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Schon immer den perfekten Musikgeschmack—Skateboarder wissen einfach, wie man den Sommer fühlt

Wir haben mit dem deutschen Profiskater Willow und Titus-Geschäftsführer Dittmann über den richtigen Soundtrack zum Skaten gesprochen.

Es ist Frühling. Die Sonne lacht wieder, Menschen erwachen aus ihrer Netflix-Starre, die Natur blüht auf und bläst dir ihre verdammten Pollen gnadenlos in deine vor Heuschnupfen eh schon gereizten Schleimhäute. Das nimmst du aber allzu gerne in Kauf, denn: Endlich kannst du wieder mit dem Skateboard über den Asphalt rollen. Also rein in die am Spann abgewetzten Sneaker, raus vor die Tür, Musik im Smartphone ausgewählt und los. Denn ohne den passenden Soundtrack macht Skaten einfach keine Spaß, oder?

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Skaten und Musik gehören schon immer zusammen. Warum sonst legten die Macher vom Playstation-Klassiker Tony Hawks Pro Skater so viel Wert auf einen Soundtrack, mit dem wirklich jeder Skater was anfangen kann? Nicht nur das Fahrgefühl sollte stimmen, auch die Songs sollten wie direkt aus einem Skatevideo entsprungen sein. Schließlich hatten früher, so ganz ohne Internet, angehende Skater erst durch Skatevideo-VHSs engeren Kontakt mit einer ihnen bis dahin noch so fremden Kultur, ihren Styles und auch deren Soundtrack.

Eines dieser Kids, die Mitte der Neunziger immer weiter in die Welt des Skatens eingesogen werden sollten, war der heutige Profiskater Christoph „Willow“ Wildgrube. Er hatte eine anderes Kind skaten sehen und wollte das danach auch können. Oldschool Rap wie Wu-Tang Clan kannte er schon aus seinen Sprayer-Tagen, umso größer der Flash, als er sich Skatevideos ansah, die genau diese Musik zum Soundtrack hatten und er dadurch noch viel mehr Rap kennenlernte: „Zuhause habe ich dann in meinem Raum die Mucke aufgedreht.“

Seitdem ist einige Zeit vergangen, Willow ist inzwischen weltbekannter Profi, durfte für Etnies und DVS und dann Almost durch die Welt Rollen, hat Parts in unzähligen Skatevideos und wurde inzwischen mit jeder Art Musik konfrontiert. Was natürlich zu den Fragen führt, ob denn bestimmte Genres sein Fahrverhalten beeinflussen und ob er sich gezielt Musik für bestimmte Sachen auswählt? „Auf jeden Fall!“ Rap sei „gechillter“—eben die perfekte Untermalung zum Rumcruisen—während Rock’n’Roll ihn zu riskanteren „Do or Die“-Tricks antreibt: „Wenn es um große Sachen geht, riesige Gaps und so, höre ich schon Sex Pistols. Um mich richtig in Rage zu hören und mich zu motivieren, eine 16er Stufe runterzuspringen, höre ich auch mal „I Just Wanna Be Your Dog“ von den Stooges.“

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Wenn es um die Untermalung seiner eigenen Videoparts geht, schickt er zwar Musikvorschläge, die endgültige Entscheidung liegt aber bei der Skate-Company. Immerhin muss diese entscheiden, wie sie die DVD vermarktet und zudem noch immer die Rechte der Songs bei den Labels einzeln kaufen. Je nach Höhe der Auflage, rechnet sich der Einkauf von Musik großer Interpreten. Was den Skatern bleibt, ist aus einer Liste verfügbarer Songs zu wählen: „Am liebsten würde man Wu-Tang, Nas oder Busta Rhymes nehmen, aber meistens ist das zu teuer.“

Wenn man bedenkt, wie wichtig diese Musik schon immer war und immer noch den Flair von Skaten ausmacht, ist das schon erstaunlich, das anscheinend oftmals auf „billige“ Alternativen zurückgegriffen wird. Julius Dittmann, selbst Skateboarder und Geschäftsführer von Titus findet, dass die benutzte Musik über all die Jahre konstant gut geblieben ist: „Egal, ob das eine HipHop- oder Jazz-Richtung hat oder sogar elektronisch angehaucht ist wie beim letzten Carhartt-Video Öctagon, die Musik trifft immer einen guten Stil.“

Er selbst hat als Sohn des Titus-Gründers eigentlich schon von Geburt an mit dem Skaten angefangen. Ende der Neunziger war er dann 14 wurde von NOFXs So Long And Thanks For All The Shoes und Hello Nasty von den Beastie Boys geprägt. Klassische Skate-Musik eben. Er erzählt mir, dass in den Achtzigern Skaten noch eher mit Punk und dann Bands wie Suicidal Tendencies, Black Flag und Bad Religion assoziiert wurde. Und in genau dieser Ecke fühlt sich auch Julius eher zuhause. Wenn also der Liebhaber Willow in den Straßen mit Rap im Ohr rumbrettert, steht Julius am Rand der Bowl und nickt den Kopf zu Gitarrenriffs.

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Während er so über die Musik im Skaten redet, fällt ihm auf, dass diese Aufteilung beispielhaft für den allgemeinen Musikgeschmack innerhalb der Skateszene ist. Und er liefert gleich noch eine mögliche Erklärung: „Als das Skateboarden entstanden ist, wurden ja [in den Siebzigern] leere Pools und Bowls geskatet. Streetskaten wurde erst in den 90ern populär. Zeitgleich kamen die HipHop und Jazz-Einflüsse rein.“ Die Neunziger wären eben die Zeit gewesen, in der die Musik diverser wurde. Da lief dann viel Beastie Boys oder Warren G, aber auch Pennywise, The Offspring und später Industrial wie CKY und Nu Metal.

Bis heute sei HipHop zwar die prägende Musik im Skateboarding, aber: Noch immer werden auf Bowl-Contests oftmals Bands wie Iron Maiden, Suicidal Tendencies und Motörhead gespielt—eben Metal und Rock, wie früher. Sind Skateboarder also musikalische Hänger und verwehren sich modernen Musikstilen? Willow erzählt, dass Trends oftmals durch die Editor der Videos in die Szene getragen werden: „Wenn da ein kleiner Verrückter am Start ist, baut der gerne mal Trap oder etwas Kreatives ein. Wenn das gut ankommt und die Songs passen, geht es auch ganz schnell, dass die Skater am nächsten Tag den Soundtrack auf dem iPhone haben.“

Auch Julius meint, dass neue Bands durch Videos bekannter werden und ihren Weg auf die Player der Skater finden. Das Thrasher Mag etwa habe nunmal den größte Videokanal und oftmals Kadavar und Cauldron als Bands in den Videos. Später hört man die Bands eben auch auf Bowl-Contests.

Es scheint wirklich, als ob die Skateszene ziemlich altmodisch ist, wenn es darum geht, den bestehenden Soundtrack zu erweitern. Wie auch schon vor 20 Jahren bilden Skatevideos die Hauptquelle für neue Musik, die sich aber auch erstmal neben all den etablierten Bands und Musikers beweisen müssen. Und wie so oft braucht es neue Musik für die ältere Generation auch gar nicht mehr. Willst du wissen, was Willow beim Skaten so richtig motiviert? Prodigy, Nas und Wu-Tang.

Julius kann immer noch manchmal einen Olli stehen und ist bei Twitter: @BackToSchoolius