Sammler rupft ausgestopften Greifvögeln Federn aus – Schaden: 5 Millionen Euro

Och, ist das hübsch. Das nehm ich mal mit. Dieser Gedanke ist per se schon mal nicht unproblematisch, zieht auf dem Flohmarkt aber weniger Konflikte nach sich als im Louvre oder dem Deutschen Museum in München. Ein Schweizer mit einer Leidenschaft für seltene Vogelfedern muss sich nun vor der Basler Staatsanwaltschaft verantworten. Er soll ausgestopften Vögeln in Deutschland, Österreich und der Schweiz gezielt Federn ausgerupft haben, berichtet die Zeitung Schweiz am Wochenende in ihrer Printausgabe. Geschätzte Höhe des Sachschadens: 5,5 Millionen Euro.

Ab und zu mal eine Feder mitgehen zu lassen, wäre möglicherweise nicht das Problem gewesen. Doch der 45-jährige Bauverwalter stahl von 2005 bis 2012 ganze 17.250 Exemplare aus naturhistorischen Sammlungen. So viele Federn stellte die Polizei bei einer Hausdurchsuchung sicher. Sein ambitioniertes Ziel sei eine eigene Sammlung gewesen. Und zwar die größte Federkleid-Sammlung der Welt mit Vertretern fast aller Greifvogelarten – ausgestorben oder nicht.

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Der zweifache Familienvater mit Hang zum Gefieder startete seinen Beutezug im Jahr 2007. Er stellte sich in den Museen als Wissenschaftler vor und erhielt so Zugang zu deren nicht öffentlichen Räumen. Türöffner soll sein riesiges Fachwissen gewesen sein, mit dem er die Museumsmitarbeiter von seiner Kompetenz als Vogelkundler überzeugen konnte. Mit viel Vertrauen und ohne Begleitung ließen sie ihn in die internen Schulungsräume.

“Er spielte seine Rolle äußerst überzeugend”, so Johanna Eder, Direk­torin des Naturkundemuseums Stuttgart im Blick. “Hatte er erstmal Zugang, riss er den Exponaten ganze Flügel und Schwänze ab und schmuggelte sie raus.” Federn von insgesamt 167 Vogelarten bekam der Schweizer auf diese Weise aus Museen in Basel, Bern, Neuenburg, Stuttgart, Frankfurt am Main, Wien, München und Berlin zusammen. Dabei interessierten ihn vor allem die Schwung- und Schwanzfedern der Tiere.

Zuerst fiel der Diebstahl 2012 in Berlin auf. Sofort warnte das betroffene Museum auch die anderen größeren Sammlungen vor dem Federdieb. Zahlreiche Museen sollen seitdem ihre Sicherheitsvorkehrungen verschärft haben und nehmen eine genauere Überprüfung von Fachbesuchern vor. Neben den Besuchern müssen natürlich auch die Vögel genau gecheckt werden. “Wir wussten, dass der Mann auch bei uns war. Meine Aufgabe war es, den Bestand an Greifvögeln, Eulen und Falken auf Schäden zu kontrollieren. Das sind mehrere hundert Stück”, so Markus Unsöld, Kurator der Zoologischen Staatssammlung Obermenzing, gegenüber der tz. Im Jahr 2012 soll der Schweizer Vogelfan dann auch seine kleptomanische Tätigkeit eingestellt haben.

Einer der Pechvögel war übrigens ein Typus-Exemplar, also ein Urtypus, nach dem eine ganze Art benannt wurde. Der erste Kurator der Zoologischen Staatssammlung hatte es im 19. Jahrhundert in die Sammlung gebracht. Auch daran hat sich der fröhliche Hobbysammler vergangen. Ein enormer Schaden für die Wissenschaft.

Bei dem Schweizer Tierpräparator und Falkner Erich Widmer war der Sammler in den 90er Jahren Kunde. Wie hunderte andere auch. Widmer war die Sammeltätigkeit damals nicht bekannt. In einer E-Mail an VICE merkt er jedoch an, dass die erste harmlose Begeisterung bei extremen Sammlern jedes Fachgebiets durchaus in eine Sucht umschlagen kann. In diesem betreffenden Fall hat der Vogelfan für seine exklusive Privatausstellung sogar ein eigenes Zimmer eingerichtet.

Der sammelwütige Schweizer ist ein Einzeltäter. Doch es existiert durchaus einen großer illegaler Markt mit Vogelfedern, der vor allem von chinesischen Großhändlern ausgeht, die ihre Produkte in die ganze Welt exportieren. “Praktisch alle Federn werden ohne entsprechende Bewilligungen in die ganze Welt verkauft. Alles von extra dafür getöteten Adlern, Eulen, Weihen, Habichten, Bussarden … zu Aberhunderten. Da ist eine riesen Schweinerei am Laufen!”

Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft Basel wegen Sachbeschädigung und gewerbsmäßigen Diebstahls. Der wissenschaftliche Verlust sei unermesslich, da von einigen Präparaten nun keine unbeschädigten Exemplare mehr existierten, äußerte sich die Staatsanwaltschaft gegenüber dem Deutschlandfunk. Der Prozess soll Ende des Monats beginnen.

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