Satire ist eben doch ein Freipass, Bundesrätin Leuthard!

Lest hier alles rund um den Anschlag auf die Redaktion von Charlie Hebdo in Paris: #JeSuisCharlie

Doris Leuthard ist Vorsteherin des Umwelt-, Energie- und Verkehrsdepartements. Sie ist nicht Aussenministerin. Sie ist nicht Bundespräsidentin. Man darf sich fragen, weshalb sie über den Twitter-Account ihres Departements folgendes Statement kommunizierte:

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Das sorgte für viele schockierte und wütende Tweets:

Die UVEK-Vorsteherin ist als solche auch Medienministerin. Aber wieso hat es Bundesrätin Leuthard nötig hat, diesen Anschlag mit diesem Einstiegsatz zu garnieren? Satire soll also kein Freipass sein.

140 Zeichen für ein Twitter-Statement und das packt Bundesrätin Leuthard rein. Dieser Satz muss auch als eigentlicher Inhalt dieses Tweets betrachtet werden, denn natürlich ist es aufs Schärfste zu verurteilen, wenn Leute andere Leute erschiessen. Natürlich bekunden offizielle Stellen ihr Beileid. Aber das hat der Gesamtbundesrat bereits gemacht.

Im Dezember waren wir alle schockiert, da unser aller Roger Schawinski ausnahmsweise zurückhaltender war als sein Talkshow-Gast. Der Satiriker Andreas Thiel war polemisch und wurde immer wieder persönlich, hat Schawinski unter anderem gefragt, ob er ein „Papierli-Jude” sei.

Quelle: Youtube

In der Woche davor hat derselbe Andreas Thiel in der Weltwoche eine Titelstory geschrieben, die dermassen islamophob ist, wie es sich wohl nur gelernte Zeichner leisten können. Beides hat schockiert, aber beides hat deshalb schockiert, da weder Roger Schawinskis Talkshow noch die Weltwoche satirische Medien sind. Ja, das Recht auf Redefreiheit erlaubt keinen Rassismus und keine Verleumdung—es ist gut, wenn Bundesrätin Leuthard jeder Form von Hetze entgegentritt.

Aber Satire soll und muss alles dürfen. Genauso wie Literatur alles darf—niemand wird Michel Houellebecq für den heutigen Anschlag verantwortlich machen. Obwohl sein neuer Roman „Unterwerfung” ein Zukunftsszenario skizziert, in dem die französische Präsidentschaftswahl zwischen Marine Le Pen und einem Islam-Vertreter entschieden wird. Auch wenn Houellebecqs Roman auf dem letzten Titel von Charlie Hebdo war.

Satire ist ein Freipass und muss auch einer sein. Und bei aller Relevanz, die Charlie Hebdo in Frankreich hat und hoffentlich weiter haben wird—schon ab 13.46 wurde vom offiziellen Charlie Hebdo-Account wieder getwittert—bleibt es ein satirisches Format.

Charlie Hebdo will den Clash of Civilizations nicht mitmachen, aber hält die Religions- und Meinungsfreiheit hoch. Genau dort wo Satire auf aggressives Gegenecho stösst, dort wo ihre Daseinsberechtigung am meisten hinterfragt wird, muss sie umso erbarmungsloser nachbohren.

Bundesrätin Leuthard scheint den Auftrag von Satire anders zu sehen. Es macht Angst, wenn die Medienministerin nicht versteht, was die Aufgabe von Satire ist. Für unsere Medienministerin hat der Satiriker eine Mitverantwortung für die Folgen seiner Arbeit. Es gibt ihrer Meinung nach einen Raum, in dem sich Satire bewegen darf—wird dieser Raum durchbrochen, sind Autoren, Satiriker, Karikaturisten für die Folgen mitverantwortlich. Aber dabei ist der Bruch, der Ausbruch, aus einem wie auch immer definierten Diskurs-, Common Sense-, Political Correctness-Raum das Urprinzip von Satire.

Immerhin reagiert die offiziell-offizielle Schweiz korrekt, denn in der Erklärung des Gesamtbundesrates werden die Anschläge verurteilt, ohne dass im selben Statement zurückgerudert wird: „Der Anschlag zeige, dass diese grundlegenden Rechte und Freiheiten auch in westlichen Demokratien nicht selbstverständlich seien und mit allen Mitteln verteidigt werden müssten.”

Am Abend meldete sich das UVEK noch mit folgendem Update:

Aber die Nachwirkung ihrer Aussage bleibt:

Titelbild von World Economic Forum; Wikimedia Commons; CC BY-SA 2.0