Schokolade kann man nie genug haben—das weiß jedes Kind. Und auch, welch große Überraschung, Schokoladenhersteller wissen das.Doch die Zeiten sind hart: Auch wenn die Nachfrage nach Schokolade so hoch wie nie zuvor ist, wird der Anbau durch den Klimawandel und den fehlenden Nachwuchs, der eher in die Städte zieht, als die Plantagen der Eltern weiterzuführen, zunehmend erschwert. Um die Welt mit Schokolade versorgen zu können, brauchen die Hersteller viel mehr Kakao. Dafür haben sie eine Milliarde Dollar in Kakaoplantagen in den wichtigsten Anbauländern wie Côte d’Ivoire und Ghana investiert, um die Produktivität zu steigern und eine drohende „Schokokalypse”zu verhindern.
Eine Welt ohne Schokolade ist kaum vorstellbar und zum Glück ist die Schokokalypse auch noch nicht eingetreten. Letztes Jahr gab es sogar einen Produktionsüberschuss. Allerdings sind die Schokoladenpreise seit 2012 um 40 Prozent gestiegen, im Gegensatz zu vielen anderen Waren, deren Preise gefallen sind, wie das Wall Street Journal berichtet. Allerdings wird es durch verschiedene Faktoren zunehmend schwieriger, den Bedarf zu decken.
Videos by VICE
Auch beim Blick in die Zukunft ist klar, dass die Hersteller mehr Kakaobohnen brauchen, um das Verlangen nach dem süßen Stoff zu befriedigen: Der Schokoladenkonsum in China und Indien steigt stetig, allein dadurch gibt es 2 Milliarden neue „Schokoholiker”. Firmen wie Mars Inc., Mondelez und auch Nestlé investieren in eine verbesserte Kakaowirtschaft, indem sie professionelle Landwirtschaftsexperten in die Anbaugebiete entsenden, die den Bauern Anbaumethoden zeigen, die auch unter erschwerten Bedingungen zu einem gesteigerten Ertrag führen.
„Sie müssen ihre Anbautechnik verändern”, so Yaa Amekudzi, Leiterin des Nachhaltigkeitsprogramms von Mondelez in Ghana, gegenüber dem Wall Street Journal. „Unsere Großväter hatten ganz andere Bedingungen: Es gibt mittlerweile weniger Wälder, weniger Regen und auch die Böden sind nicht mehr so fruchtbar… Der Nachwuchs flieht oft in die Stadt, in der Hoffnung auf ein besseres Leben.”
Mondelez will bis 2022 mindestens 400 Millionen US-Dollar (circa 360 Millionen Euro) in das firmeneigene Programm stecken und so gemeinsam mit Bauern und Behörden vor Ort Best Practices großflächig umsetzen.Mars Inc. und Nestlé haben ähnliche Initiativen ins Leben gerufen. Junge Kakaobauern lernen, wie man die Kakaobäume richtig anpflanzt, beschneidet und düngt. Oft geht es dabei auch richtig technisch zu: Ein weiterer Schokoladenproduzent, Hershey’s aus den USA, sendet seinen Kakaobauern in Ghana per SMS Informationen und Tipps zu Wetter und Marketing, wodurch in Einzelfällen die Kakaoproduktion um bis zu 46 Prozent gesteigert werden konnte.
Auch Mars hat eigene Fachleute in die Kakaoanbauländer geschickt, die den Bauern zeigen, wie Kakaopflanzen veredelt werden: Dabei wird eine junge Kakaopflanze an alte Bäume gepfropft, die bereits 10 oder 20 Jahre lang stehen und immer geringere Erträge liefern. Durch das Veredeln kann ihnen sozusagen neuer Lebenssaft eingehaucht werden. Auf einer kleinen Testplantage in Petit Bondoukou, einem Dorf in der Elfenbeinküste, hat diese Methode bereits die Erträge massiv gesteigert: Hier können pro Hektar 3.000 Kilogramm Kakao geerntet werden, das Sechsfache des Durchschnitts in Côte d’Ivoire, dem größten Anbaugebiet für Kakao weltweit.
Veredelung stößt allerdings auch an ihre Grenzen: Begeistert von den Testergebnissen haben die Kakaobauern bei den Behörden angefragt, diese Methode auf ihren ganzen Plantagen anwenden zu dürfen, was jedoch abgelehnt wurde, in der Sorge, dass veredelte Bäume zu mehr Krankheiten führen könnten.
Im letzten September lag die Kakaoproduktion in Ghana, wo es immer wieder zu Dürren und Krankheiten und die Regierung oft ihren Kurs wechselte, 18 Prozent unter der des Vorjahres. Auch dieses Jahr soll die Produktion in der Elfenbeinküste und in Ghana wieder zurückgehen—beide Länder produzieren zusammen 60 Prozent des gesamten Kakaos weltweit. Der Rückgang liegt teilweise auch am diesjährigen El Niño, der zu einer der schlimmsten Dürreperioden in Afrika seit 30 Jahren geführt hat.
„Wir müssen diesen Teufelskreis durchbrechen, die Produktivität und die Löhne der Bauern steigern und den kommenden Generationen Lust darauf machen, im Kakaoanbau zu arbeiten”, so Yaa Amekudzi im Wall Street Journal. „Ohne sie wird es keinen Kakao geben!”
Das ist sicherlich etwas, das wir alle verhindern wollen. Aber es gibt auch noch weitere Stolpersteine: In den Kakaoanbaugebieten ist Kinderarbeit gängige Praxis. Obwohl offiziell verboten, steigen die Zahlen weiter an, immerhin um fast 20 Prozent zwischen 2008 und 2014. Nestlé hat ein eigenes Überwachungssystem eingeführt, um nachverfolgen zu können, wo Kinder unter gefährlichen Bedingungen arbeiten. Die Firma setzt sich dafür ein, dass die Familien Geburtsurkunden erhalten, damit die Kinder zur Schule gehen können und dass die Kinder das notwendige Schulmaterial bekommen.
Ganz schön viel Gedankenfutter. Beim nächsten Biss in einen Schokoriegel sollten wir vielleicht einen kurzen Moment an den Kakaobauern verschwenden, der alles tut, damit er noch mehr Kakao erntet, nur damit er ihn an Hersteller verkaufen kann, die unser aller Lieblingsessen (neben Pizza natürlich) produzieren.