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Umsturzprosa

Die 5 furchtbarsten Alben der Zehnerjahre

In der neuen Kolumne ,Umsturzprosa‘ erklärt euch Linus Volkmann alles, was ihr über Musik wissen müsst. Zum Beispiel, welche Alben ihr niemals revivalen solltet.

Abenteuer Fasching (oder wie wir hier in Köln sonst so sagen). Warum nicht mal die Verkleidung als Wanda-Sänger wagen? Amore!

Ein von Linus Volkmann (@linusvolkmann) gepostetes Foto am 12. Feb 2015 um 5:31 Uhr

Linus Volkmann, Koryphäe des Musikjournalismus und Großmeister der Indiemusik, lebt schon so lange in der rosaroten, schillernden Musikblase, dass er mehr Ahnung von dem Business und der Sache an sich, also Musik, hat als alle Nasen von Noisey zusammen. Für uns schreibt er jetzt unter dem Begriff „Umsturzprosa“, um seine geschätzte Meinung und unglaubliche Expertise mit uns und euch zu teilen. Den Noisey-Einstand hat der gute Linus gleich sehr ernst genommen und ein wenig Hass zusammengekritzelt. Willkommen auf der anderen Seite, Linus!

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Die Zehner Jahre bereits zur Hälfte rum? Wie konnte das denn bloß passieren! Dabei sind wir doch noch nicht mal mit den 90ern fertig. Von den Nullern ganz zu schweigen. Tja, und 2030 sitzt man dann in einer Astronauten-Bar und weiß gar nicht, was man denn bloß aus jenen Zehner revivalen soll. Folgende Alben jedenfalls bitte nicht:

IHR SEID SO ALT—UND DAMIT MEINE ICH NICHT MAL DIE BAND!

Radiohead—The King Of Limbs (VÖ 25.03.2011)

Wie viel Zirkus wird denn um diese Lehrergesichter immer noch gemacht? Loslassen fällt schwer, ich weiß. Und ja, irgendwann mal war Ok Computer—aber seitdem hat Helmut Kohl als Bundeskanzler abgedankt, ist das World Trade Center eingestürzt, ist das iPhone erfunden worden und noch so einiges. Es ist vorbei, bye bye Radiohead. Daran ändert auch nichts, dass die Pink Floyd des Indierocks für 2015 mit einem neuen Album drohen. Und sich reflexhaft ergraute bis kahle Häupter wieder im Wind wiegen werden, um die umfangreiche Special Edition vom Paket Shop abzuholen. Bei The King Of Limbs bestand jene übrigens aus einem 625-teiligen Artwork. Wen das allein nicht schon abstößt, dem ist nicht mehr zu helfen. Prätentiöses Badeperlen-Geplucker.

EPIC FAIL

Lady Gaga—Born this Way (VÖ 23.05.2011)

Auch ein bisschen frech: Da macht sich Lady Gaga durch das Album The Fame und dessen Update The Fame Monster im Chartspop-Betrieb nachhaltig unentbehrlich. Nur um danach im Fokus von Aufmerksamkeit und Erwartungen ausschließlich Mist zu produzieren, als hätten sich die Songschreiber der unerfolgreichsten Britney-Stücke zusammengetan, um nun ultimativ zu versagen. Der anämische Rock-Überzug gibt Born This Way ästhetisch dann den Rest. Die einzige Platte, die das Album noch etwas besser aussehen lässt, ist bezeichnenderweise der Nachfolger Artpop. Gegen diese beiden Fails wirkt das Spätwerk von Robbie Williams ja fast noch, als hätte es ein Ziel.

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DIE ACHSE DES UNGUTEN

Xavas—Gespaltene Persönlichkeit (VÖ 21.09.2012)

Eigentlich ist es Eulen vor die Säue werfen, wenn man darauf hinweist, dass eine eindeutig verschissene Platte verschissen ist. Eigentlich! Denn obschon es sich mittlerweile bis fast zum Mainstream rumgesprochen hat, was für eine problematisch-fundamentalistische Made Naidoo darstellt (Googles Autofill bietet für seinen Nachnamen an: „Reichsbürger“, „rechts“, „Nazi“)—und obschon jeder einigermaßen Informierte den Geisterbahn-Track „Wo sind sie jetzt“ gegen schwule Kinderschänder unwohlwollend zur Kenntnis genommen hat… trotz allem wird dieses zutiefst peinliche Projekt lieber ausgeblendet statt abgehasst. Warum? Liegt auf der Hand. Weil Kool Savas, der King of Rap, hier der Handlanger des komischen Christen ist. Und da Savas Unfehlbarkeit nie in Frage gestellt werden darf (Stichwort Beamten-, äh, Majestätsbeleidung), tun im Game alle, als gäbe es Xavas gar nicht. Und ehrlich gesagt… man kann’s sogar verstehen—so bitter, wie das ganze Projekt ist.

WENN BERUFSMUSIKER ABROCKEN

Jan Delay—Hammer und Michel (VÖ 11.04.2014)

Als Künstler nicht immer dasselbe machen zu wollen—wahrlich ehrenhaft. Doch als Jan Delay April 2014 auszog, auch mal eben in Rock der Pimp zu werden, hatte das mehr von Hybris, Heuschrecke und Arroganz denn von einer spannenden künstlerischen Entwicklung. Denn herauskam ein ganz schlimmes Genre: Funky Berufsmusiker-Rock. Statt radiotauglicher Beats geben hier eben aseptische Mucker-Gitarren, die eher an Stefan Raabs Heavy Tones denn an Metal erinnern, den Rhythmus an.

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Auch textlich ein Stahlbad der Überheblichkeit:

„Der Kevin und die Sandy und die Mama und der Papa /
die machen alle viel und gerne ‚happa-happa‘.“ Zum Fremdschämen. Aber sicher nicht für die hier verhöhnte Unterschicht. Sondern viel mehr für den Urheber einer „Lyrik“, die sogar Fips Asmussen zu peinlich wäre. In Charts und bei den Verkaufszahlen blieb Hammer und Michel dann auch völlig zurecht weit hinter den hohen Erwartungen zurück. Delays Stern ist am Sinken, doch ähnlich wie bei Michael „Bully“ Herbig braucht diese Erkenntnis noch etliche Jahre, bis sie dann endlich auch den Mainstream erreicht.

POST-HIPSTER-NASSMÜLL

alt-J—This Is All Yours (VÖ 19.09.2014)

Nichts gegen den vielgeschmähten Hipster. Für mich: Ein freundlicher Zeitgenosse mit Bart (m/w) und Brille, der es halt auch nicht leicht hat. Aber muss man deshalb noch kopfüber in seinem Nassmüll wühlen? Oder wie anders ist der scheintote Konsens zu erklären, der die hochdekorierte Prozac-Band aus Leeds auch mit diesem Car-Crash eines Albums noch an die Spitze der Nahrungskette beförderte? Das noch ansehnliche Debüt An Awesome Wave hatte 2012 halt keiner auf dem Zettel und bei Nummer 2 wollten dann alle dabei sein. Selbst mit einer Platte voll gesampelter Walgesänge, wäre This Is All Yours also durchmarschiert. Hätten sie mal eine solche gemacht! Schlimmer als dieses ratlos prätentiöse Selbstzitat wäre das sicher auch nicht geworden.

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