Foto: Lukas Beck
Das Klischee
Anzeige
Die Wahrheit
Anzeige
07:00 Frühstück
07:30 Vormittagsunterricht (Hauptgegenstände)
10:50 Jause
11:00 Chorprobe
12:55 Chorbesprechung mit den Erziehern
13:00 Mittagessen; anschließend Freizeit
14:30 Nachmittagsunterricht (Lernzeiten für Hausübungen, Einzelstimmbildung, Soloproben, szenische Proben nach Bedarf)
16:05 Jause
16:20 Nachmittagsunterricht
18:00 Chorbesprechung mit den Erziehern
21:00 Abendessen
21:15 Abendfreizeit
21:30 Nachtruhe Fast jede Minute ist durchgeplant. Sängerknabe zu sein, ist ein Ganztagsjob. Wie wir herausgefunden haben, gibt es aber so gut wie keine priviligierten Jungs bei den Sängerknaben. Alles, was man braucht, ist ein bisschen Talent. Denn obwohl die Institution rund 30.000 Euro im Jahr kostet, wird der Großteil davon von Sponsoren übernommen. Die Eltern zahlen nur 100 Euro monatlich für eine Vollpension im Internat. Alle Ex-Sängerknaben, mit denen wir gesprochen haben, waren coole Dudes, die total am Boden geblieben sind. Überraschenderweise. Die Klischees haben sich großteils als Hirngespinste der österreichischen Öffentlichkeit entpuppt. Mit einem der Ex-Sängerknaben haben wir länger auf Facebook gechattet und folgendes von ihm erfahren:
Anzeige
Ex-Sängerknabe: Haha, das denken alle. Ist irgendwie eh klar—ein Burscheninternat, das Staatswappen auf der Uniform, eine ziemlich undurchsichtige Finanzierungsstruktur. Wäre ich nicht dort gewesen, wäre ich auch misstrauisch.Hast du das Gefühl, es war zu stressig?
Ex-Sängerknabe: Stressig? Extrem. Deswegen weniger lustig? Nö. Ich glaub mal, man stellt als Kind einfach weniger in Frage—auch dann nicht, wenn man auf einer 116 Tage-Tournee 98 Konzerte hat.OK, es bleibt dir also auf jeden Fall positiv in Erinnerung?
Ex-Sängerknabe: Also ich fand´s lustig. Schon eher anstrengend—aber als Jugendlicher im Nachwuchs-Leistungszentrum eines Sportvereins zu sein, ist sicher auch anstrengend.Waren die Kids dort eher privilegiert oder hat man echt aus jeder Schicht die Chance reinzukommen?
Ex- Sängerknabe: Tjaha, privilegierte Kids gibt es bei den Sängerknaben eher gar nicht (aus welchen Gründen auch immer). Das Spektrum geht (oder: ging) von Prolo bis bestenfalls bürgerlich.Das widerlegt alle Klischees eigentlich.
Ex-Sägnerknabe: Haha, irgendwie geht das allen so. Alle glauben an diese Klischees. Aber: Es ist ein ganz normales Bubeninternat. Auch keine Prügelstrafe von der ich wüsste. Die Sängerknaben sind erschreckend bieder, vor allem, was die literarische Verwertbarkeit angeht.
Anzeige
Ex-Sängerknabe: Sänger gibts einige, ja. Ein paar Ex-Sängerknaben hatten mal eine Band, die vor Ewigkeiten mal so halbleiwand war.Waren die Kids sehr gemein zueinander? In nem reinen Jungsinternat gehts ja sicher ur ab.
Ex- Sägnerknabe: Das kann ich inhaltlich voll bestätigen, da fliegen schon mal die Fetzen. Und natürlich gabs auch die gelegentlichen homoerotischen Ausflüge, die lustigerweise immer lapidar mit „Tjaha, wenns keine Mädchen im Internat gibt“ kommentiert wurden. Von Elfjährigen. Das fand ich schon damals ziemlich lustig.Und so von sexuellen Übergriffen is auch nix zu spüren gewesen oder?
Ex-Sängerknabe: Nein. Nicht mal verprügelt haben sie uns. Kann aber auch sein, dass ich einfach zu schirch war und mich deshalb niemand angefasst hat.Würdest du mir empfehlen, zu einem Konzert der Wiener Sängerknaben zu gehen?
Ex-Sägnerknabe: Das würd ich eher nicht empfehlen. Der biederste Scheiß, den man sich antun kann. Langweiliger als eine Kreuzung von Philipp Lahm und einem Bausparvertrag—es ist zum Verrücktwerden!**Folgt Noisey bei Facebook und Twitter.