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Interviews

Vom Negativen überwältigt - Full of Hell im Interview

Sänger Dylan reflektiert die dunklen Seiten der menschlichen Existenz.

Foto: Gergane Petrova

Wenn dich jemand fragt, wie die Musik der jungen Kalifornier Full of Hell klingt, kannst du getrost grinsend sagen: Ziemlich genau wie ihr Bandname. Der kompromisslose Mix aus Grind, Noise und Hardcore-Punk, der von verstörenden Texten perfekt eingefangen wird, zerreißt dich wie das infernale Dauerfeuer einer Gatling-Gun. Wenn es einen Teufel gibt, pfeift er fröhlich Lieder von Full of Hell, während er in seiner Folter-Lounge den hilflos ausgelieferten Opfern quälend langsam rostige Nägel unter die Fingernägel schiebt und ihnen dabei Til Schweiger-Filme zeigt.

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Zur Zeit touren Full of Hell von Reykjavik bis Budapest quer durch Europa. Dabei haben sie auch in Berlin Halt gemacht. Ich habe mich zum Plausch mit Sänger Dylan in einem veganen Burgerladen getroffen. Das Bild des komplett Gestörten, der hasserfüllt das Publikum ankeift, ist schwer mit dem ruhigen, von Bright Eyes schwärmenden Dylan zu vereinbaren. Full of Hell ist sein Lebensinhalt, Kunst die Quelle seiner Inspiration und er glaubt Nu Metal stehe kurz davor, ein Revival zu feiern.

Noisey: Der erste Halt eurer Europa-Tour war Island, wie war’s?
Dylan: Wir waren noch nie auf Island und waren wirklich sehr aufgeregt. Zwar haben wir außer den Bergen rund um Reykjavik nicht mehr von der Insel gesehen, aber die beiden Shows waren echt krank. Es waren viele Leute da, nicht nur aus der Hardcore-Szene, sondern insgesamt alle, die sich für extreme Musik interessieren.

Was war eure beste Show der Tour bisher?
Dylan: Letzte Nacht war sehr gut. Der Keller des Koma F hier in Berlin ist der absolut dreckigste Platz, total widerlich. Die Tontechnik und der Sound waren auch schlecht. Ich glaube, das Stromnetz war falsch angeschlossen. Unser Gitarrist hat ständig Stromschläge über seine Gitarre bekommen. Irgendwann musste er sich kurz hinsetzen, weil es zu krass wurde. Das war ziemlich krank.

Du hast nichts abbekommen?
Dylan: Nein, zum Glück nicht. Eigentlich benutze ich aber Pedale für Soundeffekte, aber ich wusste, wenn ich sie berühre, bekomme ich einen Stromschlag. Das wollte ich lieber nicht in Kauf nehmen.

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Habt ihr eine spezielles Vorstellung davon, wie sich das Publikum auf eurer Liveshow fühlen soll?
Dylan: Da steckt keine besondere Intension oder Absicht dahinter. Ich bin damit aufgewachsen, Bands live zu sehen, die sich in ihrer Musik verlieren. Jetzt bin ich es, der sich in unserer Musik verliert. Ich fühle sie einfach, da denke nicht weiter nach. Darum ist es toll, wenn sich diese Leidenschaft auch auf die Zuschauer überträgt.

Was machst du neben der Musik?
Dylan: Ich mache gar nichts. Full of Hell ist der Mittelpunkt meines Lebens. Ich habe die Schule abgebrochen, um dabei zu sein und denke eigentlich an nichts anderes als die Band.

Damit erübrigt sich die Frage, wie du es schaffst, neben dem Job um die Welt zu touren. Aber wovon lebst du dann?
Dylan: Ich habe einen langweiligen Minijob, damit ich das hier machen kann. Aber wir sind jetzt an einem Punkt, wo durch Full of Hell auch ein wenig Geld reinkommt. Das hilft, unsere Lebensunterhaltskosten zu decken.

Du lernst durchs Touren viele unterschiedliche Kulturen und Länder kennen. Inwieweit beeinflusst dich das?
Dylan: Das Touren durch Europa hat mir gezeigt, wie eine offene und respektvolle Musikgemeinschaft aussieht. Zum Beispiel der Punkt der Gastfreundlichkeit: In Europa wird tourenden Bands ein Platz zum Schlafen organisiert und sie bekommen Essen. Das ist vorbildhaft und es beschränkt sich nicht auf einzelne Länder, es ist hier überall so. In den USA ist es ein bisschen anders, es variiert von Region zu Region. In Europa geht es noch darum, sich einen Freiraum zu schaffen und diesen zu pflegen. Das zu erleben, hat mir Mut gemacht.

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Interessiert dich denn die Fußball-Weltmeisterschaft?
Dylan: Nein, ich sehe mir überhaupt keinen Sport an. Bin ein ziemlich langweiliger Typ.

Was denkst du über die FIFA?
Dylan: Du meinst das Unternehmen, dass Häuser in Brasilien plattwalzt? Das ist nichts Neues, bei den Olympischen Spielen ist es das Gleiche. Die Empörung darüber scheint neu zu sein, weil es um Sportevents geht, dabei macht diesen Bullshit jeder größere Konzern. Wie willst du auch Millionen von Menschen, die den Sport so sehr lieben, motivieren, sich gegen die FIFA aufzulehnen?

Im Netz gibt es immer wieder Artikel, die sich kritisch mit der FIFA auseinandersetzen. Manche teilen diese zwar auch Facebook und Twitter, aber das wird auch nichts ändern.
Dylan: Ja, als wolltest du versuchen eine Herde von Kälbern zu lenken. Es ist sehr schwer.

Du schreibst ziemlich düstere, verstörende Texte. Fühlst du dich verpflichtet, dich beim Schreiben dem Charakter der Musik anzupassen?
Dylan: Ich habe nie den Druck verspürt, die Texte in einer bestimmten Stimmung zu schreiben, sie zum Beispiel besonders düster klingen zu lassen. Ich habe immer über Dinge geschrieben, die mein Leben betreffen und die anderen haben schon immer hässliche Musik gemacht. Mich reizt es, die negativen Aspekte der menschlichen Erfahrungen zu reflektieren.

Es fasziniert dich.
Dylan: Ja, ich habe schon immer darüber nachgedacht. Ich bin sehr emphatisch, deswegen überwältigt mich das Negative manchmal.

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Gibt es noch andere Einflüsse?
Dylan: Natürlich, jedes Kunstmedium beeinflusst mich. Jedes Buch, was ich je gelesen habe, jeder Film, den ich je gesehen habe, selbst meine Familie, meine Freunde, Berufserfahrungen, all das hat einen Impact. Vor allem das letzte Jahr war ein Wirbelwind. Wir sind viel getourt und arbeiteten an einer Platte. Ich habe nur wenig Texte geschrieben. Als wir das Artwork von Mark McCoy wiederbekommen haben, waren seine Zeichnungen sehr inspirierend für mich. Danach habe ich blätterweise Texte geschrieben.

In Deutschland gibt es selbst in der Hardcore-Szene immer wieder Trends die zeigen, welche Musik gerade angesagt ist. Ist das in den USA ähnlich?
Dylan: Lustig, dass du es so formulierst. Klar gibt es in jeder Musikszene immer Trends. Dass, was in Deutschland passiert, ist definitiv eine Reflexion davon, was in den USA passiert. Es ist bloß so, dass z.B. Grind-Punk schon immer da war, nur interessieren sich zurzeit auch junge Hardcore-Kids dafür. Wir haben Glück, dass in den USA momentan das schnelle Zeug beliebt ist. Das ist gut für uns.

Was wird als nächstes angesagt sein?
Dylan: Das kannst du nicht voraussagen. In ein paar Jahren wird eben irgendetwas anderes populär sein. Könnte vielleicht Nu Metal sein.

Genau darauf warte ich!
Dylan: Ich hab auch das Gefühl. Viele Hardcore-Bands haben ja diesen Metal-Einfluss. Das ist lustig, weil viele Metal-Bands vor zwanzig Jahren Metal in eine andere Richtung geschoben haben, Sepultura zum Beispiel. Irgendwann entstand daraus Nu Metal. Ich glaube, die heutigen Kids werden sich jetzt umgekehrt von Nu Metal beeinflussen lassen.

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Aber wo sind die Beatdown-HipHop-Bands?
Dylan: Das gibt es auch, zum Beispiel machen das World of Pain aus Kalifornien schon eine Weile. Es wird aber definitiv wiederkommen. Ich war immer fasziniert von der Kultur des Beatdown und HipHop.

Welche Bands sollte ich mir zurzeit nicht entgehen lassen?
Dylan: Aus Deutschland definitiv Deathrite. Ansonsten Gas Chamber aus den USA. Aber ich glaube mit dem Namen werden sie es schwer haben, hier zu touren. Trotzdem, sehr gute Powerviolence Band!

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