Nachdem Neonazis und andere Asylkritiker* sich fast drei Nächte hintereinander vor einer neuen Flüchtlingsunterkunft in der deutschen Stadt Heidenau Straßenschlachten mit der Polizei und Antifaschisten geliefert haben, hat jetzt endlich ein prominenter Bundespolitiker klare Worte für die rechten Angreifer gefunden. Sigmar Gabriel, SPD-Chef und Überwachungsfan, reiste höchstpersönlich nach Sachsen, um dort sein Urteil abzugeben: Der rechte Mob von Heidenau sei „undeutsch“.
Das hätte man nun wirklich nicht erwartet. Nachdem Angela Merkel bis Montagmorgen brauchte, um überhaupt irgendwas zu den brutalsten Anti-Asyl-Krawallen seit Rostock-Lichtenhagen zu sagen, hatten die meisten Beobachter schon fast das Gefühl, dass die Bundespolitik keine Lust hat, eine klare Position gegen die „besorgten Bürger” zu beziehen. Aber dann kommt Sigmar Gabriel und brät den Neonazis so richtig eins über, indem er ihnen schlicht das Deutschtum abspricht. Das muss weh tun!
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Jetzt mal im Ernst: Wie bescheuert muss man eigentlich sein, um ausgelebte Ausländerfeindschaft als „undeutsch” zu bezeichnen? Erstens gehört mörderischer Rassismus immer noch mehr zur Geschichte Deutschlands als zu der jeden anderen Landes der Welt, auch wenn da viele am liebsten nicht mehr drüber reden wollen. (Na gut, in Österreich sind wir auch nicht viel besser.)
Zweitens ist es völlig kontraproduktiv, sich diese Menschen einfach verbal aus der Gesellschaft zu wünschen—das wird nichts daran ändern, dass sie sehr wohl Teil von Deutschland sind. Das ist ja genau das Problem, dass dieser kleine Teil die gesamte Asyldebatte schon seit Monaten vergiftet, indem sie das Internet mit ihren Lügen und die realen Flüchtlingsheime mit feigen Anschlägen in Brand setzen.
Und drittens ist es nun wirklich hirnrissig, so ein Wort wie „undeutsch” im 21. Jahrhundert überhaupt noch zu benutzen. Das Wort kommt direkt aus dem Nationalsozialismus, als Höhepunkt der „Aktion wider den undeutschen Geist” gilt die Bücherverbrennung von 1933.
Dass diese Leute Teil von Deutschland sind, hätte Gabriel eigentlich am besten wissen müssen: Schließlich hat er damals die Pegida-Anhänger persönlich in Dresden besucht, um sich ihre Sorgen und Nöte anzuhören. Danach urteilte er übrigens sehr entschieden, dass Pegida „ganz offensichtlich” zu Deutschland gehöre. Vielleicht täte der SPD-Chef generell mal gut daran, die Deutungshoheit über „deutsch” und „undeutsch” wieder abzugeben und sich ein paar passendere Deutungsmuster anzugewöhnen. „Rassistisch”, „menschenverachtend”, „verfassungsfeindlich”—das alles hätte man ja sagen können. Stattdessen aber zu versuchen, einen Nazi bei seiner deutschnationalen Ehre zu packen und sein Wertesystem (von „volldeutsch” bis „undeutsch” sozusagen) damit praktisch zu übernehmen, ist eine schreckliche Idee. Da wäre es dann doch besser, Politiker würden sich gar nicht äußern, statt so einen Unsinn von sich zu geben.