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Lied-Posting-Gründe nach der Peinlichkeit sortiert

Wir alle posten mal das eine oder andere Lied. Beweggründe gibt es viele und fast alle sind peinlich.

Foto von Isabella Khom und alle Screenshots von der Autorin.

Wir schreiben das Jahr 2015. Die Menschheit ist vernetzt und besitzt zumindest einen Social Media Account. Die einen eh nur für die Arbeit oder Uni, ja ja. Die anderen einfach so. Jedenfalls sitzen in unseren Breitengraden gerade unzählige Menschen jeden Alters vor Facebook und beobachten die anderen bei ihrer Selbstdarstellung oder posten selbst. Diese neuartige soziale Form des Zusammenlebens im Internet hält viele Zukunftsmysterien offen. Die Zeit wird zeigen, wohin es die Menschheit bringt. Ich vermute mal stark, dass es sie weg von der direkten Kommunikation hin zu einer verkorksten Art von Datenaustausch bringt. Raute: Regen macht mich zum Pessimisten.

Wo wir bei Musik wären—der Sprache der Seele. Spätestens seit MySpace wissen wir, dass das A und O der guten und wahren Selbstdarstellung aus Musik besteht. Ich habe mein eigenes Posting-Verhalten und das meiner Freunde analysiert und nach Peinlichkeit sortiert. Aber um fair zu sein: Hauptsächlich mein krankhaftes Facebook-Verhalten. Und bevor der Hate kommt: Jeder Facebook-Lied-Poster hat diese Stufen in sich drinnen. Jeder. Garantiert. Der gute Mix aus allen Beweggründen macht einen Teil der Peinlichkeit weg. Wer zu sehr nur auf einer Stufe picken bleibt, läuft Gefahr, offensichtlich peinlich zu werden. Aber es geht hier um Selbstdarstellung—ein Vokabel, dass eine gewisse Peinlichkeit impliziert. Aber wenn wir uns ehrlich sind: Irgendwie ist es eh auch wurscht. Oder?

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Stufe 1: Der Reine

Gepostet zum Beispiel mit: „Cool!” „Leiwandes Lied!!” „(Y)”

Hier kommen wir zur Quintessenz der Lieder-Postings. Egal, was der wahre Beweggrund ist, jeder möchte, dass sein gepostetes Lied genau so wirkt. Nämlich: Das Lied gefällt mir und ich möchte euch zeigen, was mir gefällt, damit es euch auch gefallen kann. Diese reine Form von Liedpostings findet man tendenziell bei ausgeglichenen Männern und Frauen und Menschen die WIRKLICH erwachsen und reif sind. Also eigentlich bei uns allen. Zumindest zu irgendeinem Zeitpunkt im Leben.

Peinlichkeitspunkte: 2/10. Die zwei Punkte sind da, weil Selbstdarstellung immer ein bisschen peinlich ist. Wenn man darüber nachdenkt.

Das sagst du damit wirklich aus: „Hey du graue Masse an Internet-Freunden, dieses Lied gefällt mir!”

Real-Life-Alternative: Man zeigt seinen Freunden dieses Lied.

Stufe 2: Der Nostalgische

Gepostet zum Beispiel mit: „Das waren Zeiten”, „RIP”

Wer auf Facebook gerne wie ein alter Greis wirkt, obwohl er im arbeitsfähigem Alter ist, der postet Musik, die sein Teenager-Ich besonders gemocht hat. Oder auch nicht gemocht hat. Hat es halt damals im Radio gespielt. Es gibt verschiedene individuelle Gründe, warum man sich zu nostalgischen Postings von Green Day und den Spice Girls hinreißen lässt. Das nostalgische Posting sieht man auch ganz besonders oft, wenn ein Künstler stirbt. Du wirkst dann natürlich ein bisschen wie ein Herdentier, aber who cares, du hast diesen Künstler eben gemocht. Oder gekannt.

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Peinlichkeitspunkte: 2/10. Eigentlich ja 4/10. Da ich selbst die ganze Zeit nostalgische Musik poste, ignorieren wir das.

Das sagst du wirklich damit aus: „Heyyyyyy, ich hatte auch mal so etwas wie eine Jugend und Ö3 hat mich gerade daran erinnert.” Oder: „Auch ich habe das Standard-Posting zum Tod des Künstlers XY gesehen. Das finde ich ur traurig, weil dieses eine Lied von ihm, dass kenne sogar ich.”

Real-Life-Alternative: Eine Bravo-Hits-Party schmeißen und der Nostalgie den Raum geben, den sie verdient.

Stufe 3: Der Super-Poster

Gepostet mit: Einer ganzen Statusmeldung.

Manchmal überkommt es mich in meiner Manie und ich erstelle einen Super-Post. Ein Super-Post hat alles: Eine Statusmeldung, einen YouTube-Link, ein Gefühl, einen Ort und markierte Personen. Der Super-Post lässt keine Fragen offen, aber da sich sowieso niemand etwas gefragt hat, ist es irgendwie egal. Es ist wie ein komplett unnötig gepimpter Cocktail. Oder ein Spiel mit allen, und ich meine wirklich allen, Expansion-Packs. Nur etwas für die ganz besonderen Hard-Liner. Man bekommt von Facebook leider keinen besonderen Award als „Super-User”. Man hat auch sonst eigentlich keinen Mehrwert aus der hergegebenen Information, weil es eh kein Schwein interessiert.

Peinlichkeitspunkte: 6/10. Das ist echter Selbstdarstellungs-Shizzle.

Das sagst du wirklich damit aus: „Ich bin ein Opfer und niemand hält mich und meine Facebook-Sucht auf. Ha-Ha!”

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Real-Life-Alternative: Zuklappen. Einfach den Laptop zuklappen.

Stufe 4: Der Depressive

Gepostet mit: „…”, „:(“

Ob Weltschmerz, Herzschmerz oder irgendeine andere Art von Schmerz—in depressiven Stimmungen kommen die besten Lied-Wuchtel'n. Niemand sagt mehr „Ich bin traurig”. Heute postet man ein trauriges Lied. Manchmal passen sogar die Lyrics—ganz zufällig—perfekt zum Thema. Der Sinn des depressiven Postings bleibt meistens im Verborgenen, da niemand wirklich weiß, weshalb man traurig ist. Es spricht einen auch niemand drauf an. Aber da für den Depressiven ja sowieso nichts Sinn macht, ist das auch OK. Und wir haben es alle schon mal gemacht, weshalb sich ehemals depressive Selbstdarsteller solidarisieren und das durch ein „Gefällt Mir” zeigen.

Peinlichkeitspunkte: 6/10.

Das sagst du damit wirklich aus: „Ich habe keine Real-Life Freunde deshalb poste ich jetzt traurig ein trauriges Lied. Seht nur wie traurig ich bin. :(”

Real-Life-Alternative: Telefonjoker—rufe einen Freund an.

Stufe 5: Der Coole

Gepostet mit: „Yeah!”, „New Shit” oder „Mit Abstand die beste Sonate von Beethoven”

Man muss unterscheiden zwischen dem hippen Coolen und dem intellektuell Coolen. Der hippe Coole, postet das neue Lied als erstes. Vielleicht sogar mit einer eigenen Analyse—jedenfalls findet er das Lied ur cool. Das hat nur bedingt damit zu tun, dass es gerade erst brandneu draußen ist. Oder so. Der hippe-Coole scheut auch nicht davor zu sagen, wenn er fortgeht und hat dazu auch ein passendes, neues Motivation-Lied. Der intellektuelle Coole postet Klassik oder Musik, die mindestens 50 Jahre alt ist. Jazz ist auch sehr beliebt. Nichts schreit mehr nach „HE! Ich bin cool und wahnsinnig gebildet” als irgendeine Jazz-Nummer aus 1960. Die beiden Gruppen hassen sich, können aber auch in einer Person drinnen wohnen. Wie in meinem Fall. Den Coolen ist es auch äußerst wichtig, dass sie nur nebenbei cool erscheinen. Sie posten diese Lieder stets um wie „Der Reine” zu wirken, schaffen es aber leider nicht wirklich, da sie zu bemüht sind.

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Peinlichkeitspunkte: 8/10

Das sagst du damit wirklich aus: „Ich versuche meine Komplexe mit Coolness zu übertünchen. Natürlich achte ich penibel auf meine Außenwirkung, würde das aber eh nie zugeben. YOLO, gell?”

Real-Life-Alternative: Sich im Internet auf einer coolen Seite ein weißes T-Shirt um 50 Euro zu kaufen.

Stufe 6: ALARMSTUFE ROT—DER VERZWEIFELTE

Gepostet mit: „wie wahr…”, Lyrics-Zitate und „……….”

Oh Mann. Du liebst ihn oder sie also. Er oder sie dich nicht. Oder nicht so sehr wie du es gerne hättest. Das Gegenüber hat Facebook. Du auch. Du möchtest nicht darüber sprechen. Also schon, mit all deinen Freunden und Bekannten, aber nicht mit der betroffenen Person. Du möchtest schweigen und leiden. Weil DU gehst da ganz bestimmt erhobenen Hauptes aus der Situation. DU lässt dich doch nicht auf ein Gespräch herunter. Außerdem kannst du die Hälfte der Sachen eh nicht sagen, weil dazu seid ihr noch zu locker. Es wird Zeit ein Lied zu posten, welches exakt und genau zu eurer Situation passt. Ha. Dann kann er oder sie sehen, was angerichtet wurde. Ist übrigens nicht nur für Liebschaften sondern auch für Freundschaften in Verwendung.

Peinlichkeitspunkte: 12/10. Du hast gerade statt einem Gespräch einen YouTube-Link gepostet. Wenn dieser Link auch noch die Lyrics-on-screen Version ist, dann bekommst du 16/10.

Das sagst du damit wirklich aus: „Ich bin feige, verzweifelt und außerdem bin ich auch noch unglücklich verliebt. Oder meine Freunde sind scheiße. Und ihr so?”

Real-Life-Alternative: Heulen und Eis essen oder ein Gespräch beginnen.

Fredi hat auch auf Twitter ein Problem: @schla_wienerin

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