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Noisey Blog

Warum Wien euch im Jänner einen Strich durch eure Detox-Pläne macht

Alle eure Facebook-Freunde ersetzen jetzt Alkohol durch grüne Smoothies? Das wird nicht lange anhalten.

Foto: Flickr | Joanna Slodownik | CC-BY 2.0

The same procedure as every year. Jedes Jahr Anfang Jänner entwickelt ein großer Teil meiner Freunde ein Gwyneth-Paltrow-Syndrom. Wenn ich sie frage, ob wir nicht was machen wollen, kommt als Antwort meist nur ein „Sorry, ich trink im Jänner keinen Alkohol." Oder es fällt das schlimme D-Wort: Ich mach Detox.

Meine Freunde—ansonsten eher dafür bekannt, auch zu gemütlichen Spieleabenden einfach mal eine Flasche Tequila mitzubringen und beim Ausgehen keine Gefangenen zu machen—kaufen sich dann auf einmal Smoothies, machen Sport und tun so, als hätte sie das Konzept „Bier" immer schon skeptisch gemacht. Auch deine Freunde leben ab jetzt sicher gesünder, trinken nicht mehr so viel und lernen von jetzt an nur noch für die Uni, weil Ende Jänner ja eh Prüfungen sind. Vielleicht gehörst du ja auch selbst dazu.

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Ich hab gleich zwei schlechte Nachrichten für dich, euch und alle anderen, die sich heute morgen einen Drink aus Avocado, Birne und Ruccola gemacht haben.

Es sollte sich mittlerweile herumgesprochen haben, dass Detox ein ziemlich bescheuertes Konzept ist. Beziehungsweise zumindest eines, dem die wissenschaftliche Grundlage fehlt. Es ist nicht so, dass ihr in eurem Körper irgendwo eine Schüssel habt, in der sich Alkohol und Fett sammeln, und die sich leert, sobald ihr zwei Wochen darauf verzichtet. Wissenschaftlich gesehen gibt es Detox nicht, und einen Monat auf schlimme Dinge zu verzichten hat keine/kaum Vorteile.

Ganz so stimmt das natürlich nicht. Es ist selbstverständlich gesund, den Jänner auf Alkohol zu verzichten. Genauso wie es gesund ist im April keinen Alkohol zu trinken, im August eine Woche oder im November zehn Tage darauf zu verzichten. Die Reduktion von Suchtmitteln, schlimmen Fetten oder Zucker ist selbstverständlich gut, selbst wenn sie nur temporär ist. Aber man muss sich von der Vorstellung verabschieden, mit der menschlichen Gesundheit wäre es wie mit einer Batterie, die man mit einer Auszeit aufladen könnte. Ein Monat ohne Alkohol macht nicht einen Monat mit sehr viel Alkohol ungeschehen.

Natürlich hat das Jänner-Detox auch psychologische Effekte. Nicht nur, dass ein neues Jahr beginnt und man im Zuge dessen meist über sein Leben nachdenkt und darüber, was man verbessern will. Es kommt noch hinzu, dass der Dezember für die meisten Menschen der ungesündeste Monat des Jahres ist. Er beinhaltet unzählige Weihnachtsfeiern mit sehr viel Alkohol, Weihnachten mit sehr viel ungesundem Essen und viel Alkohol und gipfelt in Silvester mit noch mehr Alkohol. Danach setzt quasi die bekannte Sonntagsdepression ein, nur halt noch viel stärker.

Dementsprechend kann Detox da wirklich einen psychologischen Vorteil bewirken. Einen Schritt raus aus der Dezember-Völlerei, rein in ein neues Jahr, das vielleicht nicht mehr aus Saufen von Dienstagabend bis Sonntagmorgen besteht. Wenn ihr eure Detox-Zeit weniger als Halbzeitpause, sondern mehr als Kick-Off versteht, ergibt sie deutlich mehr Sinn.

Jetzt kommt leider die zweite schlechte Nachricht: Wien macht euch im Jänner einen Strich durch eure Detox-Pläne. Natürlich fanden auch schon in den vergangenen Jahren im Jänner Partys statt, und irgendwann erwachte die Stadt auch 2013, 2014 und 2015 aus ihrem Dornröschenschlaf. Trotzdem galt der Jänner immer als relativ schlechter Monat für Veranstaltungen. Leider ist 2016 zuerst einmal der Abschiedsmonat der Pratersauna. Es ist ein Schaulaufen der Partys, auf denen man früher jeden Monat war. Und auch ein Schaulaufen der Leute, die man dort früher immer getroffen hat. Denn wie so oft, wenn sich Dinge verabschieden, wird den Leuten jetzt so richtig klar, was sie verlieren, und sie tauchen scharenweise dort auf. Das ist übrigens nicht schlimm, sondern menschlich. Auf jeden Fall macht die Pratersauna gerade wieder so viel Spaß wie lange nicht.

Außerdem ist auch noch die Abrissparty des Alten Zollamts beziehungsweise der Kantine. Und Abrisspartys sind nicht erst seit der Südbahnhof-Party vor einigen Jahren (die Älteren werden sich erinnern) eine relativ sichere Bank, weil alle irgendwie wissen, dass man den Abend nutzen muss, weil er eben sicher nicht wiederkehrt. Hinzu kommen neben diesen einmaligen Events noch andere hochklassige Veranstaltungen wie die Spittelauer Kernschmelze.

Detoxt also ruhig ein paar Tage. Trinkt weniger. Es ist aber auch nicht problematisch, wenn ihr an zwei, drei Tagen im Jänner feiern geht. Und wenn ihr es tut, ist es danach auch nicht „eh schon wurscht". Trotzdem, Wien: Du bist echt ein Arschloch. Wir hatten doch so gute Vorsätze.