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Tristans Trash Talk—die Woche im Rückblick

Tristan von den Shitlers saugt eine Woche lang alle Infos aus dem Internet auf, um euch die besten davon wieder vor die Füße zu spucken. Dieses Mal unter anderem von und mit LGonny, Kollegah und Azad.

Tristan Shitler blickt zurück. Eine ganze Woche lang klickt er sich durchs Internet, saugt alle Informationen in sich hinein und bricht sie dann in gebündelter Textform wieder für euch hinaus. Damit ihr endlich mal weg vom Bildschirm kommt und draußen spielen gehen könnt. Mit Matsch oder so. Was ist das für ein Januar. Schon als SSIOs „Nullkommaneun“ im Dezember kam, war klar: Der Januar wird heiß. Doch was dann passierte, raubte uns allen den Atem (*Clickbait-Voice*):

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Vorigen Freitag releasten Crack Ignaz und Wandl ihr Album Geld Leben. Der oft als Witz abgetane Swag-Rap hat nun also auch ein ruhiges, dabei erstaunlich unbeschwertes Album. Dabei ist die Soundästhetik so eigenständig, dass niemand mehr behaupten kann, die „jungen Wilden“ aus dem Internet wären nur Clowns ohne ernsthaften musikalischen Anspruch. Dass das Movement dabei in den letzten Jahren zwar an Qualität deutlich zugelegt hat, gleichzeitig aber kaum an Output nachgelassen hat, ist eigentlich fast absurd.

Du weißt, was jetzt kommt: Nur vier Tage später knallte es nochmal so richtig. Schon lange war gerüchteweise rumgegangen, dass ein gemeinsames Projekt von LGoony und Ignaz nur noch eine Frage der Zeit sei. Anstatt aber irgendetwas anzukündigen, veröffentlichen sie am späten Nachmittag einfach ein Video auf YouTube und das Album auf zippyshare (!). Ende. Ein paar Stunden Promophase—bestehend aus kurzen Studio-Videos, die mich unruhig im Stuhl rutschen lassen, ich aber doch nur die Ankündigung einer EP erwarte—und plötzlich ist einfach ein Album da. Well played. In Amerika schon seit Längerem ein normaler Move, hat sich das bei uns noch niemand so richtig getraut. Vor allem nicht, wenn vier Tage vorher bereits ein Album erschienen war. Die Entstehungsgeschichte lässt sich bei den Kollegen vom splash! mag nachlesen. Wer so schnell so ein Album und Video fertig macht (Gesamtzeit 8 Tage!), zeigt allen Realkeepern und Freestylern auch noch auf sehr höfliche Weise den Mittelfinger. Da können sie noch so viel cyphern und battlen—zu behaupten, diese neuen Kids wären durch ihre geringere Identifikation mit den „Roots“ weniger kreativ oder „HipHop“, ist lächerlich. Außerdem ist Do-It-Yourself (wie man das unter Punkern nennt) mit Laptop und Fruity Loops viel einfacher, günstiger und verfügbarer geworden, als es mit Schallplatten und MPC der Fall war. Und geht es nicht im HipHop darum, sich mit den einfachsten, geringen Mitteln eine Stimme zu verleihen? Eben. Also Klappe halten.

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Leider war sonst im Internet viel Scheiße los (wie immer eigentlich). Frage: Was ist ekliger: Kollegah, der sich als gönnerhafter, afrikanische Kinder rettender Oberdon inszeniert, weil er mit ihnen Fußball spielt oder die Tatsache, dass bei den angeblich fünf beliebtesten Fler-Videos von Rapupdate nicht ein einziges seiner raren Interviews dabei war? Beides ist ähnlich absurd. Kollegahs Selbstbeweihräucherung als bosshafter Gönner, der einen streng bescheidenen Islam lebt, passt nicht so richtig zu seinem notwendigen Deutschrap-Image. Nun hat sich bei ihm scheinbar eine Art Zyklus eingestellt: Abwechselnd macht er „Du bist Boss“-Songs, spricht von Spenden und sagt, er werde sich kein teures Auto kaufen, solange es Menschen gibt, die hungern. Und danach ist dann wieder ein kompromissloses Prollalbum dran, um seine alten Fans bei Laune zu halten. Geht ökonomisch super auf, ist aber ganz schön heuchlerisch, und noch dazu: musikalisch inzwischen weit über seinem Zenit und sterbenslangweilig.

Dass es auch anders geht, beweist Harry Quintana. Du kennst ihn vielleicht von seinem „Sosa“-Feature von LGoonys Grape Tape. Wann von ihm das nächste Release zu erwarten ist, und ob er je über ein Internet-Nischendasein hinauskommen wird, steht in den Sternen. Sein neuer Freetrack „Pura Vida“ handelt zwar vom Haschischkonsum—was mich eigentlich fast immer nervt. Hier aber nicht, da es gleichzeitig auch sehr empfehlenswerter Fly Shit ist. Ich hoffe, er fängt gerade erst so richtig an. Höre dir auch seine El Camino EP an. Da versauert etwas bei unter 2000 Facebook-Likes, dabei hat der viel mehr verdient.

Auf seiner letzten EP sagte genau dieser Harry Q. noch: „Auf deinem Album ist Motrip, mehr braucht man nicht zu wissen“. Ich muss ihm ausnahmsweise widersprechen. Denn es ist da: Leben 2 von Azad. Und es ist gut. Die Aufregung um all die anderen Releases war so groß, dass ich das Album erst eine Woche nach Release gehört habe, was mich selbst ein bisschen schockiert. Verschiedene Medien reden es nun in ihren Reviews zu „Deutschraps Detox“ hoch, was bei gerade mal fünf Jahren Wartezeit Quatsch ist, vor allem, weil es ja wirklich erschienen ist. Was spannender ist: Wie macht sich Azad nach all der Zeit, vor allem, wenn sich das Game/der Markt in dieser Zeit derart verändert hat? Gibt es Trap-Einflüsse, was ist mit Rapupdate, wird es stundenlange Interviews geben, wie kam der Kontakt zustande, wird es ein Feature geben!? Die Antwort lautet wohl: Nein. Azad hat ein richtiges Azad-Album gemacht, das keinen Trend mitmacht, aber trotzdem nicht altbacken klingt. Ich war nie sein größter Fan, aber das ist ein wirklich gutes Album. Bei all dem mittelmäßigen Straßenrap, der das Internet überflutet, hatte man fast vergessen, dass es neben denen, die sich da raushalten und lieber Swagrap machen, und denen, die das viel besser machen und dadurch hervorstechen, auch noch Azad gibt. Man könnte sagen: Zum Glück. Denn auf den können sich vielleicht mal wieder fast alle einigen.

… Bevor die Realkeeper sich dann wieder von den Autotunekids vor den Karren gepisst fühlen.

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