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Interviews

Labelgründer und Barbesitzer Alex „Olli“ Konuk im Interview

Story: jemand aus Washington errichtet in Berlin eine Bar, gründet danach ein Label und macht dies innerhalb von zehn Jahren zu einem der interessantesten Deutschlands.

Foto: Maja Harden

Vor etwas über zehn Jahren fing alles im Herzen Berlins an. Der in Washington D.C. aufgewachsene Alex Konuk gründete zusammen mit seinem Partner Louis Trumpbour eine Bar, die im Umfeld der deutschen Musiklandschaft noch fehlte—die 8MM Bar. Ein unprätentiöser Ort, an dem einem ein Cocktail aus psychedelischer Rockmusik aus dem In- und Ausland, verqualmter Luft und ambitionierten Leuten serviert wird. Denn die Bar kristallisierte sich schnell als Schmelztiegel für eine lokale Nischenmusikszene heraus und sprach sich als perfekter Aftershow-Platz für Künstler, wie die Strokes, TV On The Radio oder Nine Inch Nails rum.

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Um das Klientel wissend und auf dem Ruf im Ausland aufbauend, machte man es sich zur Aufgabe, die lokale Undergroundszene tatkräftig zu unterstützen und gründete so das Label 8MM Musik, das heute mit einem Showcase im benachbarten Berliner Bassy-Club sein 10-jähriges Jubiläum feiert.

Wir haben uns mit Alex Konuk, genannt „Olli" in seiner Bar getroffen, um uns über diesen sagenumwobenen Ort zu unterhalten und das ein oder andere Detail aus dem Nähkästchen herauszukitzeln. Aber auch die Zukunft dieser Musikszene, der mit dieser Compilation ein Meilenstein auf den Weg mitgegeben wurde, durfte nicht unter den Tresen fallen. Hört euch die Compilation am besten nebenbei an, um die perfekte sonische Untermalung zu genießen und lasst euch in diesen notorischen Bar entführen.

Noisey: Wann hast du dich endgültig entschlossen nach Deutschland zu ziehen?
Olli: Das hat ein paar Anläufe gebraucht. Ich habe kurz von 1995-1996 in Berlin gewohnt, damals aber keine Arbeit gefunden, obwohl ich gerade meinen Uni-Abschluss in der Tasche hatte. In Washington D.C. habe ich für ein paar Jahre einen ziemlich gut laufenden Club betrieben und so habe ich mich dann entschieden, es auch hier in Berlin zu versuchen. Es war wirklich cool mitzukriegen, was hier so abgeht, aber ich habe auch relativ schnell gemerkt, was der Stadt fehlte—diese Art von Bars, die ein eigenes musikalisches Konzept verfolgen. In dieser Stadt musste auf jeden Fall ein wenig Platz dafür übrig sein und sie sollte zumindest überlebensfähig sein.

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Auf jeden Fall. Mittlerweile hat sich sogar eine richtige Szene um die 8MM Bar herum entwickelt. Sowohl nationale Künstler, als auch internationale Größen finden immer wieder ihren Weg in die Bar. Plauder doch mal ein bisschen aus dem Nähkästchen.
Ja, also ich kann über ein paar Bands was erzählen. Bei Bloc Party war das zum Beispiel besonders interessant, weil Kele (Okereke) schon in die Bar kam, bevor es Bloc Party überhaupt gab. Er hing hier häufig mit Lizzy ab, die damals bei Ladyfuzz spielte und ab und zu DJ bei uns war. So kam er halt ab und zu mal vorbei, einfach als Freund. Kurz danach ging es mit der Karriere der Band ja steil bergauf und ich glaube, sie konnten sich gut an uns erinnern und ihn gefiel es so sehr, dass sie noch das ein oder andere Mal vorbeikamen.

Mit TV On The Radio hingen wir hier auch manchmal ab. Ich kann mich erinnern, dass wir Tunde (Adebimpe) eines Nachts ziemlich viel Absinth serviert haben, so dass wir ihm aus der Tür und beim Stehen helfen mussten. Kyp (Malone) hatte dieses große Bier in der Hand, das war eigentlich das einzige Indiz dafür, dass diese Typen irgendwie was am Laufen haben muss. Aber eigentlich waren sie total nett, voll auf dem Boden geblieben und wollten keine Extrawurst haben.

Genauso war das mit den Strokes. Ich glaube das war eines Sonntagabend damals, an denen es normaler Weise immer ziemlich ruhig ist. Es war gerade 23 Uhr und ich guckte zu Louis, meinen Partner in der Bar, und meinte nur so, dass das heute wohl eine kurze Nacht werden wird. Wir guckten aus dem Fenster und sahen auf einmal einen von den Strokes, dann den zweiten, dann den dritten, dann den vierten und dann den fünften. Sie liefen alle direkt hintereinander, wie in irgendeinem Beatles-Film oder so. 30 Sekunden später kamen dann auch 40 Mädchen, die ihnen gefolgt sind mit in die Bar und plötzlich war sie bis unter die Decke gefüllt. Die Leute haben im Hinterzimmer angefangen, Flaschendrehen zu spielen. Es war einfach ein komplett bizarrer Verlauf des Abends, so was hatten wir natürlich nicht erwartet. Aber die Jungs von der Band waren echt super. Julian Casablancas hat die Barkeeper, also naja, ich war damals ja der Barkeeper, echt total nett und großzügig behandelt. Ich denke, wenn man aus der New Yorker Musikszene stammt, dann hat man da auch ein bisschen Mitgefühl, weil die meisten Musiker da selbst als Barkeeper arbeiten.

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Gab’s jemals eine Band, die sich echt abgehoben benommen hat?
Naja, seltsamer Weise war es früher häufiger so, dass viele der lokalen Bands eher so drauf waren. Die Bands, die sich abmühten es zu etwas zu bringen und das dann an uns ausgelassen haben.

Ich kann mich erinnern, dass mal einer der Killers hier war. Das ging uns dann aber auch ein wenig zu weit. Wir sind immer echt ein bisschen aufgeregt, wenn Leute unserer Lieblingsbands hier vorbeikommen, wie von TV On The Radio, Interpol, The Rapture oder so. Wenn die vorbeikommen, dann war das immer echt abgefahren, so wow. Wie auch damals, als einer von den Nine Inch Nails vorbeikam. Aber als dann auf einmal einer von den Killers hier auftauchte, dann fühlte man sich, als wäre die Bar jetzt auf einmal in einem Marco Polo-Reiseführer für Bands auf Tour oder so.

Gibt es irgendjemanden, den du gerne mal in der 8MM Bar bewirten würdest?
Ich hab immer gehofft, dass Heike Makatsch eines Tages mal vorbeikommen würde, aber ich habe sie bis heute nicht hier gesehen.

Wie bist du auf die Idee gekommen ein Label zu starten?
Das war eigentlich ziemlich simpel. Ich wusste von Beginn an, welche Art von Musik repräsentativ für die Bar steht. Es ist echt cool, dass wir Leuten hier neue Musik vorspielen können, aber das ist nur die eine Seite der Medaille. Ich wollte und will die Leute auch in der Phase der Kreativität unterstützen und auch, dass sie mal irgendwo spielen können. Aber das ist in der 8MM Bar leider nicht zu 100% möglich. Wir haben ab und an mal ein paar kleine Shows hier, aber wir können hier nicht wirklich die Dinge machen, die wir gerne machen würden.

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Ich habe also wirklich nach einem Weg gesucht, ein paar Sachen an den Start zu bringen. Das Beste wäre gewesen ein Venue zu eröffnen und das Zweitbeste anzufangen, Platten rausbringen. Wir wollten damals so 2004/2005 die Leute, die in unserer Bar waren, ermutigen ihre kleinen Projekte durchzuziehen, wie halt die Ex-Mitglieder von Stereolab oder Leute von Bloc Party. Die haben sich alle immer in ihrer Freizeit getroffen und ich dachte mir, jemand sollte das dokumentieren. So entstand dann unsere erste Veröffentlichung und das war dann auch der Anfang des Labels.

Die Rockmusik-Szene in Deutschland ist ziemlich beschränkt. Dominiert wird das ja eigentlich von den ganzen Singer/Songwritern, Rappern, Metal-Heads und den paar erfolgreichen Pop-Künstlern. Ist es nicht ziemlich schwierig für ein Label auf diesem Terrain Geld zu verdienen? Oder was ist das Ziel, das hinter dem Projekt steht?
Naja, ich habe eigentlich keinen blassen Schimmer, wie man damit Geld verdient (lacht). Bisher haben wir das noch nicht geschafft, aber vielleicht ändert sich das bald. Ich denke aber trotzdem, dass sich unsere Arbeit bezahlt macht. Deshalb ist es, glaube ich, auch wichtig, dass wir das tun, was wir tun. Jemand muss sich ja auch mal ein bisschen dagegen stellen. Es gibt auf jeden Fall ein Haufen Leute, die auf diese Art von Musik stehen, aber es fühlt sich so an, als wäre sie in den Medien einfach unterrepräsentiert. Mag der freie Markt auch sein, was er ist, aber es fühlt sich so an, als wird dem deutschen Musikkonsument die Musik einfach nur in die Ohren getrichtert, was letztlich nicht die Diversität der hier ansässigen Musikszenen repräsentiert.

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Vor der Einfahrt links spielten Camera einst eine ihrer notorischen ungenehmigten Shows, die die Polizei dazu veranlasste die 8MM Bar für den Abend zu schließen (Foto: Maja Harden).

Lass uns ein bisschen über die Compilation und die Bands darauf sprechen. Wie kamst du zu Camera? Eigentlich sind sie, obwohl sie aus Berlin kommen, doch auf einem Hamburger Label. Wollest du sie damals nicht auf deinem Label veröffentlichen?
Ja, doch eigentlich schon. Es ist ziemlich lustig, denn als wir zum ersten Mal mit ihnen zu tun hatten, haben sie unsere 8MM Bar dichtgemacht. Eines Nachts kamen sie vorbei und wollten einfach eine Show hier spielen. Es war mitten im Sommer, wir hatten die Fenster geöffnet und auch so keinen Schallschutz und ständig Probleme mit den Nachbarn. Es tat uns echt Leid, aber es gab keine Möglichkeit, dass wir hier eine Band spielen lassen könnten. Also haben sie ihre Instrumente einfach nebenan in der Auffahrt aufgebaut und angefangen zu spielen.

Danach kamen natürlich die Bullen, aber fünf Minuten zu spät und Camera waren schon abgehauen, also haben sie einfach die Bar dichtgemacht. Ich wollte auch zu der Zeit mit ihnen arbeiten, wir haben eine Labelnacht mit ihnen veranstaltet, aber mehr hat sich aus irgendwelchen Gründen nicht ergeben. Naja, solange sie Musik machen und sie hier sind, dann gibt mir das Hoffnung, dass es eine Möglichkeit für eine echte, nachhaltige, originale Musik in dieser Stadt gibt, die nicht nur ausschließlich elektronisch ist.

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Wie sieht’s aus mit Kadavar? Die sind ja mit ihrem Album vor kurzem erst in die deutschen Albencharts eingestiegen.
Ja, krass oder? Naja, Christoph (Lindemann), der Sänger arbeitete schon in der Bar als Barkeeper lang bevor die Band richtig durchstartete. Das erste Mal, als ich ihn traf, spielte er bei Sun And The Wolf. Mittlerweile ist er ein richtiges Mitglied der Familie geworden. Um die Zeit, als er bei uns anfing als Barkeeper zu arbeiten, startete er auch die Band Kadavar und ich mochte sie von Anfang an. Sie erinnerten mich ein wenig an Dead Meadow aus meiner Heimatstadt. Ich war richtig stolz auf ihn. Also das bin ich natürlich immer noch. Es ist jetzt natürlich nur schade, dass er nicht mehr für uns an der Bar arbeiten kann, aber jeder bewegt sich halt vorwärts und macht größere und bessere Sachen.

Auf der anderen Seite gibt es da die Snøffeltøffs oder Suns Of Thyme, die eher so die Babys auf dem Album sind. Wie bist du auf die aufmerksam geworden?
Bei den Snøffeltøffs war ich damals, glaube ich, bei einer der ersten Konzerte in der CCCP-Bar. Florian (Snøff) habe ich mal draußen vor dem Bassy-Club ein paar Meter weiter von der 8MM Bar beim Pissen erwischt. Ich habe ihm gesagt: „Du darfst hier nicht pissen, geh mal in die 8MM Bar“ (lacht). Als ich bei der Show war, hatte ich eigentlich nichts Besonderes erwartet. Garage-Bands sind schon cool, aber hat man eine gesehen, kennt man eigentlich auch all die anderen. Dennoch war ich ziemlich überrascht von ihrem Auftritt, die haben einem echt was Neues vor den Latz geknallt. Es war gerade mal deren zweite Show, aber die Energie und die Interaktion zwischen den beiden war echt überzeugend. Also habe ich sie gefragt, ob sie auf der Compilation sein wollen und innerhalb von fünf Minuten haben sie mir eine Mail geschrieben und einen Song angefügt, der super passte.

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Bei Suns Of Thyme ist das sogar noch ein bisschen interessanter, weil ich die Jungs nicht mal richtig kenne. Als es darum ging, welche Bands auf die Platte kommen, wusste ich von Anfang an, wen ich drauf haben wollte. Ich wollte aber noch ein paar neue Bands mit auf der Platte haben und so hab ich die Jungs an der Bar bei uns gefragt, was sie noch empfehlen können, weil sie ja öfter unterwegs sind als ich zur Zeit. Christoph Lindemann hat mir dann Suns Of Thyme empfohlen, also hab ich mir die Platte runtergeladen und durchgehört. Ich war überzeugt vom qualitativen Songwriting und habe diesen einen Song gefunden, der in meinem Inneren auch schon die richtige Position auf der Platte hatte. Also haben wir ihnen geschrieben und gefragt, ob sie Lust haben und sie waren natürlich voll aus dem Häuschen. Ich habe sie immer noch nicht live gesehen und freue mich richtig drauf, wenn sie auf unserer Release-Party dann spielen.

Wie steht‘s denn um The Blue Angel Lounge? Ich habe Gerüchte gehört, dass die sich vielleicht auflösen.
Nein. Wir arbeiten gerade sehr intensiv miteinander, also stimmen die Gerüchte nicht. Bei jeder Band, die so ein bisschen Wachstumsschmerzen hat, gibt es mal Spannungen und Unstimmigkeiten. Wir hatten gerade eine gute Zusammenkunft, jeder hat jetzt wieder das größere Ziel vor Augen und realisiert, dass in dieser Band keiner allein den Hut auf hat, sondern das Zusammenspiel von jedem einzelnen die Musik macht.

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Für das Label wird es jetzt richtig busy. Am 14. Juni erscheint die neue Single „Walls“, die auch eine großartige B-Seite hat. Das Album sollte auch im Oktober, November rauskommen, wenn wir die letzten Aufnahmen im Juni noch durchziehen. Wir wurden auch auf ein paar Festivals im Sommer eingeladen, z. B. dem Leipzig Goth Festival, Roskilde in Dänemark und auch als Headliner für das Aarhus Psych-Festival—da machen wir dann wahrscheinlich gleich eine Skandinavien-Tour draus.

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