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Liebeskreis für’s Gebäude 9!

Das Herzstück der Kölner Club- und Musikkultur abseits des Mainstreams soll schon bald einem spießigen Wohngebiet weichen. Rettung muss her!

Fotos: Christian Faustus.

Die Nachricht hat gesessen. Mitte der Woche mussten die Kölner in der Presse erfahren, dass das Gebäude 9—im vergangenen Jahr noch vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien als beste Spielstätte prämiert—dem Erdboden gleich gemacht werden soll. (Alleine bei diesem Widerspruch möchte man sich unverzüglich die Haare raufen). Denn auf dem Fabriken-Areal im rechtsrheinischen Stadtteil Deutz muss Platz her für das „Euroforum Nord“—allein der Name kling schon beschissen! Ein fiese Kreuzung aus Wohnungen, Geschäften, Grünflächen für den Spießernachwuchs und Gewerbegebiet soll das werden. Da ist kein Platz mehr für laute Musik.

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Doch das Gebäude—unter Liebhabern wird die Zahl gerne weggelassen—ist weitaus mehr als nur laute Musik aka Konzerte und Partys. Mit knapp 100 Konzerten im Jahr, die das allerfeinste und stilsicherste Booking verraten, gilt das Gebäude als eine der Top-Adressen unter den Konzertlocations in Deutschland. Ein Namedropping ist vergebens, schließlich hat fast jeder zweite namhafte Act abseits des Mainstreams irgendwann mal hier gespielt. Hat eine Band Geschmack, dann spielt sie auch im Gebäude. Und man kehrt gerne hierhin zurück—ein zweites, drittes oder auch viertes mal. Denn vielen Bands scheint es hier außerordentlich gut zu gefallen. Vielleicht weil sich das Gebäude nicht verstellt. Weil es wie ein unaufgesetzter und entspannter Zusammenschluss ganz normaler Menschen wirkt. Gerade isländische Bands wie Múm oder Seabear wurden über die Jahre regelrecht Freunde des Hauses.

Und das ist eher eine Seltenheit, was Köln und das Gebäude für viele Bands sicherlich auszeichnet. Berlin hat bekanntlich alles, aber eben kein Gebäude 9. Übrigens lässt es sich hier auch bestens feiern: Die variierenden Partyreihen—mal Pop, mal Trash, mal Elektro, mal Balkan-Beats und zum Glück nie belangloser Indie—liefern am Wochenende reichlich Möglichkeit zum Abspacken im Kreise Gleichgesinnter, denn man ist sich einig: „Music was my first love“.

Die Faszination um diese Konzert- und Partylocation, die in den letzten 17 Jahren regelrecht zum Kult unter etlichen Kölnern mutierte, lässt sich nur schwer beschreiben. Eine Ästhetik des Unperfekten, des Kaputten, des Ranzigen ist das, was diese heiligen Hallen in puncto Musik optisch auszeichnet. Nette, entspannte Leute hinter und vor der Theke. Das Gebäude ist cool, aber nicht hip. Ein Konzert der eigenen Lieblingsband ist was ganz besonderes. Ein Konzert der eigenen Lieblingsband im Gebäude ist noch viel besonderer.

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Köln sein Gebäude 9 wegzunehmen, verursacht mit hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit einen massiven Schaden für die eh schon geschundene Psyche der hiesigen Club- und Musikkultur. (Erst kürzlich machte der hoch geschätzte Club „Stecken“ dicht.) Inmitten einer immer schlimmer werdenden Nachtkultur aus Cocktailbar-Ketten, verqualmten Shisha-Lounges voller pubertierender Spacken, Tourikneipen und seelenlosen Clubs darf einer der letzten Bastionen des guten Geschmacks nicht fallen. Denn was für den alteingesessen Kölner der Dom, das Kölsch oder der 1. FC Köln ist, das ist für den leidenschaftlichen Liebhaber der Kölner Popkultur eben das Gebäude 9—eine Institution, ein fest verankerter Bestandteil des kollektiven Kultur-Gedächtnisses der Stadt. Köln ohne das Gebäude ist nicht denkbar!

Kampflos möchten und werden sich die Anhänger des Gebäude 9 nicht geschlagen gegeben. Innerhalb von nur 24 Stunden schlossen sich knapp 3000 Facebook-User in der Gruppe „Rettet das Gebäude 9“ zusammen und planen seitdem den konstruktiven Widerstand. Genau so muss es sein: Rettet das Gebäude 9 und ihr rettet damit eure Seele!

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