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Interviews

„Wir wollen nicht, dass ihr unsere Lieder singt“—Terrorgruppe und Neonschwarz über ihre AfD-Fans

Wie gehen offen linke Bands wie Terrorgruppe oder Neonschwarz damit um, wenn ihre eigenen Fans auch bei der AfD den Daumen nach oben geben?

Das Leben als Musiker muss manchmal schon ziemlich frustrierend sein. Da sitzt du tagelang vor einem leeren Blatt Papier und versuchst, deine klare politische Haltung möglichst passend zum restlichen Sound der Band in Verse zu packen. Später wirst du vor bestimmten Songs sogar noch Ansagen machen, die die Hauptaussage des Textes in einem simplen Kampfgeschrei zusammenfasst. Zum Beispiel „Jeder, der Pegida gut findet, ist ein Idiot!“ Das Publikum jubelt begeistert und singt deine Texte enthusiastisch mit. Du, deine Band, die Hörer, ihr seid zwar nicht immer komplett einer Meinung, aber ihr zieht eine klare Linie, auf deren anderer Seite Rassismus, Sexismus, Homophobie und sonstiger menschenverachtender Dreck böse schaut.

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Die Deutschpunker von der Terrorgruppe und auch die Rapper von Neonschwarz haben auf Facebook das Problem, dass einige Leute ihre Aussagen und Texte nicht kapieren zu wollen scheinen. Immerhin verrät ein Blick auf die Facebook-Fans, dass da manche auch der Alternative für Deutschland einen Daumen nach oben gegeben haben. Und nicht etwa nur, um sich über die Partei lustig zu machen, nein sie teilen auch einschlägig bekannte rechtspopulistische Beiträge. Aber hören dabei gerne linke Musik. Kannst du dir nicht ausdenken.

Wir haben mal bei der Terrorgruppe (öffentliche 59 AfD-Fan-Fans) und Neonschwarz (öffentliche 46 AfD-Fan-Fans) nachgefragt, was sie von solchen Fans halten und wie sie darauf reagieren:

Terrorgruppe

Noisey: Leute liken Terrorgruppe und die AfD. Was sagt ihr?
Archi: Das ist ja eine sehr geringe Zahl und ich bin mir sicher, dass da viele aus Recherchezwecken oder interessehalber der AfD folgen. Andererseits sind wir eine Band, die zehn Jahre nicht im Game war. Wir konnten unsere Fans nicht erziehen. Das kam durch abfällige Posts unsererseits über Frei.Wild oder die Böhsen Onkelz mal wieder zutage, wie viele Fans doch anderer Auffassung waren und nicht so ganz begriffen haben, was unsere Musik bedeutet.

Hören denn manche Leute echt nur die Musik und ist ihnen dabei egal, wofür die Bands stehen?
Als dieses Frei.Wild-Thema bei unseren Fans aufkam, war es erschreckend festzustellen, dass Leute gesagt haben, dass sie beide Bands gut finden und andere die dann fragten, ob sie die Texte der Terrorgruppe denn nicht verstehen würden? Wie man beides gut finden kann, leuchtet uns nicht ein, haha.

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Außerdem ist diese neue rechtspopulistische Problematik nicht mehr rein rechts festmachbar, sondern ein Crossing durch alle Szenen. Man sagt, dass man patriotisch sei und für sein Land einstehen und es schützen will. Das kannst du nicht mehr als Links oder Rechts sehen. Das ist Dummheit, die durch die gesamten Bevölkerungsschichten und die Parteienlandschaft läuft. Das betrifft sicherlich auch uns.

Habt ihr durch diese Erkenntnis, dass ihr Fans habt, die die AfD mögen, einen neuen Rückschluss ziehen können oder habt ihr euch das eh gedacht?
Wir können nur Konsequenzen daraus ziehen. Wir sind eine Band, die anfangs nicht so abhängig von sozialen Netzwerken war. Deswegen interessiert uns das einen Scheißdreck. Wir sind nicht Like-süchtig wie viele andere Bands, die sich nicht trauen, etwas dagegen zu machen. Wir sperren die Leute schnell, die zu dumme Argumente und Posts machen. Oder die Leute löschen ihre Kommentare selbst, weil sie merken, dass sie kein gewünschtes Feedback bekommen. Dann kommt dann „Halt die Fresse, du Spast“ und das reicht.

Letztendlich denkt jeder, er wäre im Recht. Jeder glaubt, der Gute zu sein. Also kann es sich durchaus auch bei unseren Fans so darstellen. Ich hoffe, es sind dann nicht zu viele. Dann habe ich nämlich das Problem, dass sie unsere Texte nie verstanden haben.
Jacho: Vielleicht sind sie dann einfach zu blöd. Wir haben 11500 Likes und davon haben 15 Leute die AfD geliket. Von denen machen das nochmal sieben aus Recherchegründen, oder weil sie wieder vergessen haben, dass sie vor fünf Jahren die AfD geliket haben, weil die gegen den Euro war. Seitdem ist es zu einer reinen Rassistenpartei verkommen und die haben vergessen, zu disliken. Aber der Rest, der ist einfach dumm.

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Neonschwarz

Noisey: Wie steht ihr dazu?
Neonschwarz: Generell dürfen bitte alle Leute Neonschwarz entliken, die gleichzeitig der AfD folgen oder noch viel besser umgekehrt, wenn sie merken, dass sie da einer nationalistischen und rassistischen Partei ihr Däumchen geschenkt haben. Andererseits sagt es vielleicht auch nicht so viel aus, wie es auf den ersten Blick scheint. Manche Leute liken ja auch Seiten, nur um ein Thema zu verfolgen und nicht alle, die mit der AfD sympathisieren, machen das öffentlich, indem sie bei Facebook auf „Gefällt mir“ drücken. Wenn stramme AfD-Fans unsere Musik hören und unsere Postings lesen, sollte ihnen auf jeden Fall schnell klar werden, dass wir die AfD scheiße finden und für sehr gefährlich halten. Vielleicht können wir ein paar zum Umdenken bewegen. Kontrollieren, wer unsere Musik hört, können wir aber sowieso nicht und sehen es auch nicht als unsere Aufgabe, das ständig zu überprüfen, da haben wir Wichtigeres zu tun.

Habt ihr darüber schon mal innerhalb der Band diskutiert?
Bei manchen Postings gibt es schon Idiotenkommentare, darauf folgen aber normalerweise schnell gute Antworten von anderen, die uns folgen. Bisher ist glaube ich noch nichts so eskaliert, dass wir jemanden sperren mussten oder so. In so einem Fall wäre das schon Diskussionsthema.

Wie sehr stört es euch überhaupt?
AfD-Sympathisanten und -Wähler stören uns immer und überall enorm. Es zeigt sich einfach gerade, dass das rechte Wählerpotenzial in Deutschland mit der NPD nicht abgedeckt war und viele aus der „bürgerlichen Mitte“, die vorher möglicherweise die CDU gewählt haben, immer schon rassistischen Positionen zugestimmt haben, ohne sich selber als „Nazi“ zu bezeichnen. Mit der AfD und Pegida auf der Straße hat sich nun fatalerweise das passende Sammelbecken gefunden. So genannte Protestwähler unterschätzen die Gefahr, dass die AfD jetzt tatsächlich in drei Landtagen fünf Jahre lang (!) mitreden und mitentscheiden kann. Und dass es dann nicht nur um Flüchtlingspolitik geht. Wenn man ein Mal in den Entwurf des Parteiprogramms guckt, wird einem doch schlecht. Was wir aber auch nicht vergessen dürfen, ist, dass andere Parteien zur Zeit Gesetze verabschieden, die im Sinne der AfD-Sympathisanten sind. Das macht es nicht besser, wenn dieser „Besorgnis“ aus Machtstreben nachgegeben wird, es geht immerhin um Menschenleben und die grundsätzliche Frage, wie eine solidarische Gesellschaft aussehen kann. Darum scheint es leider gerade den wenigsten zu gehen.

Ist euch schon auf Konzerten aufgefallen, dass die politische Haltung mancher Besucher doch fragwürdig war?
Tatsächlich ist uns in der Hinsicht auf unseren Konzerten noch niemand negativ aufgefallen. Wir machen durch Ansagen und ja auch in vielen Songs sehr deutlich, wie wir uns positionieren und was wir von AfD, Pediga und dem ganzen Mist halten. Da kommt man wirklich schwer dran vorbei. Wir können nur sagen, dass es bisher keine lautstarken Proteste gab, wenn wir ein „Refugees Welcome“-Banner hochgehalten haben und uns sind auch noch keine fragwürdigen T-Shirts aufgefallen. In die Köpfe schauen können wir aber natürlich auch nicht.

Was ist eure Nachricht an diese Leute?
Wir wollen nicht, dass ihr unsere Lieder singt. Da wir das aber sowieso nicht kontrollieren können, behelfen wir uns erstmal mit einem Mittelfinger an die AfD, die NPD, Pegida und deren Sympathisanten. Und empfehlen unsere Songs „2014“ und „2015“.

Julius ist auch bei Twitter: @BackToSchoolius