Es gibt wahrscheinlich nicht viele Positionen im Hochleistungssport, die undankbarer sind, als erfolgreicher Teil eines Frauenfußball-Teams zu sein. Es ist egal, wie erfolgreich du bist, wie sehr du im internationalen Vergleich die Konkurrenz platt machst und für wie viel weniger Negativschlagzeilen du im Gegensatz zu deinen männlichen Pendants sorgst: Es interessiert sich (vergleichsweise) kein Schwein für dich. Deswegen wird es womöglich einige von euch überraschen, wenn ich nun verkünde, dass vom 6. Juni bis zum 5. Juli die Weltmeisterschaft des Frauenfußballs in Kanada ausgetragen wird.
Im Gegensatz zu ihren Fußballkollegen mit Penis müssen sich die Damen der Schöpfung allerdings einer Art Test unterziehen, der an Absurdität kaum zu überbieten ist: Sie müssen im Vorfeld des Turniers beweisen, dass sie auch wirklich Frauen sind. Schließlich weiß jeder, dass Männer viel besser Fußball spielen als Frauen und es dementsprechend nur naheliegend ist, dass irgendwelche Gurkenvereine versuchen, die alles könnenden Testosteronbolzen ins Team zu schmuggeln, richtig? (Das ist eine rhetorische Frage. Calm your tits, Facebook-Wutbürger.)
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Das ist natürlich—wie so oft—nicht nur auf bürokratischer Ebene absoluter Unfug. Tatsächlich gibt es nämlich deutlich effektivere Wege, festzustellen, ob man jemandem gegenüber steht, der zum schönen Geschlecht gehört:
Frage eine offenkundig weiblich anmutende Person, ob sie wirklich eine Frau ist. Wenn sie dir ins Gesicht schlägt, sollte es keine offenen Fragen mehr geben.
Es gibt nämlich nur wenig Unverschämteres, als die sexuelle Identität einer Person anzuzweifeln. Die menschliche Sexualität ist eine schillernde Palette voller Zwischentöne und grundlegend sollte man sich mal ganz offen die Frage stellen, ob solche Tests die Menschenwürde nicht auf eine Art und Weise untergraben, die so eigentlich nicht zulässig ist. Vor allem, da—und man kann das gar nicht oft genug sagen—diese Art von Geschlechtsnachweis scheinbar nur im Frauensport stattfindet.
Das hat hormonelle Gründe. Durch Androgene, dazu zählt beispielsweise auch Testosteron, sollen Männer sportlich nämlich grundlegend leistungsfähiger als Frauen sein, was im direkten Vergleich zu einer Verzerrung des Wettbewerbs führen würde. Demzufolge wurde vom Weltfußballverband, der Fifa, 2011 mit der „Gender Verification”-Vorschrift eine Richtlinie verabschiedet, die „im Hinblick auf die Integrität des Fußballs” sicherstellen soll, dass gleiche Bedingungen für alle Spieler auf dem Platz gelten und niemand aufgrund körperlicher Voraussetzungen benach- oder bevorteilt ist.
Sprich: „Es fällt in die Verantwortung der Mitgliedsverbände und der Mannschaftsärzte, das Geschlecht ihrer Spieler sicherzustellen.” Sollten Geschlechtshormonspiegel oder aktuelle medizinische Befunde nicht ausreichen, kann auf Verlangen der Verbände hin auch ein unabhängiger Gutachter, respektive ein kompletter Gutachterausschuss, hinzugezogen werden. Einer der Gründe für den verbindlichen Test mag auch die Kontroverse um drei Fußballerinnen aus Äquatorialguinea gewesen sein. Laut sueddeutsche.de hatten die Teams aus Nigeria, Südafrika und Ghana vor der letzten Weltmeisterschaft 2011 protestiert, dass es sich bei den Sportlerinnen angeblich um Männer handle.
VICE Sports: Die Formel 1 braucht Frauen, die nicht nur gut aussehen.
Aus sportlicher Sicht mag diese geschlechtliche Absicherung sinnvoll sein, trotzdem kann man sich als Außenstehender wahrscheinlich nicht mal ausmalen, wie demütigend es sein muss, sich von einem Arzt sein Geschlecht attestieren lassen zu müssen. Die deutsche Nationalmannschaft scheint es immerhin mit Humor zu nehmen. Gegenüber der Bild-Zeitung stellte DFB-Managerin Doris Fitschen fest: „Die Fifa wird ihre Gründe dafür haben. Wir haben das gelassen zur Kenntnis genommen und sind froh bestätigen zu können: Unsere Spielerinnen sind alle weiblichen Geschlechts.” Im Fall der 23 Sportlerinnen hatte eine Erklärung des jeweiligen Frauenarztes scheinbar ausgereicht. „Wir haben uns alle sehr über den Test amüsiert und das Ganze nicht so ernst genommen”, erklärte Nationalspielerin Lena Goeßling.
Inwiefern diese Regelung auch Geschlechtsidentifikation abseits von Mann und Frau zulässt und ob das verbreitete Bild des körperlich überlegenen Mannes nicht genau den Leuten zuspielt, die das weibliche Geschlecht im Allgemeinen gerne als schwächer und weniger leistungsfähig abstempelt, bleibt bei all dem Wunsch nach sportlicher Chancengleichheit leider offen. Da lobt man sich doch Disziplinen wie den Reitsport, da ist das Geschlecht nämlich komplett egal—sowohl das vom Pferd als auch das vom Reiter.
Titelfoto: Heinrich-Böll-Stiftung | Flickr | CC BY-SA 2.0