unzähligen Möglichkeiten der Entdeckung neuer und alter Musik. „Mein Geschmack hat sich dadurch ziemlich verändert“, erklärt Gr1mer. In Sachen Rap orientiert er sich jetzt an Kay Kani oder donetasy, später dann an Retrogott, Luk&Fil oder Tufu. Die ersten Beats auf die Gr1mer rappt, kommen von Defcon, der nicht nur selber rappt, sondern dessen rumpelnde, knisternde und rauschende Beats klassischer Machart sich vor allem auf Releases von Untergrund-Rappern wie Gory Gore finden.

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Gr1mers erstes Lebenszeichen ist im Sommer 2015 der Song „miczudemcheck“. Auf einem smoothen Bläser-Loop mit sattem Drumset representete Gr1mer mit erstaunlich viel Taktgefühl und Flowverständnis, aber auch einem beachtlichen Gemisch aus Wortwitz und Arroganz nicht nur sich selbst, sondern niftelte auch ungeniert an Deutschraphausen rum und bemängelte die fehlende Kreativität von Kollegah-Klonen.

Nach Posting-Props von MC Bastard veröffentlicht Gr1mer im Dezember des gleichen Jahres schließlich seine erste EP Gr1my Shit mit acht Songs ganz ähnlicher Machart. Als Grundlage für die Tracks dienen klimpernde Jazz-Sample-Beats von FloFilz oder Twit One, die sich Gr1mer von YouTube in sein Aufnahmeprogramm zieht. In seinen Texten nimmt er weiterhin die deutsche Rap-Szene—Farid Bang, Majoe und KC Rebell, aber auch YouTuber wie LionT aufs Korn. „Alles klingt ziemlich gleich. LionT ist da eine Ausnahme—der ist einfach wack. Aber den Leuten von Banger Musik geht es halt einfach um Umsatz. Die Limited Boxen sind langsam auch ziemlich unnötig. Jeder Track klingt gleich.“

Das Cover der

Gr1my Shit

-EP ist ein ziemlich dreister Rip-Off des gemeinsamen

Madvillainy

–Albums von MF Doom und Madlib, das 2004 über Stones Throw erschien. Auf dem Song „Smooth“ rappt Gr1mer darüberhinaus: „Ich hör’ eure Mucke nicht, keinen Bock auf die Scheiße / denn MF Doom ist einfach unübertroffen der Geilste.“ Warum denn eigentlich? Gefällt ihm vielliecht die Maskierung und der damit einhergehende Fokus auf die Kunst? Schließlich zeigt auch Gr1mer sein Gesicht bis dato nicht. Knappe Antwort: „Die Lyrics, seine Beats, dieser Flavour einfach.“ Der Flavour also. Genau der ist es auch, der für Gr1mer die Beats von Dilla ausmacht. Vielmehr will er dazu nicht sagen. Muss man eigentlich ja auch gar nicht.

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Soweit so gut, aber das ist noch lange nicht alles. Als Mitglied der Berg Money Gang war Gr1mer unter dem Alias MVK gerade auf dem Outro des Albums Für die Gang und so 2 zu hören. Dort bezwang er den basslastig-minimalistischen Beat mit einem ignorantem Staccato-Flow, den man sonst nur von aktuellen Trap-Veröffentlichungen kennt.

Als MVK veröffentlichte er auch die Kid-EP mit zeitgeistigen, an LGoony oder Yung Lean erinnernde Songs wie „Nachbarn“.

„Ich will MVK und Gr1mer eigentlich trennen. MVK wird es aber wahrscheinlich bald nicht mehr geben, habe null Lust darauf“, sagt Gr1mer, der sich nach eigenen Aussagen ohnehin nicht lange für ein Subgenre begeistern kann. „Wenn ich zum Beispiel etwas von Craig Xen höre, habe ich kurz wieder Lust auf Trap. Wenn ich aber zum Beispiel etwas von Doom höre, habe ich wieder Lust auf BoomBap.“ Und diese Lust überwiegt gerade. Gr1mers nächstes nächstes Projekt Neverland wird in nächster Zeit erscheinen.

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