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Noisey Blog

Beim Reeperbahn Festival verpasst man immer alles

Wir haben uns dienstbeflissen ein paar Bands angeschaut, die ihr bestimmt verpasst habt und noch nicht kennt.

Isaac Delusion im Mojo | Foto: Aljoscha Redenius

Wer die gesamte Musikbranche mal betrunken sehen möchte, kann das jährlich auf der Reeperbahn in Hamburg tun. Dort geben sich jeden September Musiker, Promoter, Labeltypen, Blogger, Musikjournalisten und -fans die Klinke und die Astra-Bierflaschen in die Hand. Das Reeperbahnfestival gilt nicht umsonst als wichtigstes Showcase-Festival für Newcomer im Lande. In den vier Tagen von Mittwoch bis Samstag spielen dort in hunderten Locations tausende Bands zu fünfhunderttausend verschiedenen Zeitpunkten, die alle auf keinen Fall verpasst werden sollten, schließlich kann in jedmöglicher Kombination gerade „das“ neue Ding passieren, und wie peinlich wäre es da, wenn man ganz woanders und noch dazu angeschwippst ist? Tatsächlich gar nicht. Schließlich ist jeder irgendwo angeschwippssac st und sieht sich die Band an, die bestimmt nicht so toll ist, wie die Band, die der andere gerade sieht, möchte man diesem anderen denn glauben.

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Dem gegeben haben wir natürlich „das“ große Ding verpasst, alles falsch gemacht und so oder so viel zu viel getrunken. Trotzdem haben selbst wir neben unseren Alltime-Lieblingen wie Bilderbuch, Karate Andi oder The Acid ebenfalls ein paar neue Bands gesehen, die eben alle anderen verpasst haben. Also erzählen wir euch jetzt dienstbeflissen und gönnerisch von vier Neuentdeckungen, die ihr wahrscheinlich noch nicht kennt und vollkommen unverantwortlich verpasst habt, weil ihr angeschwippst ganz woanders wart (ob nun auf dem Festival oder ganz woanders tut hier im Übrigen nichts zur Sache).

Tears & Marble

Tears & Marble sind zwei Niederländer, die elektronisch, gehauchten SlowMo-Pop machen, der unbedingt in eine Tropfsteinhöhle oder wenigstens einen dunklen, kleinen Club gehört. Vor drei Monaten haben sie eine EP namens Romance veröffentlichten, auf der sie (genau wie live) mit ihrer hallenden Romantik, ihren melancholischen Texten und einem verdammten Sexappeal, den die Sängerin ausstrahlt, jegliche Art von ekligem Kitsch verfehlen und sich durchweg in einem Coolness-Spektrum bewegen, in dem auch mal eine Träne oder andere Körperflüßigkeiten vergossen werden können. Abgesehen davon haben sie den Mut, Haddaway zu covern, was schon alleine ein Grund sein sollte, ihnen eine Chance zu geben.

Blaue Blume

Blaue Blume sind nicht die Band, die du noch aus dem Juz von früher kennst, auch wenn das jetzt so klingt. Blaue Blume sind vier Dänen, die melodisch exzentrischen Rock machen, der auch als Ausreißermusik bezeichnet werden könnte, und die man selbst als eine dänische Bilderbuch-Version verorten kann. Besonders live überzeugen sie mit hochmotivierten Mitgliedern, ihrer Klangwucht und dem Frontmann, der sein Stimminstrument so gut beherrscht wie alle Anwesenden des von Noisey präsentierten ,Dänischen Abend’ die Flasche Bier in ihrer Hand.

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Sekuoia

Ja, Vergleiche sind scheiße und bestimmt hört der arme Sekuoia diesen einen ständig. Immerhin hat jeder auf dem Festival ihn genau so beschrieben, aber eben dieser Vergleich trifft es leider auch auf den Punkt. Sekuoia ist so etwas wie der dänische Flume, nur mit dem Unterschied—und jetzt kommt das Spannende—dass seine Tracks nicht auf elektronische Hochglanzproduktionen gebügelt sind, sondern noch wie ehrliche Schlafzimmerproduktionen klingen. In der Prinzenbar, in der er Samstagabend spielte, füllte er jedenfalls die hohen Gewölbe bishin zu einem Einlassstop mit Fans und seinen flumigen Produktionen.

Isaac Delusion

Als die französische Band Isaac Delusion vor zwei Jahren ihre EP Midnight Sun veröffentlichten, rückte sie das gerade ins rechte Licht: Atmosphärische Beats gepaart mit einer so natürlich hohen Männerstimme waren eine Kombination, die Hoffnung aufkommen lassen haben, dass hier ,ein‘ oder ,das‘ neue Ding passieren könnte. Letztens erschien das selbstbetitelte Debütalbum, gerade sind die Pariser auf ihrer ersten Deutschlandtour und ich muss leider sagen, dass der Frontmann und Sänger einem bei der Liveshow etwas den Zauber nimmt, da er wirkt, als wäre er ein Papi, der am Wochenende auf der Couch Formel 1 schaut und nicht wie ein charismatischer Dream-Electronica-Typ rüberkommt, den man sich bei so einer Stimme doch wünscht. Könnte an mir liegen, die EP kann ich dennoch sehr empfehlen, falls mal jemand was zum Grooven sucht.

Die Fotos von allem, was wir nicht verpasst haben, folgen morgen in einer Galerie, die unser Fotograf gerade noch nüchtern zusammenstellt.

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