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Interviews

Seekae würden immer das Risiko wählen

Seekae haben eines der besten Alben des Jahres veröffentlicht und damit zum einen von Hype um australische Musik profitiert und ihn zum anderen mit befeuert.

Dem einen oder anderen wird es aufgefallen sein—in unserer Liste des besten Alben 2014 steht hinter den Deutschrap-Größen Haftbefehl und Karate Andi auf Platz drei eine Band, die hierzulande bisher eher unbekannt war: Seekae. Die drei Australier machen schon eine ganze Weile zusammen Musik, haben es aber bisher kaum über den Status eines Geheimtipps hinaus geschafft. Das dürfte ihr 2014er Album „The Worry“ geändert haben. Zum einen, weil es bei dem momentan unglaublich gehypten Label Future Classic erschienen ist, zum anderen, weil sich Seekae mit ihrem dritten Album vom reinen Instrumental-Act zu einer Band mit herausragendem Gesang gewandelt haben—und damit ihr Spektrum extrem erweiterten.

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Die Geschichte dieser Band beginnt je nach Definition in der Grundschulzeit von George und Alex oder kurz nach dem Highschool-Abschluss—oder sagen wir: Der Samen der Band wurde in der Grundschulzeit gepflanzt, eine Pflanze sprießte dann erst nach der Schule. „Wir kommen alle aus Sydney. Ich kannte Alex aus der Highschool, und George und Alex kannten sich aus der Grundschule“, erzählt John. „Ich schätze, es war ein ziemlicher Zufall, dass wir kurz nach dem Highschool-Abschluss alle aufeinandertrafen und feststellten, dass wir sehr ähnliche Musik hörten—die kaum jemand aus unserem Freundeskreis hörte.“

Was war das für Musik?

John: „Ich würde sagen, viel von dem, was bei Warp erschien. Weniger ein bestimmter Künstler, eher diese Musikrichtung.“

Und so gründete sich nach und nach aus drei Jungs, die sich aus der Vergangenheit kannten und einen ähnlichen Musikgeschmack hatten, eine Band. George besaß einen Akai MPC, John einen MicroKorg und Alex hatte einen Sampler—fertig war das erste Setup.

Heute lebt John in London, während Alex und George in Sydney geblieben sind. Ich frage, ob es sich eventuell sogar positiv auf das Bangefüge auswirkt, dass die drei inzwischen eine Fernbeziehung führen. „Ja, vielleicht“, antwortet Sänger Alex. „Als wir alle drei noch in Sydney gelebt haben, verbrachten wir sehr viel Zeit miteinander, aber eher gesellschaftlich, durch den Freundeskreis und so weiter, nicht, um Musik zu machen. Die Inspiration zu unserer Musik kam komplett aus diesem gemeinsamen Zentrum. Heute gibt es viel mehr Einflüsse, viel mehr Inspiration, was auch dazu führt, dass unsere Musik sich viel schneller verändern kann, daher ist The Worry auch so komplett anders geworden.“

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Dabei hat sich der Produktionsprozess seit Johns Umzug kaum verändert, die Band hat nie wochenlang zusammen in einem Proberaum abgehangen und Songs geschrieben. „Den Hauptteil unserer Musik schreiben wir nicht zusammen, aber es gibt die Momente, wo wir alle in einen Raum sitzen und gemeinsam an unserer Musik arbeiten“, sagt George. Normalerweise ist es so, dass jeder der drei zuhause allein an Songskizzen arbeitet, der Rest geschieht hauptsächlich über Email.

Da liegt die Frage nahe, wozu die drei sich überhaupt brauchen? Man könnte ja auch solo durchstarten. „Das ist eine verdammt gute Frage“, lacht John, aber wird dann sofort ernst. „Die Band ist der Grund für alles, sie ist die Plattform und gibt uns die Möglichkeit uns auszudrücken.“ Und Alex pflichtet ihm zu: „Wir haben uns schon immer gegenseitig getrieben, auch wenn uns unterschiedliche Dinge inspirieren, ist die Band, ist das Gemeinsame immer die Antriebskraft hinter unserer Musik.“

Und es gibt ja auch immer noch die Konzerte, bei denen die drei Musiker dann spätestens zu einer Band werden, die gemeinsam musiziert. „Wir lieben es, unsere am Computer entstandenen Lieder in eine Live Performance zu verarbeiten“, erklärt George. „Es kann schwierig sein, aber ich denke das ist heilige Gral für elektronische Musiker—Songs zu machen, die gut klingen und die man live spielen kann.“

Auch Alex schwärmt von den Liveshows: „Das Risiko macht live zu spielen so interessant—sogar wenn du was verkackst, macht es das wett, denn wenn du mal einen dieser Momente hast, in denen alles auf der Bühne klappt, ist es etwas sehr Besonderes. Der Grund, warum Leute zu einem Live Konzert kommen, ist nicht Perfektion. Der Grund ist, dass es lebendig ist, dass die Musiker in Echtzeit etwas spielen. Auch dass sie Fehler machen, Stile verändern, Songs anders spielen. Und das ist letztlich die Antwort auf deine Frage von vorhin: Deshalb sind wir eine Band.“

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Zwei Alben haben Seekae zwischen 2008 und 2011 veröffentlicht, mit dem ersten, The Sound of Trees Falling on People, ernteten sie erste Anerkennung in ihrer australischen Heimat, das zweite, +Dome, brachte dann die ersten Fans in Übersee. Doch beide Alben waren rein instrumental, vertrackte Downtempo-Electronica-Musik. Sehr elaboriert, aber nicht massentauglich. Auf dem dritten Album, The Worry, das diesen September erschienen ist, gibt es eine massive Veränderung, quasi einen Bruch in der eigenen Diskographie: Alex Cameron mutierte zum Sänger. Woher kommt diese Veränderung? Wollten Seekae ein anderes Publikum ansprechen? „Wir haben mit 17, 18 Jahren angefangen, gemeinsam Musik zu machen. In dieser Zeit, von 18 bis 26 verändert sich so viel, du veränderst dich so stark, und das spiegelt sich in unserer Musik wider“, erklärt Alex. „Zum jetzigen Zeitpunkt würde es mich nicht befriedigen, ein Downtempo-Electronica-Album zu machen. Vielleicht irgendwann in der Zukunft, aber für mich war das auf Dauer nicht genug. Ich würde immer das Risiko gehen, einfach weil Risiko Entwicklung bedeutet und auch Wachstum.“

Auch für die anderen Bandmitglieder war die Entwicklung von instrumental zu Gesang ganz natürlich, wie John sagt: „Auf eine Art war das für uns bemerkenswert unbemerkenswert. Nicht weil es langweilig war, sondern weil es passierte und sich natürlich anfühlte. Ich kann mich nicht an eine bestimmten Tag erinnern, an dem Alex anfing, zu unserer Musik zu singen. Es funktioniert und deshalb ist es gut.“

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Und George stimmt ihm zu: „Wir waren nie Teil einer Szene oder einer musikalischen Richtung, daher hatten wir auch nicht die Verpflichtung unserem Sound oder der Szene gegenüber treu zu bleiben. Dadurch, dass wir so weit vom Rest der Welt entfernt sind und keine Verbindung zu irgendeinem Style haben, können wir uns stetig verändern. Wir sind die Loser, die ganz am Rand stehen und zu gucken.“

Apropos am Rand stehen—wie fühlt sich der Boom der australischen Musik von innen an? Seit Flume und Chet Faker ist australische Musik überall, Future Classic ist eines der beliebtesten Labels überhaupt und Seekae haben ausgerechnet dort kurz vor The Worry einen Vertrag unterschrieben.

„Es ist äußerst bemerkenswert, was da gerade passiert, vor allem um Future Classic herum. Ich kann das gar nicht erklären. Als wir anfingen, war es ein Fluch, in Australien zu leben und Musik zu machen, niemand war an uns interessiert, niemand wollte über uns schreiben“, sagt Alex.

Es ist so arschweit weg.

„Ja, genau, haha, es war unmöglich von so weit weg, die Welt zu beeinflussen. Und plötzlich hast du einen Moment—der sich eine ganze Weile aufgebaut hat—und da war dieser Junge australisch Typ, der zum Posterboy dieser Musik wurde: Flume. Seine Musik war noch nicht mal total anders oder neu, aber die Leute liebten ihn. Und plötzlich gerieten auch wir in das Blickfeld von total vielen Leuten. Wir machen andere Musik, aber viele verbinden uns jetzt mit Chet Faker und Flume.“ George fällt ihm ins Wort: „Es ist etwas seltsam, denn da war schon immer so viel tolle Musik aus Australien und manche wurden in Australien sehr berühmt, aber kaum jemand bekam den verdienten Respekt außerhalb Australiens.

Alex stimmt zu: „Es fühlt sich gerade sehr gut an, Australier zu sein.“

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