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Deutschrap wirft sich verschwörerische Blicke zu

Haftbefehl hat gestern ein fragwürdiges Video geteilt, es aber kurz darauf wieder gelöscht. Dabei steht er mit seinem Hang zu alternativen Politik-Medien nicht alleine da.

Am Sonntagabend hat der Rapper Haftbefehl über Facebook und Twitter ein Video-Interview geteilt, mit der Anmerkung „Normalerweise poste ich solche Videos nicht, aber schaut es Euch mal an. Habt einen informativen Sonntag…“. Das YouTube-Video wurde auf Ken Jebsens Channel wwwKenFMde gehostet und zeigt ein fast zweistündiges Abnicken zwischen Jebsen und dem Buchautor Hermann Ploppa. Thema: dessen neues Buch Die Macher hinter den Kulissen. In diesem geht es—mal sehr kurz zusammengefasst—darum, dass eine kleine Elite die Welt beherrscht. Klingt nach Bilderbergern, Freimaurern, Illuminaten und Rothschilds, bedient sich auch derselben Logiken, Feindbilder und Ängste wie solche Verschwörungstheorien. Dabei wird immer davon ausgegangen, dass die Spitzen des Finanzsektors mit denen des Militärs zusammenarbeiten, Regierungen wie Marionetten lenken und letztendlich nur ein Ziel haben: die Errichtung einer Weltdiktatur, einer neuen Weltordnung. Um möglichen Widerstand schon im Keim zu ersticken, würden den Medien die Aufgabe zukommen, die kleinen Gehirne der Bevölkerung gründlich durchzuwaschen.

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Wenig später löschte Haftbefehl den Facebook-Post wieder, auf Twitter ist er nach wie vor zu sehen. Schon 2010 zeigte er mit dem Track „Free Palestine“, dass er alternativen Politik-Theorien nicht abgeneigt ist: „Alle Präsidenten dieser Welt, treffen sich auf ein‘ Kaffee und ne‘ Line in Bolivien. Alles Lügen in den Medien.“

Normalerweise poste ich solche Videos nicht, aber schaut es Euch mal an. Habt einen informativen Sonntag… Gruß… http://t.co/WmiDH6BLsv

— Haftbefehl (@haftoffiziell) August 23, 2015

Tatsächlich zeigen sich verschiedene deutsche Rapper immer wieder aufklärerisch engagiert, posten politische Videos oder Artikel oder lassen in Interviews durchsickern, dass in unserer Welt ja doch nicht alles so sei, wie es scheint.

Vielleicht erinnerst du dich noch an Kollegahs neunminütigen Epos „Armageddon“, den er in der Promophase für sein letztes Album King mal eben als Freetrack rausgeballert hatte. Um seine eine Millionen Facebook-Likes zu feiern, erzählt er eine fiktionale Geschichte, wie er als furchtloser Krieger eine mythologische Kreatur bekämpft und die Welt schließlich aus dessen zerstörerischen Klauen befreit. Auch hier kamen Anspielungen an gängige Eliten-Verschwörungstheorien nicht zu kurz. Noch deutlicher wurde er allerdings, als er die nächsten 100.000 Facebook-Likes mit dem Free-Track „NWO“ (gängiges Kürzel für Neue Weltordnung) ehrte: „Die Gewalt nimmt ihren Lauf unter dem zufriedenen Blick des allsehenden Auges […] Das ist Missgunst und Hass, nach Mephistos Geschmack.“

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Damit bezieht er sich auf die zweite Komponente der gefürchteten Neuen Weltordnung: die Vernichtung jeglicher Moral durch die satanische Ideologie der Illuminaten. Zum Beispiel durch das Führen von Kriegen unter dem Label religiöser Überzeugungen, aber auch durch die Musik von Christina Aguilera, Madonna, Rihanna, Lady Gaga und Jay Z. „Wahrheits“-Blogs wie Alles Schall und Rauch wollen erkannt haben, dass diese Popstars ihre Karriere der Zusammenarbeit mit den Illuminaten zu verdanken haben. Als Beweis werden Musikvideos interpretiert, auf verdächtige Symbole wie Dreiecke und umgedrehte Kreuze analysiert und jede Menge Fantasie gezeigt.

Satan, Illuminaten, okkulte Zirkel—das alles klingt mehr nach Dan Brown als nach Straßenrap. Aber Kollegah scheint mindestens eine enorme Faszination für all das zu haben. So trägt er im „NWO“-Video auch ein Shirt seines Merch-Shops auf dem groß das Wort „Killuminati“ zu lesen ist. Auf das Shirt angesprochen und ob er sich um seine Sicherheit sorge, meint der Evolutionstheorie-Kritiker in einem TV Straßensound-Interview: „Es gibt schon Tendenzen, die ich wirklich beobachte, wo da versucht wird… Komm, das glaubt mir jetzt eh keiner.“ Im gleichen Interview verurteilt er die zunehmende Sexualisierung und Verrohung der Musikindustrie: „Ohne dass ich jetzt einen auf Verschwörer machen will oder sage ‚Die Illuminaten in der Musikindustrie’—alles Ansichtssache.“ Ob er all diese Verschwörungstheorien nur besonders faszinierend findet (schließlich hat er während seiner Zeit als Übersetzer auch zwei Bücher eines Kreationisten und ehemaligen Holocaust-Leugners übersetzt) oder all das bitterernst meint, wird nicht ganz ersichtlich. Aber für die damals überraschende Ankündigung, dass das neue Michael Jackson-Album am gleichen Tag wie sein Album King erscheinen würde, hat er die einleuchtende Erklärung: „Das ist versuchte Sabotage von den Strippenziehern im Hintergrund.“

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Unten geht's weiter.

Und dann war da noch Fler, der stolz einen Screenshot von Compact TV postete und sich als Abonnent des Channels outete. Chefredakteur dieses rechtspopulistischen Spiegel TV-Klons ist Jürgen Elsässer, der sich darauf spezialisiert hat, die USA und Israel in bester Querfront-Manier zu kritisieren. Sein früherer Leidensgenosse war Ken Jebsen, dem Elsässers Symphatiebekundungen zu HoGeSa und Pegida, Legida und Co. jedoch zu viel wurde und sich von Elsässer distanzierte.

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Müsst ihr abchecken! COMPACTTV!

Posted by

Fler

on

Sonntag, 31. Mai 2015

Dass sich Rapper für politische Themen interessieren, ist eigentlich sehr löblich, können sie doch ein junges und damit überwiegend politikverdrossenes Publikum inspirieren, sich weiter mit gesellschaftlichen Themen auseinanderzusetzen. Und natürlich können sie sich auch aus eben den Informationsquellen bedienen, die sie möchten. Problematisch wird es, wenn sie sich einseitig und im Falle von Compact TV, Alles Schall und Rauch oder KenFM so radikal informieren. Denn dann besteht das Risiko, sich im Netz eines widerspruchslosen Weltbildes zu verlieren, ein vermeintlich überlegener Aufgewachter zu sein, der spöttisch auf all die ungebildeten Schlafschafe hinunterblickt und nicht bemerkt, dass er längst in einer Kammer gefangen ist, in der er nur das Echo seiner eigenen Meinung hören kann. Dann werden Rufe wie „Lügenpresse“ laut, die sich im blinden Hass gegen etablierte Medien und Strukturen richten und Fakten als Meinungsmache denunzieren.

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