Die Kleinstadt Meiningen in Südthüringen hat bisher wohl eher weniger euer Aufsehen erregt. Zu Unrecht. Liegt hier doch die Wiege des modernen Schauspiels, wie es heute sogar in Hollywood praktiziert wird. Mal ganz zu schweigen davon, dass das zur Stadt gehörnde Schloss Elisabethenburg Ende August zur Kulisse für ein höchst innovatives Projection-Mapping-Projekt umfunktioniert wurde. Doch der Reihe nach.
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Die Kunst des Theaters war Jahrhunderte lang hauptsächlich ein Sammelbecken für narzisstische Selbstdarsteller. Bühnenbild, Kostüme, Werktreue oder gar Regiearbeit, wie wir sie heute kennen, spielten eine dem Ego der Schauspieler untergeordnete Rolle. Technischer Fortschritt, wie das elektrische Licht, und rapide gesellschaftliche Veränderungen machten eine Reform des Theaters gegen Ende des 19. Jahrhunderts aber unumgänglich. Meiningens Herzog Georg II, so in etwa das thüringische Pendant zu Friedrich II., nahm sich der Sache bereitwillig an. Die auf seine Initiative herausgearbeiteten Meininger Prinzipien, die ihr im Detail hier nachlesen könnt, prägen bis heute Schauspielschulen und Theater weltweit.
Foto: Felix Dondera
Der Todestag des als Theaterherzog bekannten Kunstmäzens, der auch selbst gern Regie führte oder Kostüme entwarf, jährt sich 2014 zum 100. Mal. Anlass genug, die Geschichte Georg II. auf kreative Weise und multimedial in Szene zu setzen. Dachte sich zumindest Kulturreferentin Dana Kern, die 13 Studierende der Bauhaus-Universität Weimar mit der Aufgabe betraute, einem öffentlichen Publikum unter dem Einsatz moderner Technologie das Wirken des Theaterherzogs näherzubringen. Als pompöse Fassade wurde den jungen Medienkünstlern die 120 Meter lange Außenverkleidung des barocken Schlosses Elisabethenburg in Meiningen, ehemalige Residenz von Georg II., zur Verfügung gestellt.
Maßstabsgetreues Modell des Schlosses zum Testen des Videomapping (Foto: Felix Dondera)
In Kooperation der Studiengänge MediaArchitecture und Medieninformatik entstand so die interaktive Fassadenprojektion Georg II – Die mysteriöse Theatermaschine. Im Rahmen von vier Masterarbeiten beschäftigten sich Studierende der MediaArchitecture ein Jahr lang mit Modellbau, Storyboarding, Archiv-Recherche und 3D-Animation, um ein Konzept für ein Videomapping auf der besonderen Fassade zu entwickeln. Sie dachten sich als Rahmenhandlung der Installation außerdem folgende Geschichte aus:
Über hundert Jahre lag ein Stück Papier verborgen im Keller des Meininger Schlosses. Es handelt sich um einen Konstruktionsplan für eine mysteriöse Theatermaschine aus der Feder des Herzog Georg II. Aber wofür genau ist diese Maschine gut? Um das herauszufinden haben sich Studenten der Bauhaus Universität Weimar daran gemacht, diese Maschine zu rekonstruieren. Erste Erkenntnisse verraten, dass es sich um ein höchstmodernes, interaktives Fassadenprojektionsgerät handelt. Es vereint Licht und Musik, reagiert auf große und kleine Menschen und stellt nur eine Bedingung – die Fassade des Schlosses Elisabethenburg.
Reaktives Videomapping im Eingangstunnel zur Installation (Foto: Candy Welz)
Die kleinen Menschen in der fiktiven Geschichte kamen dann tatsächlich in den Wochen vor der Installation in der Meininger Innenstadt zum Einsatz. Per Schnitzeljagd suchten insgesamt 100 Schüler zwölf in der Stadt versteckte LED-Lichtkugeln. Jede Kugel repräsentiert eines der zwölf Meininger Prinzipien. Nebenbei studierten die Kinder eine Choreographie ein, um mit den zwölf Kugeln am Abend der Installation die Theatermaschine in Gang zu setzen. Vorher mussten die Besucher der Installation allerdings einen Eingangstunnel durchqueren. Per Infrarotschranke lösten sie hier eine einleitende Videomapping-Sequenz aus. Im Innenhof des Schlosses angekommen, setzten nun die mit LED-Anzügen ausgestatteten Kinder mit Hilfe der 12 Lichtkugeln die Theatermaschinein Gang.
Foto: Candy Welz
Es folgte ein zwölfminütiges Projection-Mapping-Feuerwerk auf der Fassade des Schlosses, das mit seinen zwei runden Flügeln an eine Theaterbühne erinnert. Anhand audio-visueller Interpretationen der Meininger Prinzipien stellten die Studierenden Georgs Ideale wie Symmetrie und Parallelität im Bühnenbild oder blasse Farben in der Dekoration auf abstrakte Weise dar.
Foto: Candy Welz
Das Interface für die Theatermaschine (Foto: Anke von der Heide)
So richtig interaktiv wurde es dann erst gegen Ende der Installation. Mit Hilfe einer dreiteiligen Seilmaschine setzten die Besucher mit Industriesensoren bestückte Räder in Bewegung. Per Processing-Software wurden die eingelesenen Bewegungendaten der Maschine vor Ort in dynamisches Mapping auf der Schlossfassade verarbeitet. Auf insgesamt drei Ebenen bzw. über drei Seile konnten die Besucher Einfluss auf Form und Geschwindigkeit der Visuals nehmen. Konstruiert wurde das mechanisch-digitale Interface zwischen Mensch und Maschine von den Angehörigen des Studiengangs Medieninformatik. Als Ausgangsmaterial für die interaktiven Projektionen dienten Originalzeichnungen Georg II.
Das Team aus Weimar wird sein Projekt im Rahmen des Connecting Cities Lichtparcours dieses Wochenende beim Kulturfestival Wedding-Moabit vorstellen.
Seht hier noch ein kurzes Behind-the-Scenes zur mysteriösen Theatermaschine:
Schloss Elisabethenburg vor der Installation (Foto: Anke von der Heide)
Das Team des Projekts:
Prof. Andreas Kästner, Lehrstuhl Darstellungsmethodik, Prof. Eva Hornecker, Lehrstuhl Human-Computer Interaction
Videomapping & Eventkonzept
Betreuung: Anke von der Heide, Dr. Sabine Zierold, Prof. Andreas Kästner
Studierende des Studiengangs Medienarchitektur: Aidas Čergelis, Felix Dondera, Christoph Drews, Jonas Lideikis, Reinaldo Verde und Christoph Drews
Interaktion
Betreuung: Patrick Tobias Fischer, Prof. Dr. Eva Hornecker
Studierende der Studiengänge MedienInformatik / Computer Science & Media / Medienarchitektur Sorayya Akbari, Till Fastnacht, Hesam Jannesar, Aryan Khosravani, Gerrit Luensdorf Djamel Merad, Fernando MillanGerrit Luensdorf, Matti Wiegmann, Sorayya Akbari, Hesam Jannesar, Aryan Khosravani, Fernando Millan