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Interviews

Tomas Lindberg über die Rettung von Metal und darüber, Dinge aus vollem Herzen zu machen

Wir haben mit der schwedischen Death-Metal-Legende über Hingabe, Vielfalt und den Tod gesprochen.

Nach der Death-Metal-Explosion in Florida in den späten 80ern und frühen 90ern und bevor die New Wave of American Heavy Metal zu einem Shitcore-Gespött ihrer selbst wurde, gab es At The Gates. Die Vorväter des Göteborg-Sounds, von einigen zu den Rettern des Metals in einer für das Genre unbeständigen Zeit auserkoren, feierten 1993 mit dem Album Terminal Spirit Disease ihren Durchbruch. Die darauffolgende Tour hat die Maschine noch präziser gemacht und die Band zurück ins Studio gebracht, um das aufzunehmen, was Decibel als „das einflussreichste Death-Metal-Album des nachfolgenden Jahrzehnts“ nannte: Slaughter of the Soul von 1995.

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Das Album war das letzte, was die Band zusammen machen sollte, bis 2014 At War With Reality erschien. Auch wenn Sänger Tomas Lindberg in der Zeit nicht untätig und damit beschäftigt war, zahlreiche andere Projekte wie Disfear und Lock Up anzuführen, seine Bescheidenheit hat darunter nicht gelitten (tagsüber arbeitet er als Sozialkundelehrer), was deutlich zu merken war, als ich mit ihm über die neue Mini-Doku der Band und die anstehende Tour mit Decapitated und The Haunted gesprochen habe.

Noisey: Im Dezember erschien in Zusammenarbeit mit BangerTV eine Mini-Doku und nächsten Monat geht ihr auf Tour. In der Dokumentation hast du gesagt, dass ihr nicht eine dieser Bands sein wollt, die vier Touren zur selben Platte macht—heißt das also, dass dieses Jahr ein neues Album erscheint oder nehmt ihr noch den Schwung von At War With Reality mit?
Tomas Lindberg: Na ja, es war wirklich ein ziemlicher Schwung, wie du sagst, also wollen wir uns auf das konzentrieren, wo wir gerade sind. Ich denke, das ist ein guter Weg für eine Band, um zu überleben; nicht gleich den Druck zu spüren, eine neue Platte machen zu müssen. Wie du weißt, hat es 19 Jahre gedauert, bis wir mit der hier zurückgekommen sind. Und weil sie so gut ankam, nicht nur bei den Medien und den Verkaufszahlen, sondern auch bei den Fans auf den Shows, die die neuen Songs wirklich mögen, wollen wir diesen Moment einfach fühlen und hier sein und es genießen und dann über eine neue Platte nachdenken, wenn wir sozusagen den Flow verlieren. Wir haben bis Ende August Konzerte gebucht. Und wir werden sehen, was passiert, wenn wir an den Punkt kommen, an dem wir das Gefühl haben, dass wir genug mit dieser Platte getourt sind. Ob wir dann an eine neue Platte denken oder nicht und vielleicht vorher eine Pause machen, damit wir ausgeruht daran arbeiten können. Ich denke, das sind zumindest unsere Pläne—gerade schauen wir von Tag zu Tag. Im Moment freuen wir uns einfach total, in die Staaten zurückzukehren.

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Ich lebe in New York und mir ist aufgefallen, dass es auf der jetzigen Tour keine Konzerte in der Nähe gibt—plant ihr einen zweiten Teil?
Das ist tatsächlich der zweite Teil, den wir lange Zeit geplant haben, es hat nur eine Weile gedauert, ein Paket zusammenzustellen, das wir wirklich haben wollten. Der erste Teil war die Decibel-Tour, die letzten März und April stattfand—im Prinzip kannst du das als die Fortsetzung dieser Tour im Süden sehen. Wir wollen wirklich dort spielen, wo wir beim letzten Mal nicht waren. Ich weiß natürlich, dass die USA ein sehr großes Land sind und einige Leute immer noch sagen, dass wir nicht in ihre Städte kommen, aber für eine europäische Band ist es nicht mehr so einfach, in Amerika zu touren, wie es das mal war. Wir sind glücklich, dass wir diese Touren mit so einem großartigen Paket zusammenstellen konnten.

Du warst zwar bekanntlich weiterhin sehr aktiv in der Metalszene, nachdem At The Gates sich aufgelöst haben, aber jetzt spielst du mit dieser Band vor Leuten, die noch nicht einmal auf der Welt waren, als eure erste Platte rauskam. Was ist der größte Unterschied, den du beim Publikum auf euren Konzerten wahrnimmst?
Es gibt tatsächlich viele Unterschiede—Alter, Geschlecht und auch Musikstile. Es sind mehr Hardcore-Kids auf den Shows, es gibt mehr Frauen, es gibt mehr junge Leute—wir haben eine gute Mischung. Wir haben die alten Metalheads, die Typen. Wir versuchen auch, ein Paket zusammenzustellen, das etwas unterschiedliche Leute anspricht, damit wir für unsere alten Fans und unsere neuen Fans spielen können und auch die Supportbands vor anderem Publikum spielen können, als sie es normalerweise tun. Ich denke, dass die extreme Musikszene insgesamt aufgeschlossener für vielseitigere Klänge geworden ist; es gibt allgemein eine größere Akzeptanz für Musikstile. Früher warst du entweder Metaller oder Punk, aber heutzutage ist das egal.

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Ja, es scheint, als wäre es insgesamt vielseitiger—nicht bloß ein Haufen weißer Typen!
Ja! Es herrscht eine andere Atmosphäre auf den Shows, das stimmt. Du kannst das definitiv fühlen—es gibt viel mehr unterschiedliche Emotionen im Raum. In den 90ern war es nur Aggression und Testosteron. Ich habe das Gefühl, dass du mittlerweile bei jeder Show in gewisser Weise mit jedem Song die Stimmung im Raum beeinflusst. Es ist viel bereichernder, aber es ist auch eine größere Herausforderung, die verschiedenen Arten von Leuten, die zu den Shows kommen, zu befriedigen. Es ist auf jeden Fall eine tolle Sache.

In der neuen Dokumentation sprichst du darüber, dass die Texte auf Slaughter of the Soul von einem 20-Jährigen stammten, der versucht hat, die Welt zu ergründen. Viele der Texte auf At War with Reality lesen sich wie Poesie—schreibst du immer noch aus einer existentialistischen Perspektive oder schaust du außerhalb nach Inspiration?
Es ist textlich gesehen immer noch die gleiche Idee, die uns antreibt, aber es ist geerdeter. Wir sind älter, nicht mehr so sehr „Suchende“, es basiert mehr auf Theorie und vielleicht auch Literatur. Wir versuchen immer, in gewisser Weise mit den gleichen Farben zu malen, weil die Leute immer noch fühlen sollen, dass es dieselbe Band ist. Ich denke, es ist so viel Emotion in unserer Musik, also müssen die Texte das abbilden—es gibt Verzweiflung, es gibt Hoffnung, vielleicht sogar Verbitterung. Es gibt all die verschiedenen Emotionen, die ich rüberbringen will, aber das Album ist eher ein Konzeptalbum, das auf Literatur basiert. Ich will es nicht „schlauer“ nennen, aber vielleicht „intellektueller“ als zuvor, als es vielleicht wütender war.

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Wo wir schon von Emotionen reden, wie fühlte es sich an, Mitte der 90er, zu einer Zeit als es einen Niedergang gab, als „die Band, die extremen Metal gerettet hat“ bezeichnet zu werden? Das scheint ziemlich viel Druck zu sein.
Ja, wenn du die Art Person oder Band bist, die über sich selbst in der dritten Person denkt, dann ist das vielleicht ein Problem. Wenn du etwas demütiger bist und weißt, wer du bist, dann ist das, denke ich, nicht so ein großes Problem. Ich sehe mich immer noch mehr als Musikfan denn als Musiker. Ich denke, ich habe eine ziemlich gute Ahnung, was unsere Stellung in der extremen Musikszene betrifft, aber es gibt so viele andere Bands, von denen ich das Gefühl habe, dass sie diese Anerkennung mehr verdienen als wir. Ich bin einfach froh, dass wir immer noch spielen können und dass es immer noch Interesse gibt und dass wir wir selbst sein und die Musik schreiben können, die wir wollen, ohne uns nach irgendeiner Plattenfirma richten zu müssen. Wir sind wirklich glücklich in dieser Position und auf diesem Weg haben wir diesem Ruf standgehalten. Aber du musst versuchen, dir das nicht zu Kopf steigen zu lassen.

Bescheidenheit scheint unter den Schweden, die ich interviewt habe, sehr verbreitet zu sein—ist das eine kulturelle Herangehensweise an euer Leben und den Ruhm?
Definitiv, Definitiv! Angeberei ist nicht sehr schwedisch. Es ist auch so, dass wir Schweden wirklich das sagen, was wir denken, weißt du. Egal, ob es um die Projekte anderer Leute oder Musik oder was auch immer geht. Es ist so unamerikanisch. Dort müssen wir fragen: „Was denkt ihr wirklich über die neue Platte?!“

Also, was denkst du wirklich über Metal heutzutage?
Ich würde sagen, dass bei extremer Musik generell mittlerweile so viele Subgenres existieren und es schwer zu sagen ist: Ist das jetzt Metal? Ist das jetzt Hardcore? Ich würde fast sagen, dass es besser ist als jemals zuvor, aufgrund des Internets und neuen Aufnahmetechniken. Bands, Künstler—sie haben es einfacher, ihr Zeug zu verbreiten, was dazu führt, dass sie nicht von Labels abhängig sind oder davon, was die Medien denken. Es gibt mehr Raum, man selbst zu sein, und nicht den Sound polieren zu müssen, um einen Plattendeal zu bekommen. Dadurch gibt es mehr Vielfalt und extremeres Zeug. Ich denke, es hören heute mehr Leute extreme Musik als je zuvor. Diese große Vielfalt macht es interessant, damit es nicht stagniert.

Vor dem Hintergrund des großen Wirbels durch die Tode von Legenden wie Lemmy und David Bowie, die noch immer in der Musikwelt nachhallen: Hat das beeinflusst, wie ihr in Zukunft an die Band herangehen wollt? Gibt es ein bestimmtes Erbe, das ihr zukünftigen Generationen hinterlassen wollt?
Die Sachen, die ich bereits gemacht habe und das Glück hatte, machen zu können, sind in gewisser Weise genug—ich bin so glücklich mit all den Sachen, die ich machen konnte. Aber wenn du hörst, dass solche Legenden sterben, dann stärkt das wirklich den Glauben, dass du alles tun musst, was du kannst, und jetzt leben, es wirklich genießen. Nicht Nein zu Sachen sagen, keine Angst vor Druck haben. Sieh dir David Bowie an—er war ewig aktiv, in verschiedenen Phasen, und er hatte immer diese künstlerische Integrität. Ich denke, das ist auch die wichtigste Sache, diese Integrität bei allem zu haben, was du machst. Tu es aus vollem Herzen—wenn du das machst und es immer versuchst, dann ist das, denke ich, ein guter Anfang.

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