FYI.

This story is over 5 years old.

Drogen

Die Restfettn-Depri ist das Schlimmste am Saufen

Depressionen machen in der Regel nicht glücklich.
Die Autorin, vermutlich mit stimmungstief nach alkoholkomsum
Foto: Autorin

Die Katerdepression – im Volksmund Restfettn-Depri – ist ein weit verbreitetes Phänomen. Viele junge und alte Teilzeitalkoholiker plagt am Tag nach dem Rausch eine allumfassende Leere, düstere Gedanken und ein Gefühl des Alleinseins. Viele, die am Vorabend noch exzentrische und gesellige Partytiger waren, sind am Tag danach ein einsames Häufchen Elend, das sich nicht zurückmeldet und im Bett vergräbt.

Anzeige

Während wir in jungen Jahren viel peinlicheren und blöderen Scheiß im Rausch machten, schien es uns damals am Tag danach weniger auszumachen. Fremdscham ja, aber allumfassende depressive Verstimmungen waren selten. Das liegt zum einen an unserer biologischen Wirkungsweise – während wir als Jugendliche noch viel Wasser in uns tragen, sinkt der Wassergehalt mit dem Alter im Körper. Und Alkohol ist bekanntlich wasserlöslich. So kommt es, dass sich die 16-jährige Susi am Tag nach der Party – trotz sämtlichen peinlichen Nachrichten und öffentlichen Schmuserein mit der BFF – nicht halb so schlecht fühlt wie du und mit ihrer Familie joggen geht.

Während die meisten Drogenkonsumenten mit dem Wort „Serotoninloch" vertraut sind, sind sich viele Menschen, die zu Alkohol greifen, nicht bewusst, dass ihre Lieblingsdroge – genau wie MDMA – die Dopamin- und Serotonin-Vorräte angreift. Und zwar ordentlich. Um deine Körperchemie durcheinander zu bringen, brauchst du gar keine Ecastsy-Tabletten und MDMA-Kristalle. Du brauchst nur deinen Wein. Aus medizinischer Sicht macht dich der Wein körperlich abhängig, wogegen bei MDMA die körperliche Abhängigkeit umstritten ist und von vielen offiziellen Seiten hört man „nur" von einer psychischen Abhängigkeit.

Was nicht bedeutet, dass du ab jetzt statt deinem Glas Wein eine Pille schlucken solltest – beides wird dir depressive Verstimmungen bescheren. Und beides tut dir im Endeffekt nicht gut. Wer eine Nacht voller Spaß und Freude erlebt, zahlt spätestens am Tag danach zurück. Bis das von dir ausgeschüttete Serotonin (= Glückshormon) von deinem Hirn nachgebildet werden kann, können schon mal zehn Tage vergehen. Oder auch mehr – je nachdem wie viel fehlt.

Anzeige

Mit Serotonin kann man es sich folgendermaßen vorstellen: Du hast einen Korb, in dem sich dein empfundenes Glück befindet. Dein Körper managt diesen Korb so, dass du theoretisch jeden Tag ein bisschen etwas ausschüttest, um halbwegs gut gelaunt durch den Tag zu kommen. Menschen, die an Depressionen leiden, schütten weniger Serotonin aus. Deshalb sind die meisten Antidepressiva Medikamente, die deine Serotonin-Ausschüttung regeln.

Wenn du dich ansaufst kickst du deinen Korb quasi um – es wird viel mehr Serotonin ausgeschüttet, als täglich für dich vorgesehen ist. Das ist der Zeitpunkt in dem du anfängst hysterisch zu lachen, hemmungslos zu flirten und blöd auf der Bar zu tanzen. In den nächsten Tagen merkt dein Hirn, dass hier etwas fehlt – um das Defizit aufzuholen und schnell zu seiner Serotonin-Ausschüttungs-Routine zu gelangen, drosselt es die Serotonin-Ausschüttung. Und so fühlst du nichts außer Trauer, Leere und Einsamkeit. Hashtag: Scheiß Sparmaßnahmen. Bevor mich Bio-Nerds für diese simple Erklärung killen: Sorry. Natürlich funktioniert der Körper und Alkohol komplexer als hier beschrieben. Hier hat Spiegel Online einen richtigen Doktor zu dem Thema Restfettn-Depri interviewt.

Dein Körperwassergehalt kümmert sich also um deine körperlichen, dein Gehirn um deine psychischen Leiden. Und voilá – geboren ist die Restfett'n-Depri. Typische Gedanken in so einer Tagesdepression? Das Schlimmste, was die soziale Gattung Mensch empfinden kann: Einsamkeit. Was nicht bedeutet, dass Pärchen immun gegen Katerdepressionen sind – einsam fühlen kann sich jeder. Auch Menschen in einer Partnerschaft.

Anzeige

Natürlich ist unsere angesoffene und durchaus peinliche Art am Vorabend nicht hilfreich. Wenn du im Rausch Sachen gemacht hast, die du nüchtern eher nicht machen würdest, dann verstärkt es die Restfettn-Depression ungemein. Gedanken, die sich um Sucht, Verhalten, Job, Freundeskreis und Familie drehen, kommen früher oder später hinzu – einen Tag depressiv sein ist verdammt viel Zeit.

Und was tun? Dir bewusst sein, was gerade passiert. Das hilft mir immer und deshalb gibt es diesen Artikel hier. Deine Gedanken sind zwar natürlich echt und deine – aber sie sind nicht realer, als die Gedanken, die du betrunken hast. In diesem Zustand Entscheidungen zu treffen oder sich selbst zu ernst zu nehmen, ist nicht empfehlenswert. Forscher sprechen von einer Zwei-Phasen-Wirkung bei Drogen – auch bei Alkohol. Dein Kater ist die zweite Phase dieser Wirkung. Das bedeutet, dass du am Tag danach noch am Rausch erleben bist – nur anders.

Ich habe Freunde, die in ihrer Restfettn-Depri schwerwiegende Entscheidungen treffen. Sie nehmen ihre Verstimmung so ernst, sie ist so real für sie, dass ich mir nur am Kopf greifen kann. Wenn du so ein Verhalten bei deinen Freunden bemerkst – dann gib ihnen eine Watschn. Und nachher höre zu. Wenn du so ein Verhalten bei dir bemerkst, gib dir eine Watsche und raunz irgendwen voll. Übrigens kann man mit Essen deinem Körper helfen, das Serotonin wieder aufzubauen – hier zu empfehlen sind Bananen oder Milchprodukte. Schau dir in Foren und auf Seiten an, was Menschen machen, die MDMA nehmen – sie spüren die Nachwirkungen stärker als Alkoholtrinker und haben ganz gute Tipps parat, um mit ihrem Serotoninloch umzugehen. Wie gesagt: In der Dopamin- und Serotonin-Ausschüttung sind sich die beiden Stoffe ähnlich – wobei MDMA viel intensiver wirkt.

Halte dir vor Augen, dass es Serotonin ist, das dich traurig macht. Also der Mangel davon. Nicht die Sache, an die du denkst. Mach eine Trinkpause wenn du merkst, dass sich die negativen Nebenwirkungen verstärkt und häufig zeigen. Halte dir vor Augen, dass es vorbeigeht. Nenne das Baby beim Namen. Deinen Freunden zu sagen, dass du traurig bist, ist ab jetzt eine Selbstlüge. Du hast eine Restfetten-Depri. Gib deinen Gefühlen an dem Tag nicht die Überhand – sondern halte sie schön rational unten. Wenn deine Gedanken und Gefühle wirklich Bestand haben, dann wirst du sie im nüchternen Real Life auch haben. Und du bist am Tag danach nicht nüchtern. Auch wenn der Gliederschmerz anderes vermuten lässt. Vergiss das nicht.