Das Verhältnis zwischen Edward Snowden und dem künftigen Präsidenten der USA könnte schlechter nicht sein: Trump nannte den Whistleblower eine „schreckliche Bedrohung” und einen „Verräter”, Snowden revanchierte sich, in dem er Trumps Verschwörungstheorie rund um das FBI und den Clinton-Skandal in nur einem Tweet entkräftete. Doch jenseits persönlicher Animositäten sind es vor allem die politischen Positionen der beiden Männer in Bezug auf Überwachung und Datenschutz, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Trump forderte schon mal, „Teile des Internets zu schließen”, um Propaganda des Islamischen Staates (IS) zu verhindern, oder rief Apple-Nutzer dazu auf, Apple zu boykottieren, weil die Firma sich weigerte, für das FBI das iPhone eines der San-Bernardino-Attentäters zu hacken.
Zwei Tage nach Trumps Triumph bei den amerikanischen Präsidentschaftswahlen meldete sich Edward Snowden am späten Donnerstagabend dann per Video-Schalte zu Wort. Wer jedoch erwartet hatte, dass der NSA-Whistleblower eine reine Trump-Schelte vom Stapel lassen würde, der wurde getäuscht. Snowden bewies ein weiteres Mal, dass es ihm nicht nur um einzelne konkrete Entwicklungen in der der Tagespolitik geht, sondern dass er stets auch die dahinterliegende politische Bedeutung reflektiert.
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„Jetzt geht es nicht darum, wie wir gegen den Präsidenten Donald Trump kämpfen. Jetzt geht es darum: Wie verteidigen wir die Rechte aller Menschen überall auf der Welt.”
Tatsächlich erklärte Snowden in seiner knapp einstündigen Frage-Antwort-Runde nämlich, warum er selbst trotz einiger besorgniserregender Aussagen von Trump voller Hoffnung sei. „Ja, das hier ist ein dunkler Moment in der Geschichte unserer Nation, aber es ist nicht das Ende der Geschichte. Wenn wir uns zusammen tun und als Gesellschaft zusammenarbeiten, wenn wir gemeinsam etwas aufbauen, dann werden wir schon bald in einer freieren und besseren Welt leben”, erklärte er in einem Plädoyer für die Macht von zivilgesellschaftlichem und kollektivem Engagement. „Wir können einmal mehr beweisen, dass es in Amerika nicht nur um Recht, sondern auch um Gerechtigkeit geht.”
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Auch auf die Frage, ob ein Präsident Trump schlecht für sein persönliches Schicksal sei, antwortete er ebenfalls in typischer Snowden-Manier: Ja, er habe die dramatische Wahlnacht selbstverständlich aus seinem unfreiwilligen Moskauer Exil genau verfolgt, aber „hier geht es nicht um mich; ich bin der unwichtigste Teil dieser Sache.”
Ähnlich wie Barack Obama in seinem Kommentar nach der Wahl betonte auch Snowden, dass die Wahl zeige, dass die politische Entwicklung in einer Demokratie eben nicht immer gradlinig sei—sondern dass Wandel und Veränderung dazu gehören. Snowden lenkte allerdings genau deswegen auch den Blick auf das Feld der Geheimdienste: Gerade hier sei es umso wichtiger, Regeln zu schaffen, damit die parlamentarische und demokratische Kontrolle der staatlichen Machtbefugnisse funktioniere: „Wir sind immer nur eine einzelne Wahl davon entfernt, dass sich die Politik verändert. Und auch, dass sich verändert, wie die Machtbefugnisse, die wir zusammen mit einem (politischen) System errichtet haben, eingesetzt werden.”
Gleichzeitig ging es—wie so oft in Wortmeldungen von Snowden—nicht nur um eine dystopische Interpretation von staatlichen Gesetzen, sondern auch um konkrete technische Tools, die den Bürgern zur Verfügung stünden. Einmal mehr plädierte er dafür, dass private Kommunikation so oft wie möglich verschlüsselt abgewickelt werden müsse. Dabei nahm er auch die großen Tech-Konzerne in die Pflicht und führte beispielhaft den Fall der Krypto-App Signal an: Die App schütze nicht nur die Privatsphäre der Nutzer durch Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, sie habe sich auch vorbildlich gegen Spionageanfragen durch die US-Regierung gewehrt. Zwar warnte Snowden auch „seid vorsichtig, was ihr großen Diensten wie Google anvertraut”, doch letztlich sei es die Sache jedes einzelnen Bürgers, für sich selbst abzuwägen, wo er den Kompromiss zwischen Komfort und Datenschutz treffe.
Snowden warnte auch vor der Gefahr neuer Gesetze, die Massenüberwachung vereinfachen und die Kontrolle von Geheimdiensten schwächen könnten—und nannte dabei explizit auch die BND-Reform. Diese sollte dafür stehen, die parlamentarische Kontrolle zu stärken, tatsächlich bedeute sie nur mehr Massenüberwachung.
Insgesamt war Snowden in seiner knapp einstündigen Videoschalte aber um eine positivere Botschaft bemüht. Er verwies mehrfach darauf, dass es noch viel mehr Möglichkeiten der Mitbestimmung als Wahlen gäbe und dass es die Verantwortung aller sei, sich gesellschaftlich zu engagieren: „Ein Präsident ist auch nur ein Präsident. Wenn wir eine bessere Welt aufbauen wollen, dann ist das nicht einfach nur der Job von Politikern, sondern die Aufgabe von uns allen, von der Bevölkerung.”
Alles halb so schlimm, wenn wir jetzt nicht unseren Wunsch nach einer besseren Welt bis zur nächsten Abstimmung vergessen. Tatsächlich dürften die Worte von Snowden Balsam auf die Seele von all denjenigen sein, die der Erfolg von Trump verunsichert hat. Außerdem ist es einfach wunderbar zu sehen, dass ausgerechnet ein Whistleblower, der ein Überwachungssystem dystopischen Ausmaßes enthüllt hat und dafür tiefgreifende persönliche Konsequenzen erdulden musste, noch immer positiv denkt.