Vergleicht man die Konsumzahlen von Crystal Meth und Cannabis, so liegt Gras mit Abstand vorne. Trotz des angeblichen, in Wahrheit jedoch medial gehypten Crystal-Booms steigen die Konsumzahlen zwar an, andere illegale Substanzen wie Koks oder Speed liegen aber noch weit vor dem gar nicht so neuen Metamphetamin. Trotzdem dreht sich die erfolgreichste Fernsehserie der vergangenen Jahre um die Lieblingsdroge der Wehrmacht. Wer Breaking Bad anschaut, weiß spätestens nach der ersten Staffel, wie man Crystal Meth herstellt (na ja, so ungefähr).
Wieso gibt es so was nicht für Gras? Eine Serie, in der man wirklich realistisch gezeigt bekommt, wie die Szene so tickt. Ohne Plastik-Blüten, Tabak-Joints oder Klischee-Kiffer mit dunkelroten Augen, verlangsamter Reaktion und schwerer Zunge. Schließlich handeln nicht mal die miesesten TV-Serien über Alkohol-Dealer wie der Winzerkönig von dauertrunkenen Outlaws, die vernebelt durchs Leben stolpern. Deutsche Serien, die sich mit Grasanbau beschäftigen, haben mit dem, was versteckt in Deutschlands Indoor-Gärten wächst, wenig zu tun.
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Ferris MC und Eko Fresh bauen in Blockbustaz zwar ständig Weed an, Blätter und Blüten und ihr Know-How übers Growen kommen aber leider aus der Requisite, die zu diesem Zweck das so ziemlich billigste Plastik-Hanfpflänzchen nutzt, das es online zu kaufen gibt. Außer den paar falschen Buds, Fake-Joints und einer Schubkarre voller Halbwissen und Vorurteile haben Ferris und Eko in Sachen Weed und dessen Anbau nicht viel zu bieten.
Noch schlimmer als bei den beiden geht es nur im Frauenknast oder bei bei GZSZ zu, wo mithilfe growender Bösewichter Cannabis missbraucht wird, um die Moralkeule gegen kiffende Mitmenschen zu schwingen.
Auch von der Lindenstraße, wo bald ein Cannabis growender “Hanf Beimer” auf uns warten könnte, dürfte in Sachen Anbautechniken nicht allzu viel zu erwarten sein. Kurzum, Deutschland hat wenig TV-taugliche Cannabis-Kultur zu bieten. Das heißt aber nicht, dass es so was nicht gäbe, allerdings muss man als Europäer schon das World Wide Web nutzen, um Unterhaltung und Grasanbau halbwegs intelligent miteinander verknüpfen zu können. In den USA gibt es eine Handvoll Serien, die entweder auf privaten TV-Sendern oder online ziemlich erfolgreich sind. Die bekannteste unter ihnen wurde als synchronisierte Fassung auch im ZDF ausgestrahlt.
Weeds
Hier wird das Klischee der guten, besorgten Kiffer-Mutter mit Geschäftssinn bedient. Nach dem Tod ihres Mannes dealt sich Mary-Louise Parker durchs Leben und kommt so zwangsweise auch mit dem Anbau von Cannabis in Kontakt. Obwohl die Serie den Verkauf und die Szene halbwegs realistisch trifft, hapert es im Growraum umso mehr. Das fängt beim Aufbau an, wo einer der größten Grasdünger-Produzenten der USA Schleichwerbung in Form seines riesigen Banners platzieren konnte. Kein Grower würde sich einen bunten Werbebanner in den Growraum hängen, weil so ein bunter Plastiklappen die Lichtreflektion stört und somit den Ertrag mindert. Auch sonst hat Nancys Growraum grobe Schwächen, die vom falschen Licht über viel zu hohe Pflanzen bis zur Pseudo-Blüte reichen. Übers Grasverkaufen kann man bei der ersten großen Gras-Serie schon was lernen, übers Growen hingegen nicht.
Bates Motel
In der Serie, deren Storyboard sich an Alfreds Hitchcocks Psycho und dessen Nachfolgern orientiert, ist Gras ein fast ganz normales Agrarprodukt wie Mais oder Weizen. Schließlich spielt die Serie in Oregon, wo Gras seit 2015 auch im wirklichen Leben legal ist. Norma Bates’ Sohn Dylan hat bereits in der ersten Staffel einen Job als Wächter einer Grasfarm. Zwar dreht sich die Serie nicht hauptsächlich um Gras, dafür gehören Cannabis-Anbau und -Konsum in Bates Motel bereits zum Alltag der Handelnden, ohne ihn zu bestimmen. Authentisch und besonders geeignet für Fans von Weed, das in der freien Natur angebaut wird.
Z Nation
Eine Welt ganz ohne Gesetze, in der gar nicht gekifft oder gegrowt wird? Das hätte man einer kanadischen Serie, trotz der bevorstehenden Legalisierung, ohnehin nicht zugetraut. Also gehört Gras zur Serie wie das Weißbier zu “Dahoam is dahoam“. Zwar lernt man in der Zombie-Serie wenig Neues über Weed und dessen Anbau, aber dafür haben die Macher bei der Sortenwahl mit ” ZWeed” Kreativität bewiesen. “ZWeed” ist eine Grassorte, die mit toten Zombies gedüngt wird, um die lebenden Toten wenigsten post morten einer sinnvollen Bestimmung zuzuführen.
High Maintenance
Mit High Maintenance gibt es bereits seit 2012 eine echte Kultserie, in der sich ziemlich viel um Weed dreht. Dealer “The Guy”, gespielt von Ben Sinclair, besucht in jeder der mit fünf bis zwölf Minuten Länge eigentlich viel zu kurzen Episoden einen Charakter in Brooklyn oder Manhattan. Viel Tatortreiniger, ein bisschen Weeds und eine Brise Woody Allen machen diese bis vor Kurzem nur auf Vimeo verfügbare Serie zum echten Kultobjekt für Cannaseure. Jetzt hat Pay-TV Sender HBO die Rechte an der Serie gekauft und strahlt die neueste Staffel bald im US-Fernsehen aus, wie der Sender am Weltkiffertag angekündigt hatte.
High Maintanance ist so realistisch, dass Gras angesichts der authentischen Schilderung moderner Großstadtcharaktere fast zur Nebensache wird. Es gibt keine falschen Pfeifen, Plastik-Blüten oder dummes Geschwafel über Zucht und Sorten, sondern den netten Dealer Ben Sinclair, der seine Kunden 45 Minuten nach Bestellung mit bestem Gras beliefert. Selbst Sorten, Pfeifen und Vaporizer folgen hier den neusten Trends des New Yorker Weed-Szene. Im Mittelpunkt jeder Episode steht jedoch die Kundschaft: Ein gefühlt repräsentativer Querschnitt des urbanen Menschen im 21. Jahrhundert, dem das Cannabis-Verbot so egal ist wie das Halteverbot vor dem Postamt um’s Eck. Leider sind auch die älteren Staffeln der Serie seit ihrem kommerziellen Erfolg nicht mehr frei, sondern erst wieder nach dem Start der nächsten Staffel bei HBO verfügbar.
Während Amerikaner langsam kapieren, wie Konsum, Anbau und Handel im Privaten funktionieren und ihre Unterhaltungsformate der Realität anpassen, bedienen sich deutsche Serien immer noch altbackener Klischees. Selbst wenn bekennende Kiffer wie Moritz Bleibtreu eine tragende Rolle spielen, sind die fetten Tüten und Pflanzen dann doch mehr Schein als Sein. Auch die Vorankündigung der Lindenstraße-Redaktion lässt nicht unbedingt auf einen unproblematischen Umgang mit Cannabis hoffen. Der bedauernswerte “Hanf Beimer” eiert durch den Park und sucht einen Dealer, weil ihm kein Arzt Cannabis verschreiben will. Dabei ist Cannabis gar nicht verschreibungsfähig, sondern nur im Rahmen einer ärztlich begleiteten Selbsttherapie zu haben— ganz ohne Rezept. Eine solche “Ausnahmeerlaubnis nach § 3 Absatz 2 BtMG zum Erwerb von Cannabis zur Anwendung im Rahmen einer medizinisch betreuten und begleiteten Selbsttherapie” ist für chronisch Kranke wie den Hansemann noch einfacher zu bekommen, als Gras in einem Münchner Park zu kaufen. Vor allem wenn man aussieht, wie ein Zivilfahnder auf Heroin-Entzug.