Rother Krebs vs. roter Stuhl: XXXLutz zwischen Hochwasserhilfe und Heuchelei

Wer Linz auch abseits von Hitler und Bushido kennt, der weiß, dass die Stadt zwar mittlerweile reich mit wertvollen Kultureinrichtungen, aber gleichzeitig kaum mit Fortgeh-Kultur gesegnet ist. Während Linz im Jahr 2009 von der oberösterreichischen Landes- zur europäischen Kulturhauptstadt wurde und die Fördergelder damit die Vorzeigekulissen aus dem Boden sprießen ließen, ging es der Politik und der Stadtverwaltung immer noch am Arsch vorbei, wie die Jungen ihre Abende verbrachten und ob sie sich eher mit Messerstechereien, Schlägereien oder doch einfach nur 1-Euro-Tequila ins Eigen-KO versetzten. Lange Zeit gab es deshalb nur einen Ort, wo alle Schichten und Lifestyle-Bereiche der Hacklerstadt abends zusammen strömten, um aneinander vorbei zu feiern: Die Altstadt mit ihrem ATV-Ambiente.

Auf der anderen Seite der Donau (schön im Abseits gelegen) gibt es zwar seit Ewigkeiten das Strom, aber ab einem gewissen Pegel (den man in Linz abends einfach notgedrungen hat) ist zwischen einer Reise nach Urfahr und einer nach Mordor nur noch ein gradueller Unterschied. Echte Alternativen, die der Kleinkaffkultur den Rang ablaufen hätten können, gab es im Epizentrum des städtischen Scherben-Spaßes aber nicht. Bis irgendwann das Grand Hotel Café zum Rothen Krebsen kam.

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Wie der Name und die Website schon nahelegen, nahm sich der Rothe Krebs selber nie ganz ernst und wurde gerade deshalb von einem gewissen Teil der jungen Linzer erst recht ernstgenommen: nämlich von denen, die sich überall sonst im Linzer Nachtleben nicht wirklich repräsentiert fühlten. Egal, ob Kunst-Events wie das Nachtspiel oder einfach nur diesiges Bürschtln im Halbdunkel, der Krebs hat jeden Halbhipster schon einmal in den Zeh gezwickt und dabei einen bleibenden Abdruck hinterlassen.

Dann kam das Hochwasser und mit ihm so große Mengen an Wasser, Schlick und Schlamm, dass der Rothe Krebs vorerst seine Tore (die eigentlich stickerbeklebte Glastüren sind) schließen musste. Jetzt soll daraus ein Dauerzustand werden. Denn der Eigentümer des Hauses, die LSW-Stiftung, will dem Krebs den Mietvertrag wegen der Unsanierbarkeit der Einrichtungen vorzeitig kündigen. Die Lokalbetreiber sehen darin nicht nur einen Vorwand, sondern vor allem auch Heuchelei. Denn die LSW-Stiftung gehört dem österreichischen Familienbetrieb XXXLutz, der auf seiner Website ironischerweise ausgerechnet Hochwasseropfern mit einer Rabattaktion helfen will.


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Seit einigen Stunden rollt nun eine Welle aus der Gegenrichtung auf den Rothen Krebs zu: Auf den Schlamm folgt der Shitstorm, die SOS-Facebook-Seite steht bei der Hochwassermarke von knapp 1000 Likes. Wir haben uns mit Hannes Langeder vom Rothen Krebs unterhalten.

VICE: Wie schwer wurde das Grand Café zum Rothen Krebs vom Hochwasser mitgenommen?
Hannes Langeder: Die Räumlichkeiten im EG wurden ca. 1,3 Meter überflutet. Leider war auch sehr viel Schlamm zu entfernen—da wir aber nie so anspruchsvoll waren, wäre die sache schnell behoben.

Wie habt ihr von dem drohenden Rauswurf erfahren?
Das ist über einen Brief eines Anwaltsbüros aus Wels gekommen, die neben der LSW-Stiftung auch die Hausverwaltungs-Gesmbh Steyr vertritt. Die LSW-Stiftung gehört der Firma XXXLutz. Davor hat uns die Hausverwaltung noch ein einvernehmliches Verhältnis bezüglich Abwicklung der Sanierung vorgegaukelt, da hat man natürlich noch kein Wort von dem Rauswurf erwähnt.

Wie war vor dem Bescheid euer Verhältnis zu eurem Vermieter? War es auch davor bereits angespannt oder seid ihr gut miteinander ausgekommen?
Das war auch schon vorher angespannt. Allerdings war das genau genommen das Verhältnis zur Hausverwaltung, nicht zum eigentlichen Besitzer. Die Hausverwaltung hat uns jahrelang immer wieder die Betriebskosten falsch abgerechnet, wir sind dann zum Mieterschutz gegangen, um das nachprüfen zu lassen—seither ist das Verhältnis schlecht. Die Fehlkosten haben manchmal mehrere Tausend Euro betragen, mir wurde auch die Wohnung im Haus nicht verlängert mit der direkten Ansage, dass einer, der zum Mieterschutz geht, die Wohnung nicht verlängert bekommt. Wir wollten eigentlich auch mal mit dem Besitzer sprechen, das hat aber die Hausverwaltung immer bestens zu verhindern gewusst.

Was soll mit dem Haus passieren, wenn es nicht saniert wird? Wisst ihr etwas von weiteren Plänen?
Wir haben gehört, dass unser Lokal durch gehobene Gastronomie ersetzt werden soll. Obwohl wir ja schon gehobene Gastronomie sind, haha.

Was ist eurer Meinung nach der wahre Grund für den Rauswurf?
Unser Mietvertrag läuft noch bis Oktober 2015, da wollen sie jetzt nichts mehr investieren, wir sind ganz einfach zu schade dafür. Wir hätten aber auch angeboten, dass sie gegen eine Mietverringerung nicht alles sanieren müssten, sondern nur das Notwendigste. Darauf ist man aber nicht eingegangen. Außerdem hätten wir auch vorgeschlagen, bei einer längerfristigen Perspektive hoch zu investieren, was ihnen aber auch nicht recht war.

Kann es nicht aus pragmatischer Sicht tatsächlich damit zu tun haben, dass das Haus zu alt und nicht mehr sanierungsfähig ist?
Man muss bedenken, dass es bei der ganzen Sache nie um das gesamte Haus geht, sondern immer nur um unsere Räumlichkeiten. Seltsamerweise ist das Foyer neben unserem Lokal sofort repariert worden und auch die Schaltkästen vom ganzen Haus wurden sofort repariert, nur unsere eben nicht. Würde man die Schaltkästen in unseren räumlichkeiten erneuern und die WC-Türen wieder einbauen, könnten wir sofort wieder starten.

Ihr glaubt also, es geht mit der angedrohten Schließung gegen eure Einrichtung im Besonderen?
Es ist auf jeden Fall auch das Ostbahn nebenan betroffen, die hätten aber einen unbefristeten Mietvertrag.

Der Rothe Krebs war ein Ausdruck alternativer Linzer Jugendkultur. Abgesehen vielleicht vom Lokal Strom gibt es sonst keine echten Alternativen für Leute, die nicht den billigsten Long Island Ice Tea mit Tequila on the side saufen wollen. Was macht Linz jetzt ohne euch?
Keien Ahnung, das muss man die anderen fragen. Aber wie wir aus unserer Erfahrung sagen können, ist es sehr, sehr schwer, hier eine echte Alternative durchzusetzen. Wir haben es ja auch nur ansatzweise geschafft, unsere vorstellungen zu verwirklichen, da wir ja immer schlechtestens subventioniert wurden und unser Lokal von den Fördergebern nicht getragen werden konnte.

Gibt es in Linz vielleicht einfach keinen Platz für alles, was außerhalb von Großraumdiskos wie dem Empire oder dem A1 liegt?
Leider kann man nicht wirklich behaupten, dass die Entscheidungsträger der Stadt Linz im Bereich Kultur wüssten, welche Bedeutung eine Organisation wie die unsere für eine gesunde Entwicklung von jungen Menschen hat. So ist es einfach ungemein schwer, einen solchen Platz für Kultur und Austausch am Rande der Altstadt zu initiieren.

Wie steht ihr generell zu Linz als Kulturort?
Manchmal ist es zu klein, dafür ist es aber überschaubar—und die Natur ist zum Glück nicht allzuweit entfernt.

Der Zorn im Sozialen Netz richtet sich jetzt vor allem gegen XXXLutz. Ist das die richtige Adresse für die Proteste?
XXXLutz betreibt eine Stiftung, die LSW-Stiftung, die auch unser Haus besitzt. XXXLutz betreibt gezielt Werbung damit, Hochwasseropfern zu helfen und klagt uns quasi aus dem Haus. Da frag ich mich schon, warum sie uns eigentlich kaputt machen wollen. Ich frage mich überhaupt, wie man nur auf die Idee kommen kann, Hochwasseropfern den Garaus zu machen. Solche Aktionen kommen normalerweise eher nur in Kriegsgebieten vor.

Linz war über die Landesgrenzen hinaus zuletzt wegen Bushidos Gefängnisaufenthalt in den Schlagzeilen. Damals bezeichnete der Spiegel Linz als „der Arsch der Welt“ und die „Ghetto-Stadt Österreichs“. Stimmt ihr zu oder denkt ihr, Linz hat sich inzwischen—unter anderem als Kulturhauptstadt 2009—gemausert?
Arsch der Welt zu sein ist doch super? Ich denke, Linz entwickelt sich in Bezug auf Kunst und Kultur immer weiter zurück. Es hat bei uns ja auch schon so geniale Dinge wie das Forum Design oder die Erfindung der ARS Electronica gegeben. Von diesen Institutionen lebt man heute noch, aber leider gibt es jetzt nichts Vergleichbares mehr, das nachrücken würde. Es entsteht kaum etwas Neues mit Substanz, das über die Stadtgrenzen hinaus wirken würde. Die ständigen Räusche sind bezeichnend. Zum Glück gibts noch den Urfahraner Jahrmarkt für die Leute.