Als Sheela in ihrem grauen Anzug das Gerichtsgebäude betritt, ist es aussergewöhnlich kühl für einen Juli in Oregon. Sie schlängelt sich vorbei an den Journalisten, die sie in den letzten Jahren so gekonnt benutzt hat. Jeder im US-Bundesstaat weiss mittlerweile, wer die Sannyasins sind. Das Licht im Gerichtssaal ist unangenehm grell, als sich Sheela am 22. Juli 1986 in allen Punkten schuldig bekennt. Die Anklagepunkte reichen von versuchtem Mord über schwere Körperverletzung bis hin zu illegalem Abhören und Einwanderungsbetrug. Dem Richter erklärt sie, dass sie die Anführerin der Sannyasin-Religion sei. Später wird sie sagen, dass sie nur gemacht habe, was nötig war. “Mein oberstes Ziel war es immer, den Bhagwan zu schützen.” Trotz den Anschuldigungen trägt sie ein gewinnendes Lächeln auf dem Gesicht, als sie ihr Anwalt mit Handschellen in das beige Auto bugsiert.
Unter Sheelas Leitung wurden Menschen vergiftet, abgehört und beinahe getötet.
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Heute betreibt Sheela zwei Wohnheime für psychisch und physisch beeinträchtigte Menschen in Basel. Eines davon ist das Wohnheim Matrusaden. Das Haus thront eingebettet von Wald auf einem Hügel, von dem aus man das 900-Seelen-Dorf Maisprach überblickt. Hinter dem Haus erstreckt sich eine Wiese, vom Bauernhof nebenan weht der Wind den Geruch von Pferden in die Nase. Hier lebt und arbeitet Sheela nun schon seit mehr als zwanzig Jahren. Sie sitzt an einem der Tische vor dem Haus, schwatzt und trinkt Kaffee mit einem Grüppchen Menschen. Sie heisst mich willkommen, lächelt und gibt uns die Hand, aber sie wirkt distanziert. Wir gehen für das Gespräch die Treppe hoch in ihr Zimmer. Im Flur riecht es nach Seife. Der Gang der zierlichen 70-Jährigen ist leichtfüssig und bestimmt, ihre Schultern leicht nach vorne gebeugt, als sie den Flur vorbei an Patientenräumen zu ihrem Zimmer entlanggeht.
Die Arbeit mit bedürftigen Menschen schien Sheela schon immer zu liegen. Statt um geistig beeinträchtigte Patienten kümmerte sie sich früher allerdings um Menschen, die in der Sannyasin-Religion ihre geistige Erfüllung suchten. Und statt um Hilfe und Pflege ging es damals am Ende um Geld und Macht. Über vier Jahre lang war Sheela Birnstiel die Anführerin der Sannyasins. Ihr Job: Sekräterin des indischen Glaubensführers Bhagwan Shree Rajneesh. Bhagwan bedeutet so viel wie “Gott” oder “Guru”. Die Sannyasin-Sekte oder Rajneesh-Bewegung, die vor allem Mitte der 80er Jahre im Bundesstaat Oregon Aufsehen erregte, wird aktuell wieder wegen der Netflix-Doku-Serie “Wild Wild Country” in den Medien thematisiert. Die Serie zeigt: Unter Sheelas Leitung wurden Menschen vergiftet, abgehört und beinahe getötet.
Schon von Anfang an habe Sheela den Wunsch gehabt, alle möglichen Gesetze zu umgehen, sagt David Berry Knapp, ein ehemaliger Sannyasin, gegenüber dem FBI. Dass Sheela bereit ist, Gesetze nicht nur zu umgehen, sondern sie auch zu brechen, findet Knapp im Juni 1985 heraus. Es ist ein milder Sommertag, als eine von Sheelas Untergebenen ihm zwei Glasfläschchen, nicht grösser als ein Daumen, mit einer Flüssigkeit in die Hand drückt: “Hier, das ist für dich.” Eine der Phiolen enthält Cyanid. Als Knapp diese ablehnte meint sie: “Das ist OK. Sheela hat immer welches dabei.” Im Jahr 1986 gibt Sheela im Zeugenstand zu, dass sie die schlechte Angewohnheit habe, Menschen zu vergiften.
Für Sheela schien damals immer der Überlebensdrang und die Wichtigkeit ihrer Religion hinter ihren Plänen zu stehen. Auch hinter jenen, mit denen sie sich strafbar machte. Unter der Leitung Bhagwans erhofften seine Jünger durch Meditation und die Lehren des Gurus Erleuchtung zu erlangen. Doch das scheint Sheela heute zu belächeln: “Meditieren hat mich nie interessiert”, sagt Sheela während sie im Schneidersitz in ihrem Zimmer auf dem Teppichboden sitzt. Sie trägt blaue Jeans und einen weinroten Hoodie. “Bei amtlich beglaubigten psychisch kranken Menschen weisst du, was du bekommst.” Sheelas Gesichtszüge sind weich, doch ihr Blick ist eindringlich: “Dass geistig gesunde Menschen denken, sie können Erleuchtung erlangen, oder dass jemand sie zur Erleuchtung führen könnte … ” Dann lächelt sie und sagt: “Bhagwan wurde immer so wütend, wenn ich ihm von Sannyasins erzählte, die meinten, sie seien jetzt erleuchtet. Er sagte dann: ‘Diese dummen Sannyasins mit ihrer Erleuchtung!’” Ihr Blick wird wieder eindringlich: “Bhagwan hat genau gewusst, was er vermarktet. Ich meine, wie kannst du nur so dumm sein. Diese Menschen hatten Doktortitel!”
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Der Sannyasin-Kult brachte sich finanziell nicht alleine nur mit Luft und Liebe über die Runden. Dahinter steckte ein knallhartes Business-Modell, das Sheela so erklärt: “Bhagwan zeigte mir, wie man ‘Erleuchtung’ und ‘Meditation’ verpackt.” Aus seiner Vergangenheit brachte Bhagwan, später “Osho” genannt, einen beträchtlichen Kundenstamm mit. Als Philosophieprofessor habe er Studenten mit provokativen Aussagen – etwa zum Thema Sex – für sich gewonnen. Diese folgten ihm auch nach seinem Rausschmiss aus der Uni im Jahr 1966. “In den Studenten hatte er gute Kunden gefunden, die mehr Kunden mitbrachten. So ging er von Stadt zu Stadt und schaffte überall Distributoren, die mehr Kunden anwarben”, erinnert sich Sheela und macht eine ausladende Handbewegung.
Von diesem lukrativen Geschäftsmodell kriegten die mittlerweile mehrheitlich aus dem Westen stammenden Sannyasin-Anhänger jedoch kaum etwas mit und suchten weiter zahlreich die spirituelle und körperliche Nähe zu ihrem Guru. Als der Ashram in Indien zu gross wurde und somit auch zu viel Gegenwind der Politik erhielt, entschieden sich Sheela und Bhagwan Anfang der 80er Jahre, die gesamte Sekte von Indien in die USA zu verlegen. Dort bauten sie aus einer alten Ranch in Wasco County, Oregon, die Stadt Rajneeshpuram. Die erste Straftat wurde begangen: Viele der Sektenmitglieder aus der ganzen Welt hatten keine gültige Aufenthaltsgenehmigung für die USA.
Anstatt auf Askese zu pochen, plädiert Bhagwan, das System des Kapitalismus zu nutzen. So lässt sich der Guru täglich zur Mittagszeit mit einem seiner 90 Rolls Royces durch die Ranch chauffieren, damit seine Anhänger ihn grüssen können. Seine Handgelenke schmückt stets ein Diamantarmband oder eine Rolex. Seine Sannyasins arbeiten in Rajneeshpuram täglich bis zu zwölf Stunden und zwar unentgeltlich. Während die meisten Sannyasins in gewöhnlichen kleinen Häuschen wohnen, residiert Sheela auf ihrem Anwesen Jesus Grove, wo später auch ihr Team mit ihr wohnt. Auch Bhagwan hat mit Lao Tzu sein eigenes Anwesen.
Die Bewohner von Wasco County sollten sehen, dass die eingetroffenen Sannyasins nicht nur besser gebildet waren. Sie waren auch finanziell wesentlich besser aufgestellt – ein Grossteil der Sannyasins stammte aus der oberen Mittelschicht Amerikas. 1984 ist es das erklärte Ziel der Sekte, bei Wahlen in Wasco County zwei der drei Sitze im Gericht sowie die Position des Sheriffs für sich zu gewinnen. Dass die Kultmitglieder die politische Kontrolle über das ganze County erlangen wollen, geht den Bürgern gegen den Strich. Die Regierung entscheidet, dass die über 2.000 Obdachlosen, die eigens für die Abstimmung in Rajneeshpuram ein kurzzeitiges Zuhause gefunden hatten, nicht abstimmen dürfen. Damals denkt, bis auf den Politiker James Weaver, niemand daran, dass die Sannyasins aus politischem Kalkül deswegen 751 Menschen in The Dalles mit Salmonellen vergiften werden. Wie konnte es soweit kommen, dass ein möglicher Massenmord auf der Agenda der Sannyasins landet?
“Diese Briefe hat Ghandi an meinen Vater geschickt. Ghandi hatte nur eine Handvoll Vertraute, mein Vater war einer davon.”
Sheelas Vater stellte ihr Bhagwan vor, als sie noch ein Teenager war. Genau wie Sheela war auch ihr Vater ein enger Vertrauter eines religiösen Führers: “Er war ein Lehrling Ghandis und wurde in seinem Ashram geschult”, sagt Sheela mit Stolz. Dann steht sie kurz auf und holt ein schwarzes Buch aus dem Regal neben ihr. Behutsam schlägt sie es auf, blättert kurz und zeigt auf einen Brief: “Diese Briefe hat Ghandi an meinen Vater geschickt. Ghandi hatte nur eine Handvoll Vertraute, mein Vater war einer davon.” Ghandi habe gewusst: “Wenn er meinem Vater eine Aufgabe stellt, wird er sie richtig und sauber erledigen.” Diese disziplinierte Art und Weise des Arbeitens gab er auch an Sheela weiter.
Sheelas Blick ist zuerst eindringlich, als sie von ihrem ersten Treffen mit Bhagwan erzählt. Dann lächelt sie und ihr Blick schweift in die Ferne: “Ich war überwältigt aber mit 16 noch zu jung, um dieses Gefühl zu verstehen.” Als sie ihn zum zweiten Mal trifft, ist sie 21 und mit einem Amerikaner verheiratet. “Da habe ich mich in ihn verliebt.” Sie betont jede Silbe als sie hinzufügt: “Com-plet-ely! Hals über Kopf!” Fortan liebte Sheela zwei Männer: Ihren Ehemann Marc, der später auch ein Sannyasin wurde, und Bhagwan. “In meinem Herz hat es Platz für Hunderttausende Menschen. Aber Nummer eins wird immer Bhagwan sein.” Als sie “immer” sagt, streckt sie ihren Zeigefinger in die Höhe, als wolle sie ihren Worten Nachdruck verleihen.
Von April 1981 bis November 1984 schweigt Bhagwan. Die Einzige, mit der er spricht, ist Sheela. Er instruiert sie über das weitere Vorgehen in Rajneeshpuram, damit die Gemeinde wachsen kann und was zu tun ist, um seine Sannyasins zu beschützen. Ganz wie ihr Vater es ihr vorgelebt hatte, will auch Sheela diese Aufgaben richtig und sauber erledigen. Zahlreiche provokante Medienauftritte, in denen sie ihre Interviewer beleidigt und mit dem Reichtum der Kommune provoziert, machen die Sannyasins bis weit über die Grenzen von Oregon bekannt. Wie sie mit den Medien umzugehen habe, lernte sie von Bhagwan, sagt Sheela.
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Knapp sagt gegenüber dem FBI: “Wenn immer Sheela etwas sagte, war es von allen akzeptiert, dass sie für Bhagwan sprach.” Er war auch der Meinung, dass Bhagwan über so ziemlich alles Bescheid wusste, was in und ausserhalb Rajneeshpurams vor sich ging. Auch über die Salmonellenvergiftung, die bis heute als die grösste Bioterrorattacke der USA gilt. In einem Spiegel -Interview von 1985 erläuterte der Guru selbst: “Wenn andere Gewalt anwenden, werden auch wir zu Gewalt greifen. Dann heisst es Auge um Auge, Zahn um Zahn.” Wie beim Thema Materialismus, waren Bhagwans Ansichten nicht gerade mit den Ansichten eines Mannes konform, der Meditation lehrt. So soll sich Bhagwan laut FBI-Akten geäussert haben, dass es nötig sei, Menschen zu töten, um in Oregon zu bleiben. Wenn Sheela über die FBI-Informanten spricht, spannt sich ihr Körper an und sie wirkt genervt: “Sie hätten alles gesagt, um mit einer milderen Strafe davonzukommen.” Sie habe, im Gegensatz zu ihnen, Bhagwan nie kompromittiert. Später im Gespräch ergänzt sie: “Nur weil sie auf dem Pfad zur Erleuchtung waren, bedeutet das nicht, dass sie Engel waren.”
In der Netflix-Doku werden die Sannyasins von den Bewohnern in Oregon mehr als einmal als Sex-Sekte bezeichnet. Bhagwan spricht viel von freier Liebe und auch Polyamorie heisst er gut. “Ich habe kein Sexleben mehr”, sagt Sheela und lacht. “Ich vermisse es aber nicht. Mein Leben hier ist ruhig und gelassen.” In Rajneeshpuram dagegen, habe sie eine Vielzahl von Erfahrungen gesammelt. “Einer meiner Lover war Südafrikaner. Er war so gut im Bett! Ich nannte ihn meinen Höhlenmenschen!” Sie lehnt im Schneidersitz nach hinten und schüttelt sich vor Lachen. “Wenn er mich irgendwo auf der Strasse sah, packte er mich, warf mich über seine Schulter und rannte mit mir weg!” Dass es in Rajneeshpuram zu offenem Sex gekommen sei, wie einer der Bewohner von Oregon in der Doku erzählt, könne sie nicht bestätigen. “Natürlich haben wir uns öffentlich geküsst und rumgeschmust. Aber wenn du durch Rajneeshpuram spaziert bist, hast du nie öffentlichen Geschlechtsverkehr gesehen.” Die Sannyasins hatten zwar oft Sex, doch dabei Kinder zu zeugen, war nicht erwünscht.
“Für Bhagwan stellten Kinder eine Ablenkung vom spirituellen Pfad dar”, sagt Sheela. Auch sie wollte nie Kinder: “Ich habe mich mit 25 sterilisieren lassen.” Was Bhagwans Position zu eigenen Kindern anbelangte, war diese stets klar. Als ich Sheela auf Bhagwans damalige Partnerin Vivek und deren Schwangerschaft anspreche, verändert sich ihre Mimik schlagartig. Ihre Stimme wird kurz lauter und sie sagt: “Ich bin mir sicher, dass sie extra schwanger wurde”, sagt sie, während sie das Wort “sicher” betont. Bhagwan stellte sie vor die Wahl: “Er sagte: ‘Entweder du treibst ab, oder du verlässt die Kommune mit dem Kind.’” Dass er keine Kinder wolle, habe er Vivek immer klar kommuniziert. “Harsch? Nein. In seiner Position stellten Kinder eine Belastung dar,” sagt sie. Sheela, die vor kurzem noch über Sex gesprochen und herzlich gelacht hatte, wirkt plötzlich sehr kühl. Niemand habe Vivek zur Abtreibung gezwungen. “Bhagwan machte seine Position einfach klar.”
Das System der Sannyasins funktioniert lange gut. Bis eine Gruppe von Schauspielern Bhagwans Nähe suchte. Dass die Leute aus Hollywood nicht zu Sheelas Lieblingen gehören, wird auch im Gespräch schnell klar: “Reiche Menschen wollten mit Bhagwan gesehen werden, sie wollten sich speziell fühlen, in der vordersten Reihe sitzen. Der Preis dafür? Vielleicht ein Rolls Royce”, sagt Sheela und lacht. “Entschuldige, ich mache nur Witze.” Aber als sich das Gespräch um diese Gruppe Menschen dreht, von denen auch Bhagwans Ex-Freundin Vivek ein Teil war, wird Sheela ernst. “Sie haben mit Bhagwan Drogen genommen und ihn abhängig gemacht”, sagt sie. Dabei habe die amerikanische Regierung nur nach einem Grund gesucht, gegen die Glaubensgemeinschaft vorzugehen. “Bhagwan hatte nicht vor, seinen Drogenkonsum zu beenden. Er gab mir den Auftrag, ihn zu beschützen. Und da ich das so nicht mehr tun konnte, musste ich gehen.”
Am 16. September 1985 bricht Bhagwan nach Sheelas Abreise aus Rajneeshpuram sein Schweigen und sagt in einem Interview mit einem australischen TV-Sender: “Sheela hat bewiesen, dass sie keine richtige Frau, sondern eine richtige Bitch ist.” Er klagt Sheela und ihre Gefolgschaft an, Schuld an den Vergiftungsfällen zu sein und beschuldigt sie auch weiterer Verbrechen. “Entweder wird sie sich wegen ihrer Schuldgefühle selbst töten, oder ihr Leben lang im Gefängnis sitzen.”
Am 2. Oktober 1985 betreten rund 50 FBI-Beamte Rajneeshpuram mit einem Durchsuchungsbefehl. Sie bringen so unter anderem zu Tage, dass die Salmonellenkulturen aus dem Labor in Rajneeshpuram stammen und dass Sheela die gesamte Glaubensgemeinde über Jahre hinweg überwacht hat. Einige Sannyasins entscheiden sich gegen mildere Strafen, dem FBI zu helfen.
“Was ich gemacht habe, kann ich sehr gut mit Bhagwans Lehren vereinen. Aber Bhagwans Lehren sind eine Sache, meine Integrität eine andere”, sagt Sheela heute. Sie habe gewusst, was auf sie zukommen würde. “Ich wusste, Bhagwan ist ein rachsüchtiger Mann. Aber ich bin gegangen und habe alles auf mich genommen, wofür man mich angeklagt hat.”
Für ihre Taten wird sie zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt und sitzt ihre Strafe in einem Frauengefängnis in den Vereinigten Staaten ab. Nach 29 Monaten wird sie wegen guter Führung entlassen und muss aus den USA ausreisen. “Ohne einen Penny” sei sie in Europa angekommen, sagt sie. In der Schweiz findet sie ihre neue Heimat und findet einen Job als Pflegerin eines alten Ehepaars. Dadurch habe sie auch ihre Berufung in der Pflege von bedürftigen Menschen gefunden.
Mit Nachdruck sagt sie: “Ich habe meine Seele nicht verkauft. Ich bin nicht der Erleuchtung nachgerannt, oder habe an meiner Position festgehalten, weil sie eine mächtige war.”
Am Ende des Tages hat man das Gefühl, eine andere Seite von Sheela kennengelernt zu haben. Die Frau, die sich aufopfernd um Bedürftige kümmert, jedem Journalisten geduldig Red und Antwort steht und über vieles lacht. Dennoch ist da auch die Seite von Sheela, die in der Vergangenheit skrupellos mit Menschenleben spielte und Menschen als “dumm” bezeichnet, deren Ansichten nicht in ihr Weltbild passen. Welche Seite der Realität am nächsten kommt, ist bis zum Schluss schwierig zu beantworten. Kurz bevor ich gehe, behauptet Sheela, dass auch Bhagwan der Meinung war, sie habe sich nichts zu Schulden kommen lassen. “Ich leite dir eine Mail weiter. Darin kannst du lesen, was Bhagwan in seinen letzten Monaten über mich sagte.”
Was mir Sheela per Mail zukommen lässt, ist ein Schreiben eines ehemaligen Sannyasin-Mitglieds. Im Anhang ein Gespräch, das Bhagwan im August 1986 mit einer seiner Anhängerinnen geführt haben soll. Darin lässt Bhagwan verlauten: “Sheela war nicht Täter, Sheela war ein Opfer.” Weiter heisst es: “Sheela ist keine Kriminelle und was immer sie getan hat – sie tat es, um die Kommune zu beschützen.” Ich erinnere mich an das, was Sheela über ihre Verbrechen sagte, als ich mit ihr auf dem Boden ihres Zimmers sass: “Ich habe nicht das Gefühl, dass irgendjemand von uns kriminell gehandelt hat.” Und wie sie mit einem Lächeln anfügte: “Wenn ich einen kriminellen Instinkt hätte, könnte ich ja wieder ein Verbrechen begehen.”