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Interviews

„Blindes Facebookposten bringt auch nicht viel“—Ali As im Gespräch über die Flüchtlingsproblematik und was man jetzt tun kann

Viele Rapper positionieren sich ungern politisch. Dennoch denkt Ali As, dass Deutschrap einer Meinung ist—im Gegensatz zu anderen Genres.

Zumindest auf Twitter ist sich Ali As keines Kommentars zu schade, ist sein Account doch einer der unterhaltsamsten wie aktivsten im deutschen Rapgeschäft. Während er nicht nur in jüngster Zeit gerne mit großen und kleinen Medienphänomenen, Rap-, Gossip- und allgemeinen Peinlichkeitsthemen auf seine eigene 140-Zeichen-Art abrechnet, hat er sich gerade in der aktuellen Flüchtlingsdebatte eher bedeckt gehalten. Grund genug für uns, ihn ganz analog vors Diktiergerät zu zerren und dem Münchener mit pakistanischen Wurzeln zu diesem zentralen Thema ein paar Statements zu entlocken.

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Noisey: Wie hast du die aktuelle Flüchtlings-Debatte erlebt?
Ali As: Ich habe vor allem die aktuellen Meldungen zu den ankommenden Flüchtlingen mitbekommen. Ich bin vor ein paar Tagen mit dem Zug von Hamburg nach München gefahren und dachte eigentlich, dass die Situation am Hauptbahnhof noch turbulenter wäre. Es war dann aber tatsächlich überschaubar, da der größte Andrang offensichtlich erstmal vorbei war.

Für mich war dabei besonders positiv, dass dort, wo man zuhause ist, die Welt noch ein bisschen in Ordnung ist. Also dass man so positive Meldungen über München liest und dort nicht Brandsätze geworfen werden, sondern Flüchtlinge mit offenen Armen empfangen werden—auch wenn das natürlich etwas beschränkt gedacht ist.

Und wie hast du die Meldung über rassistisch Ausschreitungen wie etwa im deutschen Heidenau und Freital verfolgt?
Solche Ausschreitungen, sowie schon die ganze Pegida-Debatte, sind für mich vollkommen unverständlich, vor allem dass die beteiligten Menschen so viel Zeit, Energie und Gedanken in so etwas Negatives stecken. Da sieht man jetzt dieses Video, in dem ein Flüchtling eine Frau und ein Kind auf die Gleise gezerrt hat, wohl um einen Zug zu blockieren. Er wurde dann von der Polizei von den Gleisen geholt. Mitzubekommen, wie verzweifelt dieser Mann war, das hat schon was bei mir ausgelöst. Wie arg es ist, wenn man einfach alles verloren hat.

Umso unverständlicher ist es für mich, dass jemand tatsächlich denkt, es sei sinnvoll, gewaltsam dagegen anzugehen. Jeder Mensch hat ja eine Absicht oder ein Ziel, wieso er etwas macht. Was soll das verändern oder verbessern? Ich weiß auch gar nicht, ob diese Leute Interesse an einer Lösung haben. Da fehlt die Reflektion. Tarek von K.I.Z. hat auf dem neuen Album ja eine sehr treffende Line: „Denkt ihr die Flüchtlinge sind in Partyboote gestiegen, mit dem großen Traum im Park mit Drogen zu dealen?“ Was denken solche Leute denn?

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Sicherlich ist das eine Mischung aus Unreflektiertheit, einem starken „Die-und-Wir-Denken“ und daraus, dass die meisten den Gedanken überhaupt nicht zulassen, dass so etwas einem selbst passieren könnte. Andererseits gibt es einfach eine große Frustration.
Absolut. Dennoch kann ich es nicht nachvollziehen.

Ich war überrascht, dass Fremdenfeindlichkeit überhaupt noch so ein großes Thema in Deutschland ist. Hattest du eine ähnliche Erwartungshaltung an Deutschland?
Nein. Also ich weiß, dass es das einfach gibt und ich versuche, sowas einfach zu meiden. Ich gehe einfach nicht auf irgendwelche Volksfeste. Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen blöd, aber da wo ich bin, sind solche Leute gar nicht. Wenn ich mich an so einem Ort aufhalte, dann wäre das wohl mit Absicht so. Also zum Beispiel, dass ich mit Absicht ein Konzert in so einer Gegend spiele.

Wäre das eine Option für dich?
Wenn sich das ergibt und das auch Sinn macht, klar.

Deine Eltern stammen aus Pakistan, du bist in München aufgewachsen. Wie sind deine Erfahrungen mit Fremdenfeindlichkeit?
Klar, das war immer mal ein Thema, aber nie so ein riesengroßes. Als Kind wurde ich mal mit kleinen Steinen beworfen, von Leuten, die in einer Haxenbrauerei am Goetheplatz saßen. Da war ich fünf, sechs Jahre alt. Dann gab es nochmal ein paar besoffene Penner in der S-Bahn oder ein Junge im Kindergarten, der zu mir sagt, dass sein Vater fragt, warum wir nicht da hingehen, wo wir hergekommen sind. Den Typen habe ich Jahre später mit 17 auf dem Oktoberfest an mehreren Tischen mit Neonazis gesehen, die rechtsradikale Parolen gerufen haben. Aber im Grunde ist nie etwas Gravierendes vorgefallen, aber doch einiges, das nicht so geil war.

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Mit zum Beispiel einem komplett deutschen Background in einer offenen Stadt wie München vergisst man wahrscheinlich oft, dass es für Menschen mit Migrationshintergrund doch noch mehr Probleme gibt, als man zunächst denkt.
Ja, aber wenn ich aufs Land rausfahre, ist das deutlich schlimmer. Da gibt es öfter komische Szenen an Tankstellen und so. Es ist für mich kein großes Thema, aber es ist eben immer schwelend. Wenn dich zum Beispiel ein Kontrolleur in der Bahn abfuckt oder andere Instanzen, kannst du nie ganz ausschließen, dass du an jemanden geraten bist, der einfach keinen Bock auf Kanacken hat und deswegen einfach scheiße zu dir ist. Das sind Sachen, die Deutsche oft nicht ganz nachvollziehen können. À la: „Das bildest du dir nur ein.“ Viele nehmen das etwas lapidar hin.

Verfolgst du den Umgang der deutschen Politik mit dem Thema?
Nein, ich bekomme nur mit, wie viele Flüchtlinge nun kommen und wie die Verteilung in der EU ist. Da trägt Deutschland schon den Löwenanteil. Aber ist ja auch klar, was soll ein Land, das sowieso nicht so gut aufgestellt ist, den Flüchtlingen bieten? Bei politischen Themen möchte ich mich auch nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Es gibt ja viele Rapper, die mit so etwas hausieren gehen, also mit irgendeiner Politikscheisse oder Religion oder was weiß ich. Da halte ich mich lieber raus und informiere mich im Stillen.

VICE: Wir haben die Politiker-Kommentare zur Asyldebatte nach Dummheit sortiert

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Auf Twitter hast du aber zumindest ein paar Sachen gepostet. Beispielsweise hast du zu einem kleinen Shitstorm gegen einen rechten Twitter-Account aufgerufen.
Da war ich komplett raus, das habe ich überhaupt nicht verstanden. Wenn man sich ein wenig reindiggt, ist man ganz schnell in einem Fascho-Darknet, wo es total absurd wird. Das fuckt mich auch ab, deswegen will ich mich damit gar nicht so sehr beschäftigen. Ich fokussiere mich lieber auf was anderes. Alles, was die machen, dient nicht der Verbesserung. Was soll sich denn verbessern, wenn die ein paar Häuser anzünden, wenn so arg Hass geschürt wird?

Da wird einfach Hass rausgelassen.
Aber sie kommen trotzdem mit windigen Argumenten an und versuchen eine Argumentationskette zu haben. Deswegen kann ich nur positive Impulse nehmen und mich darüber freuen und hoffen, dass damit mit gutem Beispiel voran gegangen wird. Grundsätzlich finde ich es cool, wenn sich Leute irgendwie engagieren. Blindes Facebookposten bringt nun mal auch nicht viel. Es sei denn, es sind Spendenaufrufe, Hilfegesuche für die Erstversorgung oder Benefizgeschichten. So kann noch am ehesten etwas erreicht werden.

Auf deinem Album Amnesia ist der Song „Deutscher/Ausländer“, der sich mit Vorurteilen auf beiden Seiten beschäftigt. Wie kam es zu so einem Song, wenn du sonst politische Themen eher meidest?
Das Ding ist, dass der Song schon vor sehr langer Zeit geschrieben wurde. Aber daran sieht man, dass das Thema nach über fünf Jahren immer noch aktuell ist. Du kannst natürlich ein paar Sachen austauschen, manche Skandale werden von anderen abgelöst. Deshalb habe ich ihn auch aufs Album gepackt.

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Nun gibt es auch in Deutschland neue Vorurteile: Im Osten sind alle Nazis.
Und das stört mich auch wieder. Ich habe viele Leute im Osten, die meine Mucke hören, die frei sind von diesem braunen Schmodder, die sind total cool und die fuckt das auch ab, dass bestimmte Gruppierungen Schindluder treiben.

Könnte man schlussendlich sagen, dein Fazit ist, dass man sich eher auf positive Dinge fokussieren sollte, statt sich an dem ganzen Hass hochzuziehen?
Da gibt es einfach kein Fazit. Das klingt doch auch lächerlich. „Hier sind doch die coolen Sachen“ und dann hast du dieses Bild von dem toten Jungen am Strand im Kopf. Das geht ja auch nicht. Wo man kann, wenn man will, sollte man anpacken und helfen. Und wer dagegen ist, sollte das auf einen anderen Weg ausdrücken, als gewaltsam dagegen anzugehen. Ich bin auch kein großes Sprachrohr, ich denke, da ist bei den Rappern in Deutschland die Meinung ohnehin einstimmig, was wiederum total cool ist. Das hättest du im Popsektor schon mal nicht oder gar im Rocksektor. Es gibt schließlich genügend Rechtsrocker. Und im Schlagerbereich brauchen wir gar nicht erst darüber sprechen.

Das ist doch zumindest auch ein positiver Gedanke.

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