Der inzwischen 39-jährige Seven hat letztes Jahr den ganz grossen Durchbruch in Deutschland geschafft und war zusammen mit Xavier Naidoo, Samy Deluxe und anderen grossen Acts der deutschen Musikszene Teil der Sendung Sing meinen Song. Es folgte ein Engagement als Supportact auf der Tour der Fantastischen Vier und danach eine ausgedehnte, grosse Solotour durch Deutschland, die bis zum allerletzten Platz ausverkauft war. Er gilt inzwischen als einer der Shootingstars der deutschen Musikszene und ihm stehen alle Türen offen, um bald auch Charterfolge einzufahren. Nun erschien am 7.7.17 sein neustes Album 4Colors und die nächste Konzerttournee steht vor der Tür. Auch dieses Mal hat es sich der Aargauer nicht einfach gemacht und trotzt den Regeln der Musikindustrie: Sein neuestes Werk ist ein Konzeptalbum, das in vier EPs aufgeteilt ist, aber dennoch ein Gesamtbild ergibt.
Diesen Release haben wir uns zum Anlass genommen, um Seven zu treffen und uns mit ihm zu unterhalten. Denn hinter dem Soulsänger Seven steckt nicht nur ein begnadeter Musiker und Sänger, sondern – und vor allem – ein Mensch, der lange Zeit aktiv war, wenn es darum ging, Rapmusik in der Schweiz zu fördern und unter die Leute zu bringen. Seven ist ein Zögling der Schweizer Rapszene und war Ende der 90er Jahre aktiver Part dieser noch jungen Subkultur. Er war Teil der ersten Welle von Rap in der Schweiz und an jeglichen Jams und Veranstaltungen anzutreffen. Ausserdem veranstaltete er Partys und Konzerte und war dabei, als es darum ging, erste Plattformen und Infrastrukturen für HipHop in der Schweiz zu schaffen. So hatte praktisch jeder Rapper aus dieser Zeit, und teilweise auch solche, die erst später dazugekommen sind, auf irgendeine Art mit Seven zu tun. Das ist wohl der Grund, warum er sich selber immer noch stark für die Bewegung interessiert, von vielen Acts gefeatured wurde, mit ihnen zusammenarbeitete und nach wie vor geschätzt und respektiert wird.
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Wir haben uns über seinen späten Durchbruch in Deutschland, über seine Arbeitsweise und Kernmessage als Musiker, aber auch die Entwicklungen in der Mundartrap-Szene unterhalten.
Noisey: Ich verfolge deine Laufbahn schon seit ihren Anfängen und verbinde ein Attribut ganz stark mit dir: Leichtigkeit. Ist sie ein Resultat harter Knochenarbeit im Vorfeld?
Seven: Mir ist die Vorbereitung schon sehr wichtig. Ich möchte alles so eingerichtet haben, dass ich mich völlig meinem Spieltrieb hingeben kann. Und natürlich ist diese Arbeit im Vorfeld ein bisschen härter und anstrengender. Aber sie hat ihren Zweck. Hierzu passt ein intelligentes Rudi-Carrell-Zitat: “Du kannst nur etwas aus dem Ärmel schütteln, was du vorher auch hinein gesteckt hast.” Eine gute Vorbereitung löst in mir wirklich eine gewisse Leichtigkeit aus. Ich weiss dann, dass ich optimal vorbereitet bin, mich gehen lassen kann und mich selbst davon überraschen lassen darf, was im Moment passiert.
Gab es einen Moment in den letzten zwei Jahren, in dem du das Gefühl von vollster Erfüllung gespürt hast?
Ich muss sagen, dass ich mich über das, was in den letzten zwei Jahren passiert ist, wirklich sehr freue. Aber: Ich bin auch jemand, der am Musikmachen, am Prozess an sich sehr viel Erfüllung und Freude findet. So gesehen gab es nicht wirklich den einen Erfüllungsmoment. Es war viel eher eine Aneinanderreihung von solchen Momenten. Natürlich war es aber ein Peak meiner Karriere, als Michi Beck von den Fantastischen Vier anrief und fragte, ob ich mir vorstellen könnte, als Supportact mit auf Tour zu gehen. Das schmeichelt einerseits und bietet ganz einfach eine neue Chance, noch mehr Menschen meine Musik präsentieren zu dürfen, in neuen Städten zu spielen und das Ganze auf eine nächste Stufe zu heben und besser zu machen.
Für was steht Seven eigentlich? Was ist deine Hauptmessage? Was willst du hinterlassen?
Ich mache mir keine grossen Gedanken darüber, was meine Message ist oder was ich hinterlassen werde. Ich versuche, im Moment zu leben und mich von Tag zu Tag zu verbessern. Musik ist eine Momentaufnahme und ein Abbild dessen, was du zu diesem Zeitpunkt fühlst, siehst und bist. Und das wichtigste an Kunst ist, dass sie nichts muss. Sobald sie irgendetwas muss, steckt ja quasi ein Auftraggeber dahinter oder es entsteht eine Erwartungshaltung, die in keinem Fall förderlich ist. Wenn ein Mensch sich auf irgendeine Art verwirklicht, ist automatisch seine Weltanschauung, seine Sicht, der Zeitgeist oder die politische Lage Teil dieser Verwirklichung. Kunst ist immer ein Spiegel des Zeitgeists und der Welt, vorausgesetzt sie wird ehrlich und aus freien Stücken gemacht.
Was sind die Themen, die dich während der Arbeit zu deinem neuen Album bewegt haben und in Songs eingeflossen sind? Mit “Die Menschen sind Wir” hast du ja einen klar politischen Song als Vorabsingle herausgebracht. Mich beschäftigen Menschen und Ihr Verhalten. Fehler, Einsichten aber auch Freundschaft und Liebe sowie Trennung und Schmerz. Ehrlich gesagt verarbeite ich alles, was mich berührt, auf irgendeine Art in Texten und Musik. “Die Menschen sind Wir” entstand, wie alles bei mir, aus einem Bedürfnis und einem Gefühl, welches sich aufstaut. In diesem Fall war das Gefühl die Wut und das Unverständnis, das ich hatte, als ich Online-Kommentare las, die unter einem Bericht zu einem Benefizkonzert standen. Wir sammelten für Kinder auf der Flucht, wogegen sich einige Kommentare ziemlich klar aussprachen – das konnte ich nicht hinnehmen.
Diese ehrliche Auseinandersetzung mit der Welt und der Musik ist auch ein Attribut von HipHop. Ist das einer der Gründe, warum du dich immer noch für Subkulturen, insbesondere für HipHop, interessierst?
Ob das der Grund ist, weiss ich nicht. Was ich aber mit Bestimmtheit weiss, ist folgendes: Dieser Bezug ist nicht gespielt oder künstlich. Lange bevor ich mein erstes Album gemacht habe, kam ich in Kontakt mit HipHop und bin mit verschiedenen Leuten von Jam zu Jam gezogen. Das Ganze wurde bei mir durch A Tribe Called Quest ausgelöst. Da wurde ich quasi infiziert und begann damit die ganze Kultur zu erkunden. Ich habe Konzerte organisiert und Partys geschmissen und war in der ersten Blütephase von Rap in der Schweiz ein aktiver Part der Szene. Und diese Verbundenheit dehnte sich halt auch auf Leute aus dem Ausland aus. Leute wie David P, Eins Zwo, Samy Deluxe oder Kool Savas kenne ich aus dieser Zeit. Das ist nun fast 20 Jahre her. Wir haben uns damals die Tapes dieser Künstler gekauft und sie uns pausenlos reingezogen. Auf den Hüllen waren Telefonnummer der Künstler direkt oder des Labels zu finden. Da habe ich dann einfach angerufen und gefragt, ob die Jungs Bock haben, in der Schweiz aufzutreten. So entstanden allmählich diese Beziehungen, die zum Teil bis heute noch stehen.
Verfolgst du die aktuellen Entwicklungen der Mundartrapszene?
Ja, ich verfolge sie und die Releases sind immer noch ein wichtiger Teil meiner Musiksammlung. Ich bemerke, dass sich Unterszenen bilden. Ich denke, dass das in der Schweiz aber nicht wirklich Sinn macht. Es wäre in diesem kleinen Land sinnvoller, wenn man sich gegenseitig supportet. Sowas wie der Cypher auf SRF Virus ist meiner Meinung nach etwas ganz Grosses, denn er bündelt alle Kräfte und hat dadurch einen sehr grossen Impact. Und auf einer globalen Ebene gesprochen, ist es doch echt bemerkenswert, wie Rapmusik und die HipHop-Kultur den Einzug in den Mainstream geschafft hat. Wenn du beispielsweise ein Miley-Cyrus-Video ohne Ton anschaust, hast du das Gefühl, das ist ein Rapvideo. HipHop ist quasi einen Tuningelement von Popmusik geworden.
Welche HipHop-Künstler und -Bewegungen findest du spannend?
Kendrick tut allen gut, er tut HipHop gut. Mit Drake und der ganzen Autotune-Generation kann ich hingegen nicht viel anfangen. Mir fehlt da oft die Tiefe. Die bisher grösste Überraschung momentan ist das neue Jay-Z-Album. Ich hätte kein solches Album von ihm erwartet. Ich liebe es. HipHop ist sehr verstückelt und die Bewegung lange nicht mehr zentral. Vieles findest du im Store unter HipHop, was ich persönlich nicht mal mehr urban finde, sondern nur noch Plastik. HipHop wurde von einer Religion zur Bewegung zum Trend zur Modeerscheinung und schlussendlich zu einer Maschine. Aber noch immer lebt HipHop, nur oft falsch angeschrieben.
Du hast dir mit knapp 40 nun den Traum erfüllt, als Musiker so richtig durchzustarten. Ist das nicht ein bisschen spät?
Normalerweise passiert so ein Durchbruch schon eher ein wenig früher, das stimmt. Aber ich glaube, das ist zur richtigen Zeit gekommen. Ich war ja auch vor all diesen Erfolgen nicht unglücklich. Ich habe das Privileg, schon seit einigen Jahren von meiner Musik zu leben, ich habe eine tolle Familie, bin immer noch verliebt in meine Frau, bin gesund und generell zufrieden mit meinem Leben. Das war schon vor diesen erfolgreichen zwei Jahren so. Ich kann sagen, dass ich mir in den letzten 15 Jahren treu geblieben bin. Auch ich hatte schwierige Zeiten, schlechte Angebote und Tiefen und habe dadurch vieles gelernt. Wenn du auf einer Erfolgswelle reitest, bist du sehr anfällig für Fehler. Ich glaube dadurch, dass bei mir diese ganz grosse Welle erst jetzt – mit fast 40 Jahren – gekommen ist, kann ich relaxter darauf reagieren. Ich habe einerseits halt ein anderes Mindset als ein 18-Jähriger, für den das alles Neuland ist und andererseits bin ich mit meiner Firma geschäftlich so aufgestellt, dass ich einen solchen Erfolg auch abfedern und verarbeiten kann. Wäre ich der Musikgott, der die Karrieren von Musikern zusammenbastelt, ich würde wohl vielen einen ähnlichen Weg vorgeben.
War für dich klar, dass das alles irgendwann passieren wird?
Nein, klar war das nie. Aber es war eben halt auch nicht Voraussetzung dafür, dass ich mache, was ich mache. Musik ist wirklich mein Hobby. Ich liebe es, jede freie Minute in dieses Hobby zu investieren und es fühlt sich für mich nie nach Arbeit an. Ganz im Gegenteil: Ich fühle mich immer noch, als würde ich spielen, wenn ich Musik mache. Es befriedigt in mir einen ganz kindlichen und naiven Spieltrieb.
Ist das in einem so professionalisierten und kommerzialisierten Umfeld überhaupt möglich?
Ich versuche, es möglich zu machen. Wenn du professionell Musik macht, gibt es selbstverständlich auch eher anstrengende Teile der Arbeit. Letztendlich sind diese Arbeiten aber alle darauf ausgerichtet, mir im Vorfeld alles so einzurichten, dass ich einen perfekten Playground habe, um nur eins zu tun: Musizieren. Das ist der einzige Grund, warum ich das alles mache.
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