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Wir haben versucht, die Musik von Scientology-Gründer L. Ron Hubbard zu durchschauen

Der Gründer der Sekte hat mehrere Alben geschrieben. Wir haben uns für euch geopfert und sie komplett gehört.

Als ich noch die Uni besuchte, kam ich ab und zu für ein paar Sekündchen mit ihnen in Kontakt: den Scientologen. Als allem Fremden gegenüber sowieso grundskeptischer Mensch, der sich ungern anschwatzen lässt, hörte ich diesen Typen natürlich nie zu: Das sind Spinner, verdammt reiche Spinner, die schon zahlreiche Hollywoodstars in ihre Fänge geködert haben, dem großen Tom Cruise ins Gehirn schissen, ihre Jünger ausnehmen und diffuse Ziele verfolgen. So weit, so vage.

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Dann kam Facebook dazwischen, beziehungsweise ein dort verlinktes Video mit einem Song namens „Windsplitter“, mutmaßlich komponiert von L. Ron Hubbard, dem Gründer des Vereins mit dem Leuchtturm. Plötzlich stahlen sich geloopte Pferdegeräusche und abstruse Synthie-Melodien in mein Ohr und ich verstand vom einen Moment auf den anderen die Genialität Hubbards. Nun ja, nicht ganz: Viel mehr konnte ich fühlen, wie meine Gehirnzellen abzusterben anfingen, nachdem ich nur einmal diesen Song gehört hatte. Völlig logisch, dass ich mich im nächsten Schritt in Richtung Wikipedia gab, wo stand, Hubbard habe Zeit Lebens ganze drei Alben aufgenommen.

Was das soll? Ist das Musik, die tatsächlich das Hirn eines jeden halbwegs gesunden Menschen entleert und sie als willenlosen Scientology-Zombie zurücklässt? Ich musste der Sache auf den Grund gehen, austesten, ob auch ich Hubbard erliegen würde und hörte mich durch seine musikalischen Ergüsse. Los ging esmit einem Album namens Space Jazz, eine Platte, die von Hubbards skurilem Science Fiction-Roman Battlefield Earth, dessen Verfilmung zu den schlechtesten Filmen aller Zeiten gezählt wird, inspiriert ist. Es konnte also nur großartig werden. Schon Song Nummer Eins klang vielversprechend: „Golden Era of Sci Fi“.

Space Jazz

Nimm einen 1.000-Seiten-Science-Fiction-Schmöker, unter dessen Textoberfläche Scientology-Geistesgut schlummert. Name: Battlefield Earth. Dann lies zunächst den Wikipedia-Text und schaue dann den übertrashigen Trailer für die dazugehörige Verfilmung mit den Scientology-Spezies John Travolta und Forest Whitaker. Angeblich sei dieses Machwerk sogar ein noch „schlechterer“ Film als Waterworld. Kurzum: Battlefield Earth dürfte perfektes Kiffer-Popcorn-Kino sein. Legst du nun schließlich den Buch-Soundtrack auf, dann wirst du zunächst umschmeichelt und in Watte gepackt: Langsamer Lounge-Jazz umspielt dein Ohr, du wirst sofort ruhig, ruhig und wissbegierig. Oder bildest du dir das nur ein? So oder so: Die ersten Momente sind wie dafür gemacht, dass du tief in deine Couch sinkst—es sei denn, diese Art von wenig anspruchsvollem Klimper-Jazz geht dir so auf den Geist, dass du nach wenigen Minuten dein Zimmer kleinschlagen willst; dann wiederum bist du offensichtlich nicht empfänglich für Hubbards sinnliche Gehirnwäsche.

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Findest du das Gehörte aber irgendwie gut, gelangst du irgendwann zu einem Song mit namens „Windsplitter“ (klicken sollten hier nur Hartgesottene). Wenn du das richtige Gras geraucht hast, wirst du nun 15 Minuten lang wiehernd lachen. Aus Pferdegeräuschen wird ein naiv-dadaistisches Meisterwerk der Songschreibekunst. Plötzlich scheint der gruselige Sektengründer ein klein wenig sympathisch. Schnell wieder ausmachen!

Mission Earth

Bemerkenswert: Als Mission Earth erschien, war L. Ron Hubbard bereits tot, zumindest in einem streng naturwissenschaftlichen Sinne. Seine Arbeit hingegen lebte, verkitscht gesagt, weiter. Als Medium benutzte Hubbard auf diesem Album einen gewissen Edgar Winter, dem er angeblich detaillierte Notizen und Kassetten hinterlassen hatte. Bemerkenswert vor allem: Jazz spielt hier plötzlich keine Rolle mehr, selbst nach drei Joints kannst du mit diesem Album also nichts mehr anfangen. Zum Glück war ich beim Hören nüchtern—vielleicht aber auch: leider. In kleinen Dosen klingt der Glam-poppige Ansatz von Mission Earth durchaus erträglich, auf Länge gesehen bleibt mir der Musical-hafte Hang zur Dramatik aber quer im Halse stecken. Aber eins muss ich dem Untoten Hubbard zugestehen: Das schamlose Bedienen bei diversen 80er-Pop-Hits, das funktioniert. Um unanagenehme Ohrwürmer kommst du nicht rum, wenn du dieses Album hörst.

The Road To Freedom

Nie wird die Indoktrinierungsmaschinerie offensiver als auf The Road To Freedom. Endlich fährt Hubbard ein Staraufgebot auf: der Fusion Jazz-Typ Chick Corea, Easy Rider-Darstellerin Karen Blanche Black, Frank Stallone (Sylvesters kleiner Bruder) und natürlich John Travolta. Der macht mir dann auch gleich ein schlechtes Gewissen, wenn er singt: „You're in a trap of senseless lies, it's time to be reborn!“ Ganz ehrlich, auch wenn manche Feststellungen auf diesem Album mich ziemlich amüsieren („They wonder why psychiatrists lead the whole world, be careful!“), oder fast schon ironisch lesbare Statements zum Verschwörungstheoriewahn abgegeben werden („A careless teacher gave him false data.“), wird mir bei der Fülle an kruden Meinungsäußerungen so langsam Angst und Bange. „Death is only an invention, to rid the universe of life!“ Unweigerlich nicke ich langsam vor mich hin.

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Chick Corea Elektric Band—To The Stars

Das letzte mir bekannte „Scientology-Album“ erschien erst gut zwanzig Jahre nach Hubbards Tod und ist eine Rückkehr zum Fusion Jazz. Komponist ist der angesehene Musiker Armandy Anthony „Chick“ Corea, der in den Sechzigern sogar mal in der Band von Miles Davis spielte. Die Platte ist erneut von einer Hubbard-Sci-Fi-Novel inspiriert und musikalisch tatsächlich vermutlich das anspruchsvollste Werk aus dem Zirkel der Scientology-Veröffentlichungen, bestückt mit talentierten Jazz-Musikern und höchstens subtil manipulativ. Der herrlich-schreckliche Trash-Moment, nach dem man händeringend sucht, will nicht kommern. Nach der Hälfte des 10-Minuten-Stückes „The Long Passage“ halte ich es nicht mehr aus. Ich schließe YouTube, verweigere mich der Scientology-Ideologie und verliere mich stattdessen in meinem Facebook-Feed.

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