Wir haben alle 10 Fehler im neuen Samy-Deluxe-Video für Penny gefunden

An wen soll man sich in unruhigen Zeiten noch halten? Natürlich an gestandene Rapper. Sie werden einem sagen, was zu tun ist. Samy Deluxe zum Beispiel, stets ein Garant für die richtige Seite. Nach seinen Engagements für die GEZ und die Rügenwalder Mühle hat er nun ein neues Ass im Ärmel: einen Song für den Power-Discounter Penny.

1. Worst of

“Fleisch auf den Grill legen”

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Genau das verlangt der Refrain. Im Video kommen bärtige Komparsen an einem freistehenden Grill der Aufforderung nach. Als Zuschauer kann man sich nicht entscheiden: Ist das jetzt das komplett nutzlose Hipster-Bataillon einer Steffen-Henssler-Bürgerwehr – oder machen “Worst of Chefkoch” jetzt auch HipHop-Videos?

2. Omi Bargeld

“Jede unserer Handbewegungen hat ein‘ besonderen Sinn, weil wir eine Bewegung sind!”

Alte Songzeile (nicht von Samy, sondern Tocotronic), passt immer noch: Jede Subkultur grenzt sich mit ihren eigenen Gesten, ihrem eigenem Slang vom Mainstream ab. Wer nicht drin ist, kapiert gar nichts.

Heute humpelt der Mainstream allerdings nicht wie früher Jahrzehnte hinterher, sondern man spürt schnell seinen wurstigen Atem im Nacken. Immer schneller droht die feindliche Übernahme. “I bims” ist Sparkassen-Sprech und McDonald’s “gönnt” sich.

Mit diesem Video-Clip hier muss nun von einem weiteren Move Abschied genommen werden: der Handbewegung, die Geldscheine in der Luft verteilt. Die hat Samy bei seinem Deal gleich mitverkauft – und im Video wird sie bezeichnenderweise von einer Oma gefeatured. Kulturelle Aneignung mal anders!

3. Drive-by-Grüße

“Ich meine da, wo dich Menschen im Vorbeifahren grüßen”

Früher warf man sich in der Hood noch ganz normal auf den Boden, wenn ein Auto neben einem langsamer wurde, das Fenster runterging und eine Hand rauskam. Doch Entwarnung, im Schöner-Wohnen-HipHop der Zehner wird hier bloß noch gewunken statt geballert. Diese Zeile ist wirklich die letztgültige Gentrifizierung von Drive-by-Shooting – und das ganze Stücke die Antithese zu Sidos “Mein Block”.

4. Gentrifi…?

“Von der netten Omi, die da oben glotzt / bis zu ihrem Enkel, der mit seinen Jungs auf der Treppe hockt”

In “Danke für 45 Jahre Nachbarschaft” ist das Viertel wirklich noch in Ordnung. Künstler, Bio-Hipster, ja ganze Familien-Generationen wohnen begeistert unter einem Dach. Man kann es sich leisten. Gentrifi…was bitte?


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5. Konzern-Interessen in deiner Nachbarschaft

Der international agierende Lebensmittel-Multi Penny praktiziert speziell in Großstädten eine aggressive Expansionspolitik. Gewerbefläche wird für kleinere Ladeninhaber in diesem ungleichen Wettbewerb unbezahlbar, die Gentrifizierung immer weiter befeuert. Spürt eh jeder. Man muss fürchten, sich Stadt bald nicht mehr leisten zu können. Ganz besonders gilt das auch für prekär Beschäftigte in Discounter-Filialen. Krank zur Arbeit, umgangene Tarifverträge, aber es lebe die geile Hipster-Nachbarschaft in unserem Viertel. Danke Penny, danke Samy!

6. Torte 45

Bin ich eigentlich der einzige, der bei dieser Torte mit der 45 auf der Glasur ans Ende des zweiten Weltkriegs denkt? Einzig guter Moment im Clip. Meine Meinung!

7. Ohne Titel

Das Stück trägt übrigens keinen wirklichen Titel auf YouTube, man findet es dort ganz sparsam unter “Danke für 45 Jahre Nachbarschaft” – und vor allem ohne den Namen von Samy Deluxe. Der taucht erst im Kleingedruckten der Beschreibung auf.

Bei all diesem so persönlichen und wohlfeilen Geschwafel über Nachbarschaft war es für Samy wohl am Allerwichtigsten, dass bei diesem pervertierten Community-Werke-Gelaber sein Name nicht auftaucht … Zumindest nicht sofort … Also nicht, dass es noch viel Kredibilität zu bewahren gäbe im Hause Deluxe.

8. Humanismus als Ware

In den 90er Jahren lernte man durch das Beispiel Grunge, dass die Musikindustrie sogar Musikindustrie-Feindlichkeit verkaufen kann. Opposition wurde neue heiße Ware. Lange Zeit mochte man glauben, zynischer geht es nicht mehr.

Doch wenn man in diesem Clip von Samy sieht, wie es heute darum geht, eine hyperkapitalistische Marke als “deinen Freund” zu etikettieren, also dann findet man dagegen fast schon wieder Cobains Schrotflinte human.

9. Mit dem Steifen an der Penny-Kasse – aber familienfreundlich!

JA OK, wir haben verstanden: Nachbarschaft ist das Geilste. Vor allem, wenn man nicht in diesem Benetton-Horrorhaus aus diesem Video leben muss, sondern bloß für Honorar den Grusel-Soundtrack dafür schreibt. Aber dennoch handelt es sich hierbei immer noch um knallharten HipHop. Es hören also notgeile 15-Jährige zu!

Klar, in Samys Fall natürlich um zwanzig Jahre gealterte 15-Jährige. Da muss man in seinen Lyrics also nicht mehr mit dem erigierten Glied die Türen einschlagen, aber ein bisschen Erotik darf auch für die ergrauten Fans von einst sein. Daher diese blutleere Pin-up-Imagination: “Die Aerobic-Trainerin wohnt mutterseelenallein und die Nachbarn stehen Schlange, um sich Zucker auszuleihen.”

Ach, Samy! Was soll man sagen? Na, zum Beispiel: You give stalking a good name!

10. Aldi-Disstrack

Dieser Koop-Move von Samy Deluxe und MC Penny möge nicht ungesühnt bleiben. Wenn allerdings noch mehr Discounter-Lappen HipHop machen, kaufe ich meine Lebensmittel demnächst bei Helene Fischer.

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