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Das 1x1 der schlechten Facebook-Kommentare

Kommentar, der: Unbekannte beleidigen, einfältige Links posten oder dumme Memes teilen.
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Flickr | Joseph Nicolia | CC BY-SA 2.0

Ach ja, dieses Facebook, wie schön es uns alle digital zusammenrücken lässt. Wie wunderbar harmonisch wir miteinander kommunizieren, uns Musik anhören und kommentieren könnten. Wie sorgenfrei wir dann aber Wörter wie „Arschloch“ und „Schwuchtel“ tippen und für alle sichtbar abschicken. Obwohl die meisten Nutzer mit ihrem vollständigen Namen in dem Netzwerk angemeldet sind, lassen sie als Kommentatoren alle sozialen Gepflogenheiten fallen. Es werden unbeschwert Unbekannte beleidigt, einfältige Links gepostet oder dumme Memes geteilt. Der Umgang miteinander wird dadurch viel zu schnell in unangemessen aggressive Bahnen gelenkt. Wovor auch Musiker nicht gefeit sind, die sich erhoffen, durch Facebook direkt mit ihren Fans zu interagieren und sich so bequem Feedback auf neue Songs, Videos und Fotos einzuholen. Denn sollten sie sich wirklich einmal die Mühe machen, durch die endlosen Kommentare zu scrollen, werden sie weniger konstruktive Kritik, als vielmehr komprimierten Bullshit vorfinden. Egal ob Nutzer oder Musiker, keine Seite profitiert. Weil das alles doch nicht sein muss, folgt hier ein kurzer Guide, wie du die Kommentarfunktion auf Facebook-Musikerprofilen am Besten für dich und deine Mitmenschen nutzen kannst.

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Wenn schon Beleidigungen, dann wenigstens kreativ!

Du findest einen Musiker scheiße und willst ihm das gerne mitteilen? Ach, so ein Zufall, er hat gerade ein Video gepostet, indem er sich für den Support seiner Fans bedankt! Die Fingerkuppen gespitzt, wird jetzt munter die einzig angemessene Reaktion getippt: „Du Hurensohn.“ Moment, wirklich? Dir fällt nichts Besseres ein, als dieses vollkommen sinnentleerte Wort? Schwach, ganz schwach. Wessen Puls heutzutage noch bei dieser Bezeichnung nach oben schnellt, weil er sich wirklich um die Ehre seiner Mama sorgt, ist entweder sehr alt oder sehr dumm. Niemand kennt deine Mutter und du kennst auch niemandes Mutter, also kann auch keiner etwas Relevantes über irgendwelche Mütter sagen. Eben darum wird das den Musiker so sehr mitnehmen, wie ein müder Furz beim morgendlichen Schiss. Er nimmt es nicht einmal mehr wahr. Streng dich doch mal ein bisschen an, beschäftige dich mit der Musik, um die Schwachstellen zu finden und ihm deinen artikulierten Kot frech ins Gesicht zu reiben. Erfordert alles zwar ein bisschen mehr Arbeit, hebt aber die Hassbeziehung zwischen dir und dem Künstler auf ein ganz neues Level. Weil er dich jetzt auch hasst und du dir diesen Hass auch verdammt nochmal verdient hast.

Jeder freut sich über Komplimente!

Deinen unbewussten Selbsthass auf andere zu projizieren, ist zwar ein spaßiger Zeitvertreib, macht dich aber längerfristig nicht unbedingt glücklich. Da ist das großzügige Verteilen von Komplimenten schon deutlich lukrativer für das persönliche Karma-Konto. Gerade im Rap machen es dir die Sprechgesangsartisten aka Hobby-Bodybuilder recht einfach, ein paar nette Worte zum neuesten Update aus dem Fitnessstudio zu verlieren. Lobe das breite Kreuz, den sichtbar reduzierten Körperfettanteil, der den Sixpack so richtig zum Strahlen blinkt. Oder ist das doch der leichte Schweißfilm, der auch den mächtigen Bizeps umschmeichelt? Was für eine geile Figur der doch hat, dieses Tier! Bei diesem Hals kann der ja nur ein richtiges Biest im Be…, im Studio sein. So spendabel mit Komplimenten zu sein, fühlt sich doch ganz geil an. Andere Fans werden deine liebenswürdige Beobachtungsgabe mit Likes honorieren. Schreibe aber lieber kein Wort von deiner Erektion und dem Sabberfaden am Kinn. No Homo. Sollte es doch mal um Musik gehen, bieten sich knackige Wörter wie „dick“, „stark“, „fett“, „geil“, „mega“ und „sauber“ an. Mit ein bisschen Übung wird vielleicht sogar ein ganzer Satz im Rechteck aufblitzen.

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Flickr |​ Montecruz Foto | CC BY-SA 2.0

Hau mal ab mit deinen Memes

Ich würde dir ja gerne sagen, dass sich dein unglaublich hoher kreativer Einsatz gelohnt hat, ein Bild aus den Weiten des Internets rauszusuchen, das perfekt zum Post des Musikers passt. Du hast dir schließlich bereits ausgemalt, wie sich unzählige Gleichgesinnte totlachen und deiner Genialität mit Likes huldigen. Das passiert aber nicht. Du bist schließlich wieder einmal allen auf den Sack gegangen.

Verdiene Geld im Fahrwasser des Musikers

Wenn das nächste Album in absehbarer Zeit ansteht, geizen die Musiker nicht mit tollen Posts, wie geil die neue Platte wird. Schließlich sollen die Fans auch nicht geizen und sich den künstlerischen Erguss kaufen. Am Besten physisch und digital, das gehört sich schließlich so für einen wahren Fan. In dieser heißen Promophase sollten deine Augen deshalb schon die Form vom Eurozeichen annehmen, schließlich lockt hier das schnelle Geld! Robbe zum Bildschirm und verlinke unter einen pseudo-aufgeregten „Noch 2 Tage!“-Post des Musikers den entsprechenden Amazon-Link zum neuen Album. Du bist keinesfalls Teil des autonomen Streetteams, das seinem Helden eine hohe Chartplatzierung wünscht, damit dein tristes Leben ein bisschen weniger traurig zu sein scheint. Nein, du willst im Fahrwasser des Releases ordentlich mitverdienen! So gesehen hast du auch nichts gegen einen hohen Charteinstieg, solange möglichst viele Trottel auf deinen Link geklickt haben, um sich den Kram zu bestellen. Denn für einen Affiliate-Verkauf von Musik verdienst du 5% des Einkaufspreises pro Bestellung. Macht bei einer stinknormalen 15€-CD immerhin rund 75 Cent. Noch besser wird es bei den tollen Limited-Boxen, die ja deutlich teurer sind. Zum Millionär wirst du auf diesem Weg zwar nicht, aber hey, mit etwas Glück kannst du so genügend Geld zusammenkratzen, um die das Album selbst zu kaufen.

Niemanden interessiert deine Fanpage

Eine lange Reise in ein Land vor deiner Zeit: Vor Facebook und Co. waren Fansites der heiße Scheiß für jeden Vollblut-Fan. Hach ja, die guten alten selbstgebastelten Homepages mit flashy Effektgewitter und pixligen Bannern. Hier versammelte sich in eingebundenen Foren der harte Kern und tauschte sich über die neuesten Gerüchte aus der Bravo, Tourdaten und Musikvideos auf MTV aus. Heute schleudert dir das alles der Musiker selbst um die Ohren. Die Seiten starben daher zu Recht den Tod des Vergessens und niemand kümmerte das eine emotionale Statusmeldung. Traurigerweise gibt es immer wieder radikale Kreative, die es für eine unglaublich clevere Idee halten, auf Facebook eine Fanpage zu erstellen. Um dann andere fanatische Menschen mit Informationen zu Musiker xy zu versorgen, die diese sowieso schon über ihre Abonnements des offiziellen Musiker-Profils bequem erhalten haben. Welchen Nutzen Profile wie „Wir wollen einen Stern auf dem Walk of Fame für Kollegah den Boss“, „Bushido—Ehrenmann“ und „Wir stehen zu Xavier Naidoo—Medienlügen aufdecken“ haben? Sie füttern das kümmerliche Ego der Betreiber. Was es ihnen bringt, ihre Kackseiten in den Kommentaren zu bewerben? Jeder Like pumpt mehr Blut in ihre Leisten. Ekelhaft? Ekelhaft.

Sei kein selbsternannter Truther

Wer die wahre Wahrheit gesehen hat, fristet ein bemitleidenswertes Dasein. Eingesperrt im eigenen Kopf sitzt du da und starrst auf deinen Monitor, nicht wissend, wie du andere bekehren kannst. Da kommt dir das Musikvideo von Mark Forster in deiner Timeline sehr gelegen. Schnell YouTube aufrufen, dieses krasse Video über die Illuminaten in der Musikindustrie raussuchen, copy, paste, fertig ist dein Beitrag für die Menschheit dich als paranoiden Idiot zu outen, mit dem nicht einmal die eigene Mutter befreundet sein möchte.

Bild dir keine Meinung

Ein kurzer Blick zum Newsfeed sagt dir, dass dein Kumpel gerade in einer hitzigen Diskussion über die verschiedenen Handlungsstränge von Tyler, the Creators Albumtrilogie verwickelt ist. Du hast davon noch nie was gehört und liest dir aufmerksam die Kommentare durch. So wirklich nachvollziehen kannst du die Unterhaltung nicht, aber dass alle gegen deinen trottligen Kumpel zu sein scheinen, ist der Mentos Mint in der Colaflasche deines Egos: Unkontrolliert steigt das Bedürfnis in dir auf, deinem Kumpel zur Seite zu stehen und dabei noch überaus eloquent zu wirken. Du hast keine Ahnung, worum es geht und dein Kommentar wird nicht mehr als ein Schwall schaumiger Dummheit sein. Dein Kumpel schämt sich, die anderen hassen dich und du schließt schuldbewusst deinen Browser. Ehrlich, du musst nicht zu jedem Scheiß eine Meinung haben, geSCHWEIGE denn, sie posten.

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Flickr | Yoshikazu TAKADA | CC BY 2.0

Kommentarfelder sind nicht die Stufen deiner Karriere-Leiter

Über die Leute, deren Marketingstrategie darin besteht, alle Kommentarfelder mit einer Verlinkung auf ihre eigene Musik zuzumüllen, sind wir schon an einer anderen Stelle eingegangen. Zum Unglück für die unentdeckten Talente und zum Glück für die restliche Menschheit zersticht ihnen die niedrige Aufmerksamskeitspanne der potenziellen Fans mitleidslos das Luftschloss. Sie lässt die Finger ungeduldig weiterscrollen und den Star für immer im gerechten Sumpf der Bedeutungslosigkeit versinken.

Verlinke deine Freunde, verlinke nicht deine Freunde

Du feierst das neue Musikvideo dieser jungen Singer-Songwriterin so richtig ab. Mehr noch, die stylischen Bilder lassen deine Endorphine unkontrolliert in alle Richtungen schießen. So auch in Richtung deiner Freunde, die diesen Moment UNBEDINGT mit dir teilen müssen. Schnell tippst du ihre Namen ein und erwartest bis aufs Äußerste gespannt ihre Reaktion, die dann doch nicht mehr als ein unbeeindrucktes „Lame“ sein wird. Als Musiker sind solche Namensverlinkungen natürlich pures Gold. Schließlich ist das der ultimative Beweis, dass der Beitrag es wert war, geteilt zu werden. Dabei ist auch erstmal egal, ob das aufgrund von übermäßiger Beschissenheit oder schlichter Genialität des Produkts passierte. Auf der anderen Seite erbricht sich jeder in sich selbst, der auf das tückische Kommentarsymbol klickt, um sich die Meinung anderer durchzulesen. Endloses Namengedroppe unbekannter Profile sagt eben nicht viel über die tatsächlichen Reaktionen aus.

Julius kommentiert lieber bei Twitter: @Bedtime_Paradox

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