Gamer tanzen. Nicht etwa Walzer oder Tango, sondern Boneless, Llama Bell, Floss und Flapper. So heißen die Tänze, die Gamer und Gamerinnen von Fortnite erspielen oder erwerben können, um die Spielfigur hüpfen zu lassen und die anderen damit maximal zu nerven. Mehr als hundert dieser sogenannten Emotes gibt es inzwischen in Fortnite. Manche sind weit verbreitet und im Shop des Spiels erhältlich. Andere sind selten und lassen sich nur in einem bestimmten Zeitraum erspielen.
In jedem Fall sind die Emotes erfolgreich. Schon im Sommer hat Epic Games, der Entwickler von Fortnite, mehr als eine Milliarde US-Dollar allein mit In-Game-Verkäufen wie Emotes und Gegenständen wie neuer Kleidung für die Spielfiguren umgesetzt. Und nicht nur im Spiel geht der Trend zum Ausdruckstanz: Ob es nun Ex-Sprinter Usain Bolt oder die Jugendspieler des FC Bayern sind: Sportler, Promis und die Schüler der Grundschule von nebenan haben die Fortnite-Tänze gleichermaßen für sich entdeckt.
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Die meisten dieser Tänze sind keine Neuschöpfungen von Epic Games. Im Gegenteil, die Emotes sind unter anderem von Sitcoms wie Der Prinz von Bel Air inspiriert, von russischer Folklore, von milliardenfach geklickten Songs, schlecht belichteten Homevideos und alten Memes.
Das könnte man kreativ nennen – oder dreist. Weil Tänze nicht so einfach urheberrechtlich zu schützen sind, wie eine US-Anwältin für Noisey erklärt, kann sich Epic relativ unverfroren bedienen. Sie machen damit eine Menge Geld und die Schöpfer sehen möglicherweise keinen Cent. Deshalb gibt es nun eine Debatte um die Frage, ob Tänze besser geschützt sein sollten. Ein Rapper erwägt jetzt, Epic Games zu verklagen, auch wenn es juristisch schwierig ist.
Wir zeigen die Schöpferinnen und Schöpfer hinter fünf beliebten Fortnite-Tänzen – und erzählen, was sie dazu denken, plötzlich Teil des derzeit erfolgreichsten Videospiels er Welt zu sein.
Dance Moves: Der improvisierte Tanz aus “Scrubs”
Dance Moves ist das wohl bekannteste aller Fortnite-Emotes, denn es muss nicht erst gekauft werden, sondern ist für alle von Anfang an verfügbar. Es ist die Kopie eines Tanzes, den die Figur Christopher Turk aus der Comedyserie Scrubs in einer Folge aufführt. Im Original tanzt Turk zu einem Song der R’n’B-Band Bell Biv DeVoe, aber wie bei allen Fortnite-Emotes, wurde die Musik im Spiel geändert. Denn Songs sind natürlich urheberrechtlich geschützt und können deshalb von Epic Games nicht ohne Lizenz verwendet werden.
Der Schauspieler Donald Faison, der Turk in Scrubs verkörperte, findet deutliche Worte: “Sie haben den Scheiß geklaut”, sagte er während eines Auftritts auf dem Vulture Festival in dieser Woche, auch wenn ein bisschen Augenzwinkern mit dabei war: “Ihr glaubt wohl, jemand wurde dafür bezahlt, richtig? Nein, das stimmt nicht. Ich nicht jedenfalls!” Nach eigenen Angaben habe er den Tanz während der Dreharbeiten improvisiert, da er zu spät am Set erschien.
Bill Lawrence, der Schöpfer von Scrubs, ergänzte, dass Epic Games zumindest angefragt hätten, ob die Verwendung des Tanzes “legal sei”. Die Antwort: Ja, das sei es weil “nur eine Figur” tanze. Tatsächlich ist es möglich, komplexe Choreographien schützen zu lassen. Bei einzelnen Tänzen aber wird es schwierig.
Floss: Ein Tanz, um Eltern das Fürchten zu lernen
Der Floss ist einer der bekanntesten – und beklopptesten – Tänze in Fortnite und für einige Erwachsene ist das “flossing” offenbar mittlerweile eine Plage. Im Juli etwa verbot eine britische Grundschule den Tanz, weil damit andere Kinder auf dem Spielplatz eingeschüchtert wurden. In den USA gab es Berichte über Tanztrainer, die bezahlt wurden, um Kindern das richtige “flossing” beizubringen, damit sie in der Schule mit den coolen Kids mithalten konnten.
Berühmt gemacht hat den Tanz Russell Horning, besser bekannt als Backpack Kid. Vergangenes Jahr trat der damals 15-Jährige als Hintergrundtänzer für Katy Perry in einer Folge von Saturday Night Live auf. Mit einem Rucksack bestückt begann er, seine Arme rasend schnell vor dem Körper zu schwingen. Das “flossing”, in Anlehnung an die Verwendung von Zahnseide, war geboren und das Internet hatte ein neues Meme. Ende des vergangenen Jahres wurde der Tanz in Fortnite aufgenommen, und obwohl es das Emote nicht mehr zu kaufen gibt, gilt es als eines der beliebtesten.
Horning scheint das nicht zu stören, denn er profitiert vom Hype. Der nun 16-Jährige veröffentlicht bald seine erste EP, hat 2,2 Millionen Follower auf Instagram, verkauft Merchandise und besucht offizielle Fortnite-Events, wo er gemeinsam mit Fans den Tanz aufführt. “Ich habe einen weltweit bekannten Tanz erschaffen, und Fortnite hat seinen Teil dazu beigetragen”, sagte Horning im Gespräch mit dem Spielemagazin Polygon.
Electro Shuffle: So elegant tanzt in “Fortnite” sonst keiner
Das als Electro Shuffle bekannte Emote zählt Umfragen zufolge zu den beliebtesten in Fortnite, und allein aus ästhetischer Sicht ist es eines der besten. Der Tanz stammt von der Tänzerin und YouTuberin Gabby J David. Sie hatte ihn im Januar 2017 in ihrem Schlafzimmer aufgenommen, mittlerweile hat das Original fast neun Millionen Aufrufe. Der Großteil der Kommentare dreht sich um Fortnite.
Die Verwendung des Tanzes im Spiel fand David offenbar zunächst nicht so toll. Im Januar, kurz nachdem das Emote in Fortnite erschien, wünschte sich David jedenfalls mehr Anerkennung für ihre Schöpfung. Das jedenfalls geht aus den Antworten auf einen mittlerweile gelöschten Tweet und den darauf folgenden Tweets hervor, in denen manche ihrer Follower eine Namensnennung von Epic Games forderten.
“Die verdienen Geld mit meinem Shit”
Bis April aber schien sich Davids Einstellung geändert zu haben: “Es ist immer noch verrückt, ein Emote in einem Videospiel zu sein <3”, twitterte sie. Außerdem veröffentlichte sie im Mai ein weiteres Video, in dem sie die Tanzschritte noch einmal genauer erklärt und im Titel auch den “Electro Shuffle” erwähnt. Auf YouTube vermuten Kommentatoren, dass David eine Kooperation mit Epic Games eingegangen sei und für ihren Beitrag in irgendeiner Form entlohnt wurde. Auf Nachfrage von Motherboard wollte Davids Management das weder bestätigen noch dementieren. Man könne sich zu der Angelegenheit nicht äußern, hieß es.
Hype: Rapper BlocBoy JB will kein Geld, aber Credit
Es war Juli 2017, als der US-Rapper BlocBoy JB als erstes Mal den Shoot tanzte. Im Musikvideo zum gleichnamigen Song sprang er auf einem Bein und boxte dabei mit einem Arm in die Luft. Eine scheinbar beiläufige Bewegung, die sich jedoch schnell im Internet verbreitete. Plötzlich gab es die #shootchallenge und Menschen auf der ganzen Weltführten den Tanz auf. Als dann noch Rapper Drake mitmachte, war der Hype komplett.
“Jeder hat mir gesagt, Alter, dein Move ist in dem Game”
Hype ist auch der Name des Fortnite-Emotes, das auf dem Tanz von BlocBoy JB basiert. Und wie die meisten anderen, wurde er offenbar vorab nicht gefragt: “Immer wenn jemand meinen Tanz aufführt, bekommt Fortnite den Credit. Die verdienen Geld mit meinem Shit”, schrieb er im September auf Twitter. Und weiter: “Sie lieben unsere Kultur aber hassen unsere Hautfarbe.” BlocBoy JB argumentierte ähnlich wie sein Musikerkollege Chance the Rapper. Der forderte im Juli, Epic Games solle doch wenigstens die Originalsongs für die Emotes verwenden, um somit die Schöpfer zu entlohnen und den Ursprung zu bewahren.
Für BlocBoy JB aber geht es in erster Linie nicht um Geld, sondern um Wertschätzung, sagte er im Gespräch mit dem Musikmagazin Pitchfork. Epic Games bediene sich schwarzer Jugendkultur, wollten das aber nicht zeigen. Obwohl Fortnite sich, wie die vorherigen Beispiele zeigen, nicht ausschließlich bei Rappern oder schwarzen Künstlern bedient, ist das ein interessanter Aspekt in der Debatte: Tänze, die ihren Ursprung in bestimmten Kulturen und Subkulturen haben, werden durch die Aufnahme im Spiel von ihrer Geschichte gelöst. Das Original verschwindet hinter Fortnite-Figuren, sodass Menschen glauben könnten, die Tänze wären zuerst in im Spiel entstanden und alle anderen würden sie bloß kopieren.
Swipe It: Ein Rapper will gegen ‘Fortnite’ klagen
Swipe It hat die aktuelle Debatte um die Emotes angestoßen. Hinter dem Tanz steht der US-Rapper 2 Milly. Schon 2014 hat er den sogenannten Milly Rock in einem gleichnamigen Musikvideo getanzt, den Fortnite unter dem Namen Swipe It ins Spiel baute. Weniger später entdeckten ihn vor allem schwarze Profisportler und Promis für sich. Und wie bei allen Emotes, die aus der Popkultur stammen, hat sich auch Epic Games früher oder später dafür interessiert. Als im Juli dieses Jahres die fünfte Season von Fortnite begann, war Swipe It ein angesagtes Emote.
“Jeder hat mir gesagt, Alter, dein Move ist in dem Game”, sagte 2 Milly im Interview mit dem US-Fernsehsender CBS, “und als ich merkte, dass sie ihn verkaufen, dachte ich, das kann so nicht weitergehen”. Er wolle die Entwickler nicht um Millionen belangen, sondern lediglich schützen, was ihm gehöre. Deshalb überlege er nun gemeinsam mit seinen Anwälten, ob eine Klage gegen Epic Games möglich sei.
Sollte 2 Milly tatsächlich Klage einreichen und der Fall vor Gericht kommen, könnte das Signalwirkung haben. Denn selbst wenn die Erfolgsaussichten gering sind, könnte das Studio in der Öffentlichkeit weiter unter Druck geraten und sich eine Lösung überlegen: Vielleicht würden sie dann in Zukunft zumindest nachfragen, ob sie einen Tanz zum Emote machen dürfen. Oder sie würden die Schöpfer einfach am Erfolg von Fortnite beteiligen: Ein bisschen Kleingeld für einen Tanz dürfte bei mehr als einer Milliarde Dollar Umsatz bestimmt noch drin zu sein.
Update (26.11.2018): In einer früheren Version hieß es, Russell Horning habe den Floss erfunden. Tatsächlich gab es aber schon vorher Videos, in denen er auftauchte. Horning hat ihn mit seinem SNL-Auftritt allerdings berühmt gemacht. Wir haben den Artikel aktualisiert.