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Warum unterstützen die MTV Europe Music Awards keine europäische Musik?

Wann haben wir es amerikanischen Künstlern erlaubt, sich in unserem Namen daneben zu benehmen?

Ich bin noch unentschlossen, ob der Titel dieses Artikels rhetorisch ist oder nicht. Laut Wikipedia wurden die MTV Europe Music Awards „1994 vom europäischen MTV-Sendernetz eingeführt, um die beliebtesten Songs und Sänger/innen in Europa zu feiern“.

Wikipedia kann manchmal eine ziemlich unzuverlässige Quelle sein, aber ich würde trotzdem eine große Summe Geld darauf setzen, dass das eine verdammt genaue Beschreibung den MTV EMAs ist. Warum kommen im Jahr 2014 also nur ein Drittel der 53 nominierten Künstler wirklich aus Europa?

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Zugegeben, die EMAs haben auch keine reichhaltige Geschichte als Repräsentant europäischer Künstler. In den Hauptkategorien (also denen, die im Fernsehen übertragen werden) fanden sich unter den Nominierten schon immer hauptsächlich etablierte amerikanische Namen, einige Künstler aus Großbritannien, eine Handvoll Sachen vom europäischen Festland und ausgesuchte Acts aus der ganzen Welt in einem Verhältnis von ungefähr 4:3:2:1.

1998 wurden gezielte Bemühungen unternommen, mehr europäische Talente zu fördern, als Kategorien eingeführt wurden, die mehr europäische Acts repräsentierten, und die Zahl an Ländern und Gebieten jedes Jahr erhöht wurde. 2008 wurde außerdem der „Europe’s Favourite Act“-Award eingeführt (der auch im Fernsehen zu sehen war und von Emre Aydin aus der Türkei gewonnen wurde). Dieser wurde 2009 vom „Best European Act“-Award abgelöst, bevor er 2011 von der „Best Worldwide Act“-Kategorie geschluckt wurde und somit jeder Sinn für europäische Dominanz beseitig wurde. Und das bei… den Europe Music Awards. In den drei Jahren, in denen es den „Best Worldwide Act“ gibt, ging er zweimal nach China (Han Geng 2012 und Chris Lee 2013) und einmal nach Korea (Big Bang 2011). Die Frustration beim Eurovisionsbündnis muss groß sein; die ostasiatischen Abstimmblocks können sie einfach nicht überstimmen.

Auch wenn die Übertragungen der EMAs nicht wirklich eine Plattform dafür sind, europäische Künstler einem großen Publikum zu präsentieren, durften wir sie früher zumindest moderieren. Zwischen den ersten EMAs 1994 und der Verleihung 2001, die Sacha Baron Cohen als Ali G moderiert hat, haben sechs Europäer die Moderation übernommen, nur unterbrochen durch Jenny McCarthy 1998 und Wyclef Jean 2000. In den 13 Jahren danach hat sie noch einmal Sacha Baron Cohen als Borat und 2012 Heidi Klum moderiert, aber alle anderen elf Moderatoren waren Amerikaner, inklusive Katy Perry. Zweimal. (Unnützes Wissen am Rande: Die einzige andere Person, die die EMAs zweimal moderiert hat, ist die irische Schlaftablette Ronan Keating).

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Das Live-Entertainment

Bis 2003/2004 konnte man sich darauf verlassen, dass zumindest die Hälfte, manchmal sogar zwei Drittel der Live-Acts aus Europa (hauptsächlich aus Großbritannien) kamen. Diese Zahl hat sich langsam verringert, um Platz für mehr und mehr große US-Künstler zu schaffen. Letztes Jahr war der einzige europäische Act, der zwischen den zehn amerikanischen aufgetreten ist, das schwedische Duo Icona Pop.

Wenn du dich durch diese Geschichte gekämpft hast, dann wunderst du dich vielleicht, so wie ich, was zur Hölle MTV vor hat? Was eine Feier europäischer Musik sein sollte—als was es vielleicht sogar angefangen hat—und was eine Möglichkeit sein sollte, europäische Aushängeschilder einem breiteren, weltweiten Publikum näherzubringen, ist mittlerweile nur ein weiteres Mittel zur Bewerbung sowieso schon allgegenwärtiger amerikanischer Künstler, die du in den Mainstream-Charts auf der ganzen Welt findest. Was ist der Sinn dahinter, die MTV VMAs praktisch zweimal auszutragen? Nur damit wir erneut sehen können, wie Taylor Swift ihren Körper in der ersten Reihe merkwürdig und aus dem Takt bewegt, nur dieses Mal in Frankfurt?

Die Zuschauerzahlen der EMAs sind immens—und das macht es besonders ärgerlich, wenn dir klar wird, was das für eine verpasste Möglichkeit zur Eigenwerbung für so viele europäische Acts ist. Die Verleihung von 2013 hat einen Zuschauerrekord von 55 Millionen Zuschauern weltweit erreicht (11,5 Millionen davon in den USA), eine beeindruckende Zahl, wenn man diese mit den 8,5 Millionen US-Zuschauern vergleicht, die dieses Jahr die eher auf die USA abzielenden MTV VMAs gesehen haben.

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Man könnte sagen, dass die Zuschauerzahlen der EMAs zusammen mit der Anzahl an großen Mainstream-Künstlern, die dort live auftreten, gestiegen sind—aber das erklärt immer noch nicht, warum die Awards und die Moderatoren immer weniger aus europäischen Ländern stammen und auch immer weniger wirkliche Stars sind. 2002 hat P. Diddy die Awards moderiert und Kylie Minogue, Marilyn Manson, Pamela Anderson und Pierce Brosnan haben Awards übergeben. 2013 hat Redfoo—der ältere Typ der merkwürdigen Onkel/Neffe-Kombo LMFAO—moderiert und dort haben Leute wie Bridgit Mendler Awards präsentiert, die Carly Rae Jepsen für Arme von 2013.

Das macht noch weniger Sinn, wenn man diese Zahlen mit denen des Eurovision Song Contests vergleicht, bei denen im Schnitt 125 Millionen Leute zuschauen. Wenn 125 Millionen Menschen auf der Welt bereit sind, dem ukrainischen Uncle Fester beim Folkloretanz in einem Lady Gaga-Halloweenkostüm aus Alufolie zuzusehen, dann würden sie doch sicher auch für Erik Hassle oder MØ einschalten, oder?

Die Nominierungen dieses Jahr

Foto: Universal Music

Das bringt uns zu den Nominierungen 2014. Die Hauptkategorien (bester Song, bester männlicher/weiblicher Künstler, bester Live-Künstler, bestes Video) werden von internationalen Aushängeschildern dominiert, was in diesem Fall „nicht europäisch“ bedeutet. Der puritanischste Adele-Platzhalter 2014, Sam Smith, ist mit „Stay With Me“ für „Best Song“ nominiert und Ed Sheeran ist der einzige Europäer, der bei „Best Male“ nominiert ist. One Direction sind (überaus unverdient) für „Best Live Act“ nominiert, was ziemlicher Blödsinn ist, da ich den Großteil ihrer Show im Wembley-Stadion gedacht habe, dass drei ihrer Mitglieder bereits tot wären, während Europa in der „Best Video“-Kategorie vollkommen außen vor ist. Auch „Best Female“ ist eine komplett amerikanische Angelegenheit (Ariana Grande, Beyoncé, Katy Perry, Nicki Minaj und Taylor Swift werden um die Gunst der Fans streiten). Tatsächlich sind von den 17 Europäern, die dieses Jahr für die EMAs nominiert sind, nur drei weiblich und nur eine dieser Frauen (Charli XCX als „Best Act“) ist aufgrund künstlerischer Verdienste nominiert. Rita Ora ist für den lächerlichen „Best Look“-Award nominiert und Ellie Golding in der „Best World Stage“-Kategorie, was im Prinzip nur heißt, dass sie dieses Jahr bei einem MTV-Event aufgetreten ist.

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Die einzige Kategorie, in der europäische Künstler bei den Nominierungen in der Mehrzahl sind, ist „Best Electronic“—alle fünf Nominierten (Afrojack, Avicii, Calvin Harris, David Guetta und Hardwell) sind aus europäischen Ländern. Wie auch immer, diese Produzenten sind bereits weltbekannt und werden bestimmt nicht so von den EMAs profitieren, wie viele andere europäische Acts es würden.

Während es offensichtlich ist, dass die MTV Europe Music Awards hauptsächlich so heißen, da sie in europäischen Ländern stattfinden, bleibt die große Frage bestehen, warum die Awards von amerikanischen Exporten dominiert sind. Der Kontinent Europa leidet anders als Nordamerika unter Sprachbarrieren, die die Verbreitung von Musik auf gewisse Weise bremsen. Ausnahmen wie „Dragostea Din Tei“ von 2004 sind selten und wenn in Rumanien ein Riesenhit auf rumänisch aufgenommen wird, dann bleibt es normalerweise auch nur ein Riesenhit in Rumänien. Da Englisch die am weitesten verbreitete Sprache in Europa ist, wird englischer Pop immer dominieren. Wie die kontinentale Dominanz von Pharells „Happy“ dir zeigt, hat Amerika einen riesigen Einfluss auf den Geschmack der europäischen Hörer, aber untergräbt diese amerikanische Übernahme einer europäischen Awardshow nicht die Idee, dass multikulturelle europäische Popstars mit den Besten mithalten können? Können sie es überhaupt mit Leuten wie Katy Perry, Eminem, Miley, Pharrell oder Beyoncé aufnehmen?

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Die Antwort ist kurz gesagt: ja. Da so viele der internationalen Künstler, die dieses Jahr nominiert sind, Material singen, das in Europa entstanden ist (Beyoncé ist die einzige, als „Best Female“ nominierte, die dieses Jahr keine von Max Martin geschriebene Hit-Single hatte) erscheint es als verdammt albern, dass man die Exporte auszeichnet und nicht das heimische Talent. Allein unter den Nominierten für den besten schwedischen Act (wird nicht im TV übertragen) finden sich Icona Pop, Avicii, Tove Lo (Schwedens talentiertere Antwort auf Katy Perry), Anton Ewald (Schwedens talentiertere Antwort auf Justin Bieber) und The Fooo Conspiracy (Schwedens talentiertere Antwort auf One Direction). The Vamps, die ein super Jahr hatten, tauchen bei den Nominierungen gar nicht auf, genau wie andere aufstrebende Acts wie Foxes, George Ezra, Clean Bandit und Ella Henderson. Keine Beachtung haben auch Künstler wie Paloma Faith, La Roux, Jessie Ware, Royksopp & Robyn, Katy B, Paolo Nutini, Ace Wilder oder Lily Allen gefunden—und warum nicht die echte Sheezus, Conchita Wurst? Und wenn wir schon bei Mädchen, die wie Jungs aussehen und umgekehrt, sind, die alten EMA-Lieblinge Tokio Hotel hätten sicher einen Fuß in der Tür gehabt, wenn sie ihr Comeback früher im Jahr gegeben hätten.

Es gibt in Europa gerade im Moment so unglaublich viele tolle Talente. MTV sollte diesen Künstler die Chance bieten, sich auf einer Bühne der ganzen Welt zu präsentieren, nicht internationale Megastars mit noch mehr Promo versorgen und ihnen noch mehr Möglichkeiten geben, ihre Ware zu verkaufen.

Bitte, MTV, lasst 2015 zur Abwechslung mal Europa bei den Europe Music Awards eine Rolle spielen.

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