Schon wieder bekommt eine NSU-Opfer-Anwältin ein Drohschreiben

Die NSU-Opfer-Anwältin Seda Başay-Yildiz

Was Polizisten in ihrer Freizeit machen, kann einem völlig schnurz sein. Zumindest dann, wenn es um ausgefallene Sexvorlieben oder wilde Alkoholexzesse am Wochenende geht. Wenn sie aber gerne Hitler-Bildchen hin und her schicken oder rassistisch motivierte Drohbriefe schreiben, sieht die Sache anders aus. Vor allem, wenn das innerhalb weniger Monate und allem Anschein nach gleich zweimal passiert.

Die Anwältin Seda Başay-Yildiz, die auch eines der Opfer im NSU-Prozess vertrat, erhielt im August ein Drohschreiben per Fax. Darin beleidigte man sie unter anderem als “Türkensau” und drohte damit, ihre zweijährige Tochter zu “schlachten”. Unterschrieben wurde das Ganze mit “NSU 2.0.” – VICE berichtete. Laut Başay-Yildiz kannte der Verfasser oder die Verfasserin nicht nur ihre Adresse, sondern auch den Namen ihrer Tochter. Beides hatte die Anwältin nach eigenen Angaben nie öffentlich gemacht. Im Dezember kam raus, dass jemand im Sommer von einem Dienstcomputer der Frankfurter Polizei Başay-Yildiz Namen durch das interne Polizeisystem laufen ließ. Ohne erkennbaren Grund. Kurz vorher waren eine Frankfurter Polizistin und vier Polizisten durch rassistische WhatsApp-Nachrichten und verfassungsfeindliche Symbole auffällig geworden. Die Staatsanwaltschaft bestätigte damals gegenüber VICE, dass gegen mehrere Polizisten ermittelt werde.

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Obwohl im Dezember fünf Polizisten suspendiert worden waren, bekam Başay-Yildiz jetzt erneut ein Droh-Fax des selbsternannten “NSU 2.0.”. Und wieder kennen die unbekannten Verfasser Details, die eigentlich nur die Polizei kennen kann, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet. Zum Beispiel die Namen ihrer Mutter, ihres Vaters und ihres Mannes – das sind alles Menschen, die unter Başay-Yildiz’ Adresse gemeldet sind. Außerdem beziehe sich das Drohschreiben eindeutig auf die Suspendierung der Frankfurter Polizeibeamten.

Die SZ veröffentlichte einen Auszug des Schreibens. Darin steht: “Dir hirntoten Scheißdöner ist offensichtlich nicht bewusst, was du unseren Polizeikollegen angetan hast! Allerdings kommt es jetzt richtig dicke für dich, du Türkensau! Deiner Scheiß (Name der Tochter) reißen wir den Kopf ab … und der Rest eurer Dönercrew wird ebenfalls kompetent betreut werden.”


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Das erneute Schreiben lässt am ehesten den Schluss zu, dass der oder die Täter noch nicht gefasst sind. Dennoch habe die Polizei der Anwältin versichert, dass keine Gefahr für sie bestehe. Doch bei einem Besuch sollen Beamten ihr angeboten haben, einen Waffenschein zu besorgen, falls sie sich schützen wolle. Başay-Yildiz reagierte laut SZ ganz schön irritiert auf das Angebot: “Ich soll mich bewaffnen? In Deutschland? Nur, um meiner Arbeit als Anwältin nachzugehen?”, wird sie zitiert.

Tatsächlich erscheint es ziemlich irre, dass die Polizei einen Waffenschein empfiehlt, statt selbst für ausreichend Schutz zu sorgen. Oder trauen sie ihren eigenen Kollegen nicht mehr genug, um diesen Schutz zu gewährleisten? Sollte es wirklich stimmen, dass weitere Polizistinnen und Polizisten gemeinsame Sache mit Rechtsextremen machen oder gar selbst welche sind, wäre das eine absolute Katastrophe.

Im Interview mit der SZ zeigt sich Başay-Yildiz, trotz allem, sehr kämpferisch: “Die Täter wollen mich einschüchtern, aber ich werde nicht aufgeben”.

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