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Roboter schützt vor Assads Scharfschützen

Fast jede Straße in Syrien ist ein Jagdrevier für Scharfschützen. Welche Straßen von Assads Gangstern besetzt wurden, wird meist erst dann bekannt, wenn jemand zufällig falsch abbiegt und erschossen wird. Ein schrecklicher Nebeneffekt der Gassen ist die Tatsache, dass die Schützen die unschuldigen Zivilisten, die sie gerade angeschossen haben, einfach auf der Straße liegen lassen. Manchmal versuchen Andere, sie aus der Schusslinie zu ziehen und werden dabei oft selbst zur Zielscheibe.

Ahmed Heider, ein Programmierer aus Aleppo, wurde immer wieder mit solchen Szenarien konfrontiert und wollte dem Ganzen ein Ende setzen. Die letzten zwei Monate verbrachte er also damit, in dem winzigen Hotelzimmer in der Türkei, in dem er als Flüchtling lebt, an einer Lösung für das Problem zu arbeiten: die neue Liebe seines Lebens ist deshalb Tena, ein ferngesteuerter Roboter, der verwundete Zivilisten aus der Schusslinie ziehen und sie so in Sicherheit bringen kann.

Ahmed gibt seinen besten Arbeiten prinzipiell Frauennamen—Computerviren zum Beispiel bekommen die Namen von Exfreundinnen. Und Tena ist da keine Ausnahme. Der Roboter ist nach einer finnischen Frau benannt, neben der Ahmad einmal in einem Flug von den Vereinigten Arabischen Emiraten nach Damaskus saß. Im Gegensatz zu den Namensgeberinnen für seine Computerviren, hat Tena es nicht geschafft, Ahmads Herz während ihrer kurzen Affäre in der Luft zu brechen. Der Name ist also durchaus passend für einen Roboter, der Leben rettet. „Sie ist eine Art Roboterkrankenschwester“, sagt er.

Bild: Ahmed Heider



Die Miniaturversion, die Ahmed gebaut hat, sieht zwar noch mehr nach Spielzeug aus, aber sie ist momentan auch nur dazu da, die Software für die Fernsteuerung zu testen. „Die Größe ist unerheblich, die Software funktioniert“, erklärt er.

Die 15.000 Dollar, die er für die große Version braucht, versucht er momentan durch Crowd-Funding aufzutreiben. Sobald er das Geld hat, sollte Tena schon in zwei Monaten fertig sein. Für das große Modell wird er Bulldozer-Teile benutzen, mit Titanium für zusätzlichen Schutz und einer Fernbediehnung. Ahmed betont, wie beweglich und effizient der Roboter sein wird und fragt: „Wenn ich ‘Bulldozer’ sage, klingt das nicht zu sehr nach ‘Panzer’? Es ist aber kein Panzer.“

Ahmed möchte, dass Tenas Roboterarme die verwundeten Personen hoch- und in den Bulldozer-Körper hineinheben werden. Dort wird eine kleine Krankenstation sein, in der die Verletzten behandelt werden können während sie in Sicherheit gebracht werden.

Ahmeds Computerkenntnisse haben viel Einfluss auf seine Wahrnehmung des syrischen Bürgerkriegs genommen. Er studierte Informatik und wurde dann Dozent an einem Privatinstitut in Katar, war also immer von Konflikten umgeben. 2011, kurz nach dem Beginn der Kämpfe in Syrien, brachte die Syrian Electronic Army (SEA) Ahmed in ihren Stützpunkt und bat ihn, bei ihrem Militäreinsatz mitzumachen. Er sagte ab und versteckte sich innerhalb Syriens.

Von dort aus gründete er die Hacker-Gruppe „Pirates of Aleppo“. Die Piraten arbeiten mit einigen anderen Gruppen zusammen und verbringen den Großteil ihrer Zeit damit, Regierungsseiten zu hacken. Laut Ahmed haben sie sich auch einmal ins syrische Staatsfernsehen gehackt und al-Assads Rücktritt „zum Wohle seines Volkes“ angekündigt.

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Syrische Aktivisten versuchen, ein Opfer einer Sniper-Attacken zu retten.

Das Hauptziel der Gruppe ist aber unneigennützig: Wenn Aktivisten von Assads Truppen verhaften werden, hacken sie deren Facebook-Profile, löschen alle Hinweise auf ihr politisches Engagement und laden stattdessen Hardcore-Pornos hoch. Lachend erklärt Ahmed, dass die Pornos zur Ablenkung gedacht sind, um „die Ermittler wenigstens eine Stunde lang beschäftigt zu halten.“

Nicht nur die SEA wollten Ahmeds Fähigkeiten für ihre Zwecke nutzen. Viele der anderen Gruppen, die Bashir al-Assad treu sind, wollten jemanden mit gutem Technikverständnis auf ihrer Seite haben. Ahmed hat immer abgelehnt, was ultimativ sein eigenes Leben in Gefahr brachte, und das nur, weil er seine Fähigkeiten für hilfreiche Lösungen der Probleme in Syrien einsetzen wollte.

Diese Einstellung ist sowohl für ihn als auch seine Familie gefährlich. Im September, als sich die Kämpfe um die Kontrolle der Stadt verschärften, verließ Ahmed Aleppo und endete als Flüchtling in der Türkei. Als er ging, nahm er nur einen Koffer voll mit Anzügen mit. Er sagte mir: „Es war Sommer und ich hatte keine Zeit, meine Wintersachen einzupacken. Meine Anzüge und mein Pass waren schon im Koffer.“ Fast fünf Monate lang trug Ahmed nichts anderes als diese Anzüge. Er war der bestangezogenste Flüchtling in der Region.


Das Tena-Design, mit den Roboterarmen, die Opfer von Scharfschützenattacken in Sicherheit bringen sollen.

Ahmed hat es vor kurzem geschafft, auch seine Familie zu sich in die Türkei zu holen. Sie brachten ihm neue Klamotten mit und ein Erleichterungsgefühl, dass man ihm ansieht, sobald er von ihnen spricht.

Jetzt wo seine Familie in Sicherheit ist, konzentriert Ahmad sich auf den Tena-Prototypen, der so schnell wie möglich eingesetzt werden und so zeigen soll, dass sie ihren Zweck erfüllt. Ahmed hofft, dass Hilfsorganisationen dann die Nützlichkeit des Roboters erkennen und Tena in größeren Mengen produzieren werden.

Ahmeds Glauben an die Sache ist spürbar. Er möchte die Türkei und Syrien hinter sich lassen und ein neues Leben aufbauen, aber erst muss er Tena fertig stellen. Eine Hilfsorganisation hat sogar schon angekündigt, eventuell mehr Roboter zu bauen, sobald sie den Prototypen im Gefecht gesehen haben. Das Einzige, was also noch in Ahmeds Weg steht, sind die 15.000 Dollar für den Bau der ersten lebensgroßen Tena.

Aber Ahmed ist optimistisch. Und nach Tena? Sein Traum ist es, nach Kanada zu ziehen. „Dort will ich mit meiner Traumfrau leben, also wünsch’ mir Glück!“