Sex

Sex, Gore und Legos: Welche Auswirkungen hat es, wenn du dir als Kind brutale Videos anschaust?

Ein paar Kinder schauen sich an, wie jemand brutal zerstückelt wird—wahrscheinlich | Foto: Lucélia Ribeiro | Flickr | CC BY-SA 2.0

Warnung: Die folgenden Berichte können auf manche Menschen verstörend wirken!

Wenn du nicht gerade Teil der infernalischen Snapchat-Generation bist, ständig Pewdiepie-Videos guckst, E-Liquid säufst und über dich selbst behauptest, panromantisch oder was auch immer zu sein, dann wirst du in jungen Jahren im Internet wahre Schreckensmomente erlebt haben. Wir alle erinnern uns an das erste Mal, als wir auf einer so ganz und gar nicht für unser zartes Alter geeigneten Website gelandet sind. Die Mutter ist gerade im anderen Zimmer und du hast dich für deine tägliche Stunde Computerzeit an den großen, grauen Computer gesetzt. Heute bist du aber etwas draufgängerischer drauf. Heute ist der Tag, an dem du auf die ganzen Pop-ups mit den Titten klicken wirst. Die Titten sind mit komisch-glänzendem, weißem Zeug bedeckt. Was ist das? Tja, das wirst du gleich herausfinden!

Videos by VICE

Dr. Lindsay Ip, eine Kinderpsychologin der Private Therapy Clinic London, sagt, dass diese Form von pre-sexueller Internetaktivität schlechte Auswirkungen auf Kinder haben kann. „Ein früher Kontakt mit Pornografie kann für Kinder sehr verstörend sein. Ich habe das auch schon bei der Arbeit erlebt. Manche haben richtige Angst vor den Bildern, was langanhaltende Auswirkungen auf ihr Gehirn haben kann. Es erhöht auch das Risiko, dass sie früher sexuell aktiv werden oder sogar einem Sexualverbrechen zum Opfer fallen.”

Es ist aber nicht nur der Sex, der einen versaut. Ein eher unrühmliches Nebenprodukt der internettypischen Niemandsland-Einstellung gegenüber Inhalten ist die Existenz von Gore-Websiten. Diese Seiten werden entweder von gestörten Erwachsenen oder Teenagern besucht, die bereits die Einstellung gestörter Erwachsener haben. „Wenn sie älter sind, verfügen sie über mehr Kontext und andere Mechanismen, die sie belastbarer machen”, erklärt mir Dr. Ip. „Ihr präfrontaler Cortex ist [als Teenager] noch nicht sehr weit entwickelt und dementsprechend agieren sie impulsiver und mit weniger Zurückhaltung. Sie gucken sich auch wahrscheinlicher Sachen an, wenn sie sich gerade danach fühlen, und reflektieren nicht, was diese für sie bedeuten.”

Das war definitiv auch bei mir der Fall. Pornografie war zu Begin der reinste Horror für mich. Ein erschreckender Besuch bei ‚boobs.com’, was verhältnismäßig harmlos klingt, war geprägt von pulsierenden, adrigen Schwänzen, die in die Kehlen von zierlichen, blonden, Frauen mit geröteten Augen und verschmiertem Eyeliner geschoben wurden. Ich wusste wirklich nicht, was ich damit anfangen oder wie ich das einordnen sollte. Meiner Mutter sagte ich nur, dass sie nicht ins Computerzimmer kommen darf, ich würde nämlich ein Spiel spielen, „bei dem ich mich total konzentrieren muss”.

Nach diesem Erlebnis begann mein Reise in den Abgrund von Sexcetera [so etwas wieWa(h)re Liebe], Laid Bare [das britische Äquivalent zu Peep!], Internetpornografie und anderen Dingen. Je älter ich allerdings wurde, desto mehr verloren Pornos an Schockwert und wurden zu einem notwendigen Übel. Es sollte dann aber dauern, bis ich auf einer Seite namens ‚Ogrish’ landete (die übrigens über Nacht zu LiveLeak werden sollte), dass ich wirklich eine Grenze überschritt. Ich erinnere mich noch heute an unzählige Enthauptungen, Tierschlachtungen, Folter, Hinrichtungen und andere morbide Abscheulichkeiten.

Die eine Sache, die mich dann aber dazu brachte, ein für alle Mal von all dem abzuschwören, war das Video mit einem kleinen Kätzchen. Gefilmt war es von dem Boden einer Wassertonne oder so etwas in der Art. Die Kamera war auf jeden Fall nach oben in den verschwommen aussehenden blauen Himmel gerichtet. Von außerhalb des Blickfeldes tauchte die Hand eines Mannes auf. Er hielt eine kleine Katze in der Hand und tauchte diese Hand dann mitsamt Kätzchen unter Wasser. Zuerst sah das Tier verwirrt aus und schaute sich mit seinen großen Augen im Fass um, dann begann das Kätzchen quälend schwach damit, dagegen anzukämpfen. Ich musste das Fenster nach einer Minute schließen. Bis heute ist es das Schlimmste, was ich je gesehen habe. Die sinnlose Grausamkeit und das verstörende Bedürfnis, diese auch noch auf Kamera festzuhalten, lässt sogar jetzt noch ein schmerzhaftes Gefühl in meinem Brustkorb entstehen.

Wie dem auch sei, wir haben weitere Menschen gebeten, ihre schlimmsten Internetgeschichten zu schildern und wie sich diese auf ihr weiteres Leben ausgewirkt haben. Hier sind ihre Erfahrungen:

‚Ich habe gesehen, wie eine Frau einem Clown einen geblasen hat’

Damals, als man sich noch mit einem Modem unter lautem Knarzen und Fiepen ins Internet einwählen musste, ich war in der fünften Klasse, durfte ich nach der Schule eine Stunde ins Internet. Ich weiß nicht, ob es damals schon Messenger gab, aber ich und ein paar Freunde hatten E-Mail-Adressen. Ich hatte gerade erst im Urlaub Es von Stephen King gelesen, was meine eh schon vorhandene Clownphobie nicht gerade linderte. Eine Freundin hatte ebenfalls große Angst vor Clowns, also haben wir uns nach der Schule E-Mails mit Clown-Fotos geschickt, die wir im Internet gefunden hatten. Wir versahen diese Fotos dann noch mit ein paar gruseligen Dialoge oder Geschichten, die wir uns in unseren perversen Hirnen zusammengesponnen hatten.

Das Ganze eskalierte allerdings relativ schnell. Jede Mail musste schließlich gruseliger sein als die davor. Eines Abends entdeckte ich auf der Suche nach neuem Material auf ein Bild von einer Frau, die einem fies grinsendem Clown den Schwanz lutscht. Ich erinnere mich noch, wie ich kurz innerlich erstarrte und dann schnell im Computerstuhl umdrehte, um zu sehen, ob meine Mutter irgendwo in Sichtweite war. Ich habe das Bild dann zu seiner Ursprungsseite zurückverfolgt und landete auf einer frühen Seite für Clown-Pornos. Die Bilder luden langsam, aber jedes gab einen weiteren steifen Schwanz oder Zirkus-Gangbang preis. Ich teilte diese Entdeckung prompt mit meiner Freundin, oder belastete sie vielmehr damit. Irgendwann fing meine Mutter die E-Mails ab, was unserem kleinen Spielchen ein abruptes Ende bereitete und mir ein paar ernsthafte Eltern-Kind-Gespräche einbrockte.

Rückblickend haben sich diese Bilder wohl für immer in mein Hirn eingebrannt, vor allem das erste. Hatten Clowns vor dieser Entdeckung eine sexuelle Konnotation für mich? Nein! Ziemlich sicher hätte ich aber mein Bedürfnis danach, im tiefsten Inneren meiner Ängst rumzustochern, auf andere Weise befriedigt. Wenn man auf der Suche nach etwas Schockierendem ist, dann findet man es auch—on- oder offline. Das ist unausweichlich. Vielleicht hat diese Geschichte eine Vorliebe für Horrer und extreme Kunst in mir entfacht, aber ich habe auch mit neun Edgar Allan Poe gelesen. Ich bin mir also ziemlich sicher, dass mein Gehirn einfach darauf ausgelegt war. – Hannah

‚Jetzt bin ich desensibilisiert und vielleicht ist das auch ganz gut so.’

Ich hatte immer Angst davor, den Computer meiner Eltern mit einem Virus zu verseuchen und habe dementsprechend jede Seite gemieden, die nicht BBC war. Während meiner Zeit an der Uni hatten wir kein Internet zu Hause. Internet gab es nur im Computerlabor, wo man sich um 3 Uhr morgens anstellen musste, um an JStore-Aufsätze zu kommen. Bis ich etwas wirklich Schlimmes im Internet sehen sollte, dauerte es also, bis ich 26 war. Ich war bei meinem Kumpel Jiro zu Hause und er zeigte mir ein Video von einem vietnamesischen Polizisten, der von einem Lastwagen überfahren und kurz oberhalb seines Schritts in zwei Hälften zerteilt worden war.

Ich würde mich eigentlich als ziemlich unempfindlich gegenüber dem ganzen Internetmüll bezeichnen, aber dieses Video—dieser sichtlich verwirrte, aber irgendwie auch gelassene Gesichtsausdruck des Polizisten, der eher schaute, als wäre er auf dem Bordstein ausgerutscht, als eines grausamen Todes gestorben, und die Menschen, die sich um ihn versammelten, aber ihm nicht wirklich halfen—verpasste mir ein wirklich schlechtes Gefühl. Es war das erste Mal, dass mir der Gedanke kam, es wäre vielleicht besser, wenn Menschen solche Sachen nicht verbreiten würden. Mein Freund, der meine Reaktion gesehen hatte, hielt es dann aber für eine gute Idee, mir den folgenden Monat jeden Tag einen Link mit unvorstellbar furchtbarem Scheiß zu schicken. Jetzt bin ich desensibilisiert und vielleicht ist das auch ganz gut so. – Bruno

‚Wir hatten nur ein 56K-Modem, also schaute ich mir Fotos von nackten Hintern an’

Mit elf habe ich angefangen, mir pornografisches Material anzugucken. Vor allem Fotos von weiblichen Ärschen. Wir hatten damals nämlich nur ein 56k-Modem, was noch nicht mal dazu reichte, sich Quicktime-Videos anzuschauen. Also musste ich damit vorliebnehmen, immer wieder die gleichen paar Fotos von entblößten Hinterteilen hoch und runter zu scrollen. Pornos wurden ziemlich schnell ziemlich normal für mich—jedenfalls bis zu diesem einen Tag in der Schule. Wir hatten eine sogenannte Bibliothek-Stunde, was im Endeffekt bedeutete, dass wir ohne Aufsicht eine Stunde in der Schulbibliothek abhängen konnten. Dort stand auch ein Computer.

Ich und mein Kumpel Max machten uns sofort daran, irgendwelchen Scheiß mit dem Rechner zu machen. Wir waren 14, hatten Zugang zu einem Computer und Computer machten schließlich mehr Spaß, als einen Roman über Heroinabhängigkeit zu lesen oder so was. Da saßen wir also und ich war drauf und dran, ein paar lustige Flash-Spiele auf Miniclip zu spielen.

Max hatte aber eine andere Idee. Max kannte diese lustige Website, die wir uns definitiv mal anschauen sollten. Als leicht-unterwürfiger Teenager ließ Max in solchen Dingen natürlich freie Hand und überließ ihm die Kontrolle über die klebrige Maus und die klappernde Tastatur. Max führte uns als erstes auf Rotten.com, aber ich hatte schon alles auf der Seite gesehen und war nicht so schockiert, wie er sich erhofft hatte. Also ging es weiter. Wir landeten auf einer Seite, die, wenn ich mich richtig erinnere, irgendwas mit Camel Style hieß. Camel Style war so etwas wie der Prototyp des Lolporn-tumblrs, den wir nur wenige Jahre alle kennen und lieben lernen sollten.

In einem Video konnte man ein Pärchen beim Ficken sehen—das war auch das richtige Wort dafür: ficken, nicht pimpern, vögeln oder Liebe machen—auf einem Tisch. Nun, das war an und für sich nicht sonderlich schockierend, aber warte nur. Dieser Tisch bricht durch. Einfach so. Als wäre Mick Foley aus heiterem Himmel auf dieses gebräunte und durchtrainierte Fickpärchen gekracht. Beide liegen da, für einen kurzen Moment verdutzt und verwirrt. Die Frau sieht aus, als ob sie Schmerzen hat. Der Typ aber, der aktive Teil dieser Szene, schiebt sein Teil brutal—und ich meine wirklich brutal—wieder in sie rein und fickt unbeeindruckt weiter.

Ich erinnere mich noch, wie ich besonders erschrocken von dem Schauspiel war, weil ich in diesem Augenblick realisierte, dass die männliche Sexualität keine Grenzen kennt; dass die männliche Sexualität ein erschreckend potentes, habgieriges Ding ist; dass der Phallus alles beherrscht. Ich quälte ein falsches Lachen hervor, um Max zufrieden zu stellen. In mir drin geschahen allerdings wundersame Sachen. – Josh

Motherboard: Hinter den Kulissen von BestGore.com, der schrecklichsten Website der Welt

‚Ich wurde gleichgültig gegenüber Hardcore-Pornos’

Sich irgendwelche Gore-Videos anzugucken, war es einfach nicht wert. Nicht weil ich Besseres zu tun hatte: Ich war ein typischer Vorstadt-Teenager ohne häusliche Pflichten, Job und mit Nachmittagen, die vor allem von Bandproben der schmalzigen Coverband geprägt waren, die ich zusammen mit meinen besten Freunden gegründet hatte. Ungenutzte Freizeit gab es im Überfluss. Aber die Internetverbindung in Harare, Simbabwe, wo ich die weiterführende Schule besuchte, war so nervtötend, dass ich eigentlich nie etwas Bandbreitenfressenderes machte als ein paar MSN-Messenger-Chats, oder mich in ein Pre-Facebook-Netzwerk einzuloggen.

Am ehesten bin ich dann noch über das Fernsehen mit sexueller Gewalt und zerstückelten Menschen in Berührung gekommen. Zu meiner Grundschulzeit in der Schweiz erhaschten meine Freunde und ich bei gemeinsamen Übernachtungen manchmal einen Blick auf die Pornos im Nachtprogramm. Man war schließlich in Europa und ab 23 Uhr begannen die Sender Werbung für Sexhotlines und Pornos auszustrahlen. Der Fernseher im Schlafzimmer meiner Mutter war mit dem im Wohnzimmer verbunden und so konnte sie bei Bedarf auf ihrem sehen, was gerade unten geschaut wurde. Wenn sie selber gerade den Fernseher anhatte und uns dabei erwischen sollte, was wir schauten, konnten wir ziemlich große Probleme bekommen.

Ich erinnere mich noch, wie ich einmal beim Durchschalten auf einer stark ausgeleuchteten Großaufnahme weiblicher Schamlippen landete, kurz bevor ein Typ seinen Schwanz reinschob und die Frau unsanft am Hals packte. Beide waren unglaublich braungebrannt und sie schrie hysterisch. Meine Freunde und ich waren damals etwa neun und konnten nicht wirklich sagen, ob das der Frau jetzt Spaß machen sollte oder nicht. Wir waren nicht gerade begeistert und wechselten auf einen dieser Pornoklassiker aus den 70ern mit reichlich Weichzeichner und ordentlich Schambehaarung. Irgendwann wurde uns aber auch das langweilig. Die Saat für meine allgemeine Gleichgültigkeit gegenüber Pornos war damit früh gepflanzt worden. – Tshepo